Bundeswehr im Mittelmeer "ein bisschen erschrocken" Hunderttausende Flüchtlinge warten auf die Überfahrt
Alleine zu Beginn dieser Woche waren es weit mehr als 5000 - und das innerhalb von nur 48 Stunden. Die Zahl der aus dem Mittelmeer geretteten Flüchtlinge steigt rasant. Längst befürchten Hilfsorganistionen eine neue Massenflucht. Auch die Bundeswehr stößt bei ihrem Einsatz im Gebiet zwischen Libyen und Italien zeitweise an ihre Kapazitätsgrenze.
"Wir sind ein bisschen erschrocken über die große Zahl derjenigen, die jetzt, wo das Wetter stabil ist, aus Libyen kommen", sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr.
Am Mittwoch sei die Fregatte "Karlsruhe" mit rund 250 Geretteten an Bord in Richtung Brindisi unterwegs gewesen, als sie ein weiterer Notruf erreicht habe. Eine italienische Einheit habe sich dann dieses zweiten Schlepperbootes angenommen. Das zweite deutsche Schiff, der Einsatzgruppenversorger "Frankfurt am Main", war zu diesem Zeitpunkt im Hafen von La Spezia.
Einsatz nur außerhalb der Hoheitsgewässer
Die Bundeswehr beteiligt sich seit Juni 2015 an der Operation Sophia, mit der die EU die illegale Migration über das Mittelmeer bekämpft. Da die Operation bislang auf das Gebiet außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer begrenzt ist, konnten die beteiligten Kriegsschiffe zwar rund 14.000 in Seenot geratene Flüchtlinge in Sicherheit bringen. Gegen die an der Küste bleibenden Schleuser sind die Soldaten aber weitgehend machtlos.
Immerhin gebe sich die neue Regierung in Tripolis alle Mühe, als Partner der EU-Operation aufzutreten, sagte der Bundeswehr-Sprecher. Gelegentlich kämen Informationen. Auch einige Boote der Küstenwache seien zuletzt unterwegs gewesen - um Schlepperboote zu stoppen oder um Flüchtlinge aus Seenot zu retten. "Das ist zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin, da passiert jetzt ein bisschen etwas", so der Sprecher weiter.
Bis zu eine Million Flüchtlinge in Libyen
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) halten sich derzeit 700.000 bis eine Million Flüchtlinge und Migranten im Bürgerkriegsland Libyen auf. Auch die private Flüchtlingshilfe-Organisation "Sea Watch" warnt vor einer neuen Massenflucht. "Bei anhaltend gutem Wetter erwarten wir einen massiven Verkehr an Flüchtlingsbooten von Libyen aus", sagte "Sea-Watch"-Initiator Harald Höppner. Wie zur Untermauerung seiner Worte gab es am Donnerstag die nächste Meldung über ein gekentertes Flüchtlingsboot. Bis zu 30 Menschen sollen dabei ertrunken sein.
Bisher gelangten laut IOM und dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR in diesem Jahr knapp 34.000 Flüchtlinge über die Mittelmeerroute nach Italien - im Vergleich zu mehr als 47.000 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 988 Menschen seien bei der Überfahrt gestorben, bis Ende Mai 2015 seien 1782 Tote gezählt worden. Berücksichtigt man auch die Flüchtlinge, die aus der Türkei nach Griechenland kommen, sind in den ersten fünf Monaten mehr als 190.000 Menschen über das Mittelmeer geflohen.
Bislang gibt es nach Angaben von Behörden allerdings keine Hinweise darauf, dass Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afghanistan auf die Route über Libyen umschwenken. Die meisten der seit Jahresbeginn übers Mittelmeer nach Italien gekommenen Menschen stammen demnach aus Ländern südlich der Sahara.