"Provokativer" Demokratie-Bericht Erdogan verbittet sich Kritik aus EU
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält Kritik aus der EU an seiner Regierung angesichts der Bedeutung seines Landes in der Flüchtlingskrise für unangemessen. Das hat der umstrittene Politiker jetzt noch einmal betont.
Der jüngste Bericht des EU-Parlaments zu Demokratiedefiziten in der Türkei sei "provokativ", sagte Erdogan bei einer Rede vor Lokalpolitikern in Ankara. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu warnte bei einem Besuch in Straßburg vor einer zunehmenden Islamfeindlichkeit in Europa.
Erdogan verwies auf die Zusammenarbeit der Türkei mit der EU zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen in Europa: "Die Europäische Union braucht die Türkei mehr als die Türkei die Europäische Union braucht", sagte er. In einer Zeit, in der die Beziehungen zwischen Ankara und Brüssel auf einem guten Weg seien, sei es "provokativ, einen solchen Bericht zu veröffentlichen", sagte der türkische Präsident.
Volksvertreter "sehr besorgt"
Das Europaparlament hatte das Vorgehen der türkischen Behörden gegen Journalisten und Regierungskritiker in der vergangenen Woche scharf kritisiert. Die EU-Volksvertreter zeigten sich "sehr besorgt" über Rückschritte bei der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Sie wiesen insbesondere auf die Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei hin.
Der türkische Ministerpräsident Davutoglu lobte bei einem Besuch der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg die Fortschritte bei der Umsetzung des Flüchtlingsabkommens. Der Plan zeige erste Erfolge, sagte Davutoglu. Die Zahl der Flüchtlinge, die von der Türkei aus mit Booten in Richtung Griechenland aufbrächen, sei deutlich gesunken - auf durchschnittlich etwa 60 pro Tag.
Pochen auf das Visa-Abkommen
Er warnte jedoch, dass die Türkei ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen werde, falls die EU ihre Zusage zur Umsetzung der Visafreiheit nicht einhalten sollte. Er rechne damit, dass die Visumspflicht für türkische Bürger aufgehoben werde, hatte Davutoglu vor seiner Abreise nach Straßburg gesagt: "Falls nicht, kann natürlich niemand erwarten, dass die Türkei sich an ihre Verpflichtungen hält." Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte zuvor im Parlament gewarnt: "Wenn die EU ihr Wort nicht hält, werden wir alle Abkommen inklusive des Rücknahmeabkommens aufkündigen."
Davutoglu gehe aber weiterhin davon aus, dass die Visumfreiheit wie angestrebt im Juni in Kraft trete. Von den 75 Bedingungen habe die Türkei inzwischen 58 erfüllt. Die restlichen 17 Punkte sollten bis Mai abgearbeitet werden.
Die Abschaffung der Visapflicht für Türken bei Reisen in den Schengen-Raum ist Teil des EU-Türkei-Pakts zur Eindämmung des Flüchtlingsandrangs in die EU. In mehreren EU-Staaten gibt es aber Bedenken gegen die Reiseerleichterungen. Einem Bericht zufolge soll das Visa-Liberalisierungs-Abkommen daher mit einer Klausel versehen werden, um die Visafreiheit relativ schnell wieder aufzuheben, falls Ankara seinen Verpflichtungen nicht nachkomme.
Türkei für "globalen Ansatz" gegen Terror
Der türkische Regierungschef warnte in Straßburg außerdem vor einer zunehmenden Islamfeindlichkeit in Europa. Die jüngsten Anschläge seien schockierend. Sie müssten mit einem "globalen Ansatz" bekämpft werden, sagte Davutoglu. Dies gelte für alle Anschläge, egal ob sie in Paris, Brüssel oder Istanbul verübt worden seien.
Diese "terroristischen" Taten dürften aber nicht "religiös begründet" werden. Wer dies tue, schüre die Islamfeindlichkeit, warnte Davutoglu. Damit werde ein Nährboden für Extremisten geschaffen.