Der tote Junge von Bodrum "Ein Foto, um die Welt zum Schweigen zu bringen"
Das Bild eines toten syrischen Flüchtlingsjungen wird zum Sinnbild der Flüchtlingskrise: Die Leiche des dreijährigen Aylan Kurdi liegt mit dem Gesicht im Sand an einem Strand nahe des türkischen Ferienorts Bodrum.
Medienberichten zufolge starb der Junge bei der Flucht über das Mittelmeer. Auch sein Bruder Galip und seine Mutter überlebten den Angaben zufolge die Überfahrt nicht. Die Familie war den Berichten zufolge vergangenes Jahr aus der syrischen Stadt Kobane vor der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in die Türkei geflohen.
Aylan und seine Familie saßen vermutlich in einem von zwei Flüchtlingsbooten, die am Mittwochmorgen auf dem Weg von der türkischen Küste zu einer griechischen Ägäis-Insel sanken. Insgesamt zwölf tote Flüchtlinge aus Syrien, darunter fünf Kinder, wurden von der türkischen Küstenwache geborgen. 15 Flüchtlinge schafften es an Land. Drei Menschen werden noch vermisst.
Einem Medienbericht zufolge wurden inzwischen vier mutmaßliche Schleuser in Bodrum festgenommen. Die Männer aus Syrien werden verdächtigt, für den Tod der zwölf Flüchtlinge verantwortlich zu sein, meldete die Nachrichtenagentur Dogan.
"Meine Frau und meine beiden Kinder sind tot"
Aylans Familie wollte offenbar nach Kanada. Wie die Tageszeitung "Ottawa Citizen" berichtet, hatte der Vater mit seiner Frau und den beiden Söhnen zu seiner Schwester nach Vancouver gelangen wollen. Der einzige Wunsch des Vaters sei es nun, mit den Leichen seiner Angehörigen ins syrische Kobane zurückzukehren und sie dort zu begraben, zitierte das Blatt die Familie.
Die Schwester des Vaters, Teema Kurdi, lebe schon seit 20 Jahren in Vancouver. Sie habe per Telefon von einer Verwandten von dem Unglück erfahren. "Sie wurde von Abdullah angerufen und alles, was er sagte, war: "Meine Frau und meine beiden Kinder sind tot"", zitierte der "Ottawa Citizen" die Frau.
Liebe Leserinnen und Leser, wir haben uns dazu entschieden, Ihnen dieses schockierende Foto zu zeigen. Nicht, weil wir damit Klicks machen wollen. Sondern weil es wie kein anderes Bild zeigt, dass direkt vor unserer Haustüre Menschen sterben: Männer, Frauen und Kinder. Und weil wir als Redaktion, wie Sie auch, wütend darüber sind, dass so etwas im reichen Europa des Jahres 2015 passieren kann. Die Wucht dieses Bildes soll aufrütteln - und die rechten Hetzer als menschenverachtend entlarven. Ihre t-online.de-Redaktion |
Der kleine Körper des Jungen, bekleidet mit einem roten T-Shirt und einer kurzen blauen Hose, war an den Strand im Süden der Türkei gespült worden. Ein junger Polizist nahm die Leiche in die Arme und trug sie davon. Auf einem Foto ist zu sehen, wie der Polizeibeamte den Kopf zur Seite dreht, so als wolle er dem traurigen Anblick der Kinderleiche entgehen.
"Ein Foto, um die Welt zum Schweigen zu bringen", kommentiert die italienische Zeitung "La Repubblica" das Foto. "Der Untergang Europas", schreibt die spanische Zeitung "El Periodico" in ihrer Onlineausgabe.
"Was, wenn nicht dieses Bild eines an den Strand gespülten syrischen Kindes, wird die europäische Haltung gegenüber Flüchtlingen ändern?", fragt die britische Zeitung "The Independent" auf ihrer Website.
Im Kurznachrichtendienst Twitter wurde das Foto unter dem Hashtag in türkischer Sprache #KiyiyaVuranInsanlik verbreitet (Die fortgespülte Menschlichkeit). Der französische Premierminister Manuel Valls schrieb: "Er hatte einen Namen: Aylan. Wir müssen dringend etwas tun."
Überladene und seeuntaugliche Boote
Der Notfall-Leiter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Peter Bouckaert, erklärte, die Flüchtlinge seien "nahezu sicher gestorben, als sie versuchten, in Europa in Sicherheit zu gelangen, indem sie an Bord eines Schmuggler-Boots gingen. Stattdessen endeten sie als die neuesten Opfer von Europas armseliger Antwort angesichts einer wachsenden Krise."
Seit Jahresbeginn haben schon mehr als 350.000 Flüchtlinge die gefährliche Reise über das Mittelmeer gemacht, um in Europa ein besseres Leben zu finden. Oft schicken Schlepper völlig überladene und seeuntaugliche Boote auf den Weg. Dabei kommen immer wieder Menschen ums Leben.