Streit um Schiedsgerichte TTIP-Debatte nach Tumult in EU-Parlament verschoben
Das Freihandelsabkommen TTIP erhitzt auch die Gemüter der EU-Parlamentarier. Nach einer tumultartigen Diskussion hat das EU-Parlament die für Mittwoch vorgesehene Debatte über das stark umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) mit den USA vorläufig verschoben. Das Argument: Die Debatte sollte nicht von der Abstimmung getrennt geführt werden.
Am Dienstag hatte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) mit Hinweis auf die Fülle von Änderungsanträgen schon die Abstimmung verschoben.
Der Streit entzündet sich an der Schiedsgerichtsbarkeit, mit der Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten geregelt werden sollen.
Im Plenarsaal kam es dabei zu höchst emotionalen Szenen. Linke und Konservative warfen sich gegenseitig fehlendes Demokratieverständnis vor. Mit einer knappen Mehrheit von 183 gegen 181 Stimmen votierten die Abgeordneten für den Antrag zur Verschiebung der Debatte von Christdemokraten, Konservativen und Liberalen. Ein neuer Termin für Debatte und Abstimmung wurde noch nicht vereinbart.
Reizwort private Schiedsgerichte
Der Streit über die Schiedsgerichtsbarkeit polarisiert. Die Kritiker befürchten, dass bei privaten Schiedsstellen europäische Investoren in den USA gegenüber US-Unternehmern benachteiligt würden und US-Konzerne sich gegen europäische Staaten durchsetzen könnten. Linke und Grüne sind entschieden dagegen. Konservative und Christdemokraten hätten bei einer Ablehnung gegen den gesamten Entschluss gestimmt. Das Votum des Parlaments ist allerdings nicht bindend.
Verhärtete Fronten
"Mir macht es Angst, wenn ich sehe, wie die Links- und die Rechtsradikalen hier im Haus sich gegenseitig in Rage reden und die Grünen an der Seite dieser Leute stehen", sagte der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU).
Darauf entgegnete die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Rebecca Harms: "Wenn jetzt jeder, der kritisch ist gegen private Schiedsgerichte, an den Pranger gestellt wird als links und rechtsradikal, dann frage ich mich, was wir für eine Basis der Zusammenarbeit haben."
"Wir wollen keine privaten Schiedsgerichte", sagte der Berichterstatter und Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD) auf einer Pressekonferenz. Die EVP (Christdemokraten) habe dieser Position nicht zustimmen wollen. "Offensichtlich will sie sich eine Hintertür offenhalten."
Über 200 Änderungsanträge
Die Verschiebung der Abstimmung hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßt. Früher sei der EU immer vorgeworfen worden, Kritik werde nicht ernst genommen und die Verhandlungen seien intransparent, sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo im ZDF-"morgenmagazin". Insofern sei es positiv, dass man sich jetzt mit den mehr als 200 Änderungsanträgen beschäftige "und es dann nochmal, hoffentlich zeitnah" die Abstimmung gebe.
Die Regierungen in den EU-Mitgliedstaaten halten TTIP wie die Wirtschaft für eine große Chance für mehr Wachstum und Arbeitsplätze. "Handelshemmnisse" sollen wegfallen. Dabei geht es weniger um Zölle, als um Produktionsnormen und Qualitätsstandards für einen Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Verbrauchern.
Das Abkommen wird seit 2013 mit den USA verhandelt. Bis 2017 könnten die Diskussionen abgeschlossen werden.