t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandEuropäische Union

Wahl in Polen: Was bedeutet das für Deutschland und die EU?


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Polen vor Regierungswechsel
Das Ende der Eiszeit


Aktualisiert am 17.10.2023Lesedauer: 4 Min.
Player wird geladen
Jubel am Wahlabend: Donald Tusk könnte mit einer liberalkonservativen Koalition die Regierung übernehmen. (Quelle: reuters)

Polen hat gewählt – und stimmt Prognosen zufolge für einen Regierungswechsel. t-online erklärt, was die Polen-Wahl für Deutschland und für Europa bedeutet.

Stimmen die Wahlprognosen, ist die Sache klar: Die Polen wollen eine neue Regierung. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat ihre absolute Mehrheit im Parlament verloren, jetzt könnte die liberalkonservative Opposition um den früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk die Macht übernehmen.

Das amtliche Endergebnis steht erst am Dienstag fest. t-online erklärt vorab, welche Folgen der so prognostizierte Wahlausgang für Polen hat, welche für Deutschland und welche für die EU.

Was heißt das für Polen?

Die rund 38 Millionen Polen können sich auf einen Machtwechsel einstellen. So ist die PiS-Partei zwar Sieger der Wahl, holte 36,6 Prozent der Stimmen. Allerdings verfehlte sie damit im Parlament ihre bisherige Regierungsmehrheit. Den Prognosen zufolge kommt PiS lediglich auf 198 Sitze, nachdem sie 2019 noch 235 Sitze geholt und somit alleine hatte regieren können. Die Mehrheit liegt bei 231 der 460 Mandate.

Diese wiederum könnte die oppositionelle Bürgerkoalition (KO) von Donald Tusk erreichen, wenn sie mit zwei weiteren Partnern koaliert. Laut Prognosen käme die KO auf 161 Mandate. Gemeinsam mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (13,5 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica (8,6 Prozent) hätte das Dreierbündnis 248 Sitze im Parlament – eine Mehrheit.

Oppositionsführer Donald Tusk sah sich am Abend daher schon als Sieger: "Ich habe mich noch nie so sehr über den zweiten Platz gefreut. Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen, das ist das Ende der PiS-Regierung", sagte er am Wahlabend. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sagte, man warte auf den weiteren Verlauf der Ereignisse. Seine Partei hat als stärkste Kraft nun aber vorerst das Recht, zu Koalitionsgesprächen einzuladen.

Polen ist gespalten

Ein Regierungswechsel hätte massive Folgen für Polen. "Wenn es Donald Tusk gelingt, eine neue Regierung zu bilden, kommt das einer 180-Grad-Wende für das Land gleich, sowohl in der Europa- als auch in der Innenpolitik", sagt David Gregosz, Leiter des Warschau-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, t-online.

"Für Polen hieße eine neue Regierung mutmaßlich unter Donald Tusk, dass sich das Land vom illiberalen Kurs der PiS-Partei verabschiedete", so der Experte. "Aber: Das ist eine Herkulesaufgabe, das geht nicht innerhalb von sechs Monaten, das wird dauern."

Vor allem die umstrittene Justizreform, die die Unabhängigkeit der Gerichte einschränkt, dürfte Tusk zügig zurücknehmen, auch gesellschaftspolitische Fragen wie das restriktive Abtreibungsverbot dürfte eine mögliche neue Koalition anders bewerten.

"Abzuwarten bleibt derweil, wie sehr sich die konservativen Medien, die der PiS sehr zugewandt sind, jetzt verhalten", so Gregosz. "Sie haben auf die Bevölkerung weiterhin einen sehr großen Einfluss. Wichtig ist auch: Die PiS bleibt ein wichtiger politischer Akteur mit hohem Bevölkerungszuspruch."

Zugleich zeigt die Wahl, wie gespalten Polen ist. Auch bei dieser Parlamentswahl setzt sich der Trend zu einer klaren Ost-West-Teilung des Wählerwillens fort: Die Liberalkonservativen können laut Prognose die Regionen im Westen des Landes für sich gewinnen. In einem Bogen von Pommern bis nach Schlesien und entlang der deutsch-polnischen Grenze punktet die KO. Auch die großen Städte sind ihre Hochburgen. PiS dagegen liegt in ländlichen Regionen und allgemein im Osten vorne.

Welche Folgen hätte ein Regierungswechsel für Deutschland?

Deutschland spielte im polnischen Wahlkampf eine große Rolle, allerdings keine gute. Besonders die PiS-Partei um Ministerpräsident Morawiecki und Parteichef Kaczynski schürte in der Bevölkerung eine antideutsche Stimmung. Immer wieder behaupteten sie, die Geschicke ihres Landes würden nicht nur aus Brüssel, sondern auch aus Berlin zu stark beeinflusst – ihren Gegner Donald Tusk diffamierten sie mehrfach als Agenten deutscher Interessen.

"Auf die Eiszeit zwischen Warschau und Berlin folgt dann Tauwetter", so Gregosz. "Das deutsch-polnische Verhältnis dürfte sich spürbar bessern und entspannen, vor allem im Stil und im Tonfall würde sich mit Tusk einiges grundlegend ändern." Die PiS-Regierung hatte beispielsweise von Deutschland 1,3 Billionen Euro als Reparationen für die Gräuel des Zweiten Weltkriegs gefordert. Das dürfte mit Tusk vorerst vom Tisch sein.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt (CDU), sagte, der Wahlausgang in Polen zeige, "dass mit Deutschland- und Europafeindlichkeit auch bei unseren Nachbarn keine Wahlen zu gewinnen sind. Die Menschen in Polen gehören zu den großen Gewinnern der europäischen Einigung und lassen sich nicht das Gegenteil einreden." Die CDU/CSU wünsche sich "das rasche Gelingen der Bildung einer neuen polnischen Regierung unter Donald Tusk".

Was bedeuten die Wahlen für Europa?

Ähnlich wie im Falle Deutschlands dürften sich auch die Beziehungen zwischen Polen und der EU jetzt wieder bessern, sollte das Bündnis von Tusk an die Macht kommen. Das liegt schon allein daran, dass Tusk selbst von 2014 bis 2019 das Amt des EU-Ratspräsidenten bekleidete und als großer EU-Befürworter bestens in Brüssel vernetzt ist.

"Tusk steht für einen klaren proeuropäischen Kurs, dafür haben ihn die Polen auch gewählt", so Gregosz. Für die EU heiße das: "Auf Polen ist künftig wieder stärker Verlass, nicht zuletzt bei der Unterstützung der Ukraine."

Zugleich blieben einige Streitpunkte weiter bestehen, etwa die Migrationspolitik. In dieser Sache dürfte Tusk an der ablehnenden Haltung der Vorgängerregierung festhalten.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit David Gregosz, Konrad-Adenauer-Stiftung
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website