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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Burn-out Burn-out: "Beinahe hätte ich alles verloren"
Vor zwei Jahren dachte Joachim noch, die neue Stelle, die ihm angeboten wurde, sei ein absoluter Volltreffer. Vom Sachbearbeiter zum Abteilungsleiter – ein echter Karrieresprung. Dass ihn dieser Job fast seine Ehe und seine Gesundheit kosten würde, damit hätte er nie gerechnet. Der Achtunddreißigjährige erzählt, wie er immer tiefer in den Sog eines Burn-outs geriet und beinahe alles verlor.
Anfangs überwogen Freude und Stolz
"Als ich damals das Jobangebot annahm, war ich mir sicher, dass dies nun die Belohnung für meinen Fleiß die Jahre vorher war", erinnert sich Joachim. "Ich weiß noch, wie meine Frau und ich abends beim Italiener gefeiert und Pläne gemacht haben. Schließlich bekam ich ja auch wesentlich mehr Geld und wir träumten doch schon lange von einem schönen Eigenheim." Natürlich habe er schon ein wenig Angst vor dem großen Aufgabengebiet und der neuen Verantwortung gehabt, räumt er ein, doch der Stolz und die Freude hätten überwogen.
Neidische Kollegen
Schon die ersten Wochen im neuen Job waren kein Kinderspiel. Ein Mitarbeiter der Abteilung, die Joachim nun leitete, hatte selbst auf den Posten spekuliert und ließ seinen neuen Vorgesetzten gerne spüren, dass er ihn für nicht fähig genug hielt. "Es war schon recht unangenehm, vor allem weil einige der anderen Mitarbeiter natürlich hinter ihm standen. Ich hatte vom ersten Tag an das Gefühl, alles besonders gut machen zu müssen und wollte mir auf gar keinen Fall auch nur den kleinsten Fehler leisten", erinnert sich der Achtunddreißigjährige.
Allen etwas beweisen müssen
Joachim wurde zum Perfektionisten, morgens war er der erste, der im Büro saß, abends der letzte, der ging. Im Hinterkopf immer das Gefühl, allen etwas beweisen zu müssen. Als er irgendwann begann, auch am Wochenende für ein paar Stunden ins Büro zu fahren, ging seine Frau auf die Barrikaden. "Anfänglich hatte sie sehr viel Verständnis, dass ich abends erst spät nach Hause kam, kaputt war und auf nichts anderes mehr Lust hatte. Sie dachte wohl, das würde sich nach ein paar Wochen alles einspielen. Nach einem halben Jahr beschwerte sie sich dann aber immer öfter, dass sie alles alleine machen musste, weil ich an nichts als den Job denken konnte", erzählt Joachim.
Dauermüdigkeit und kreisende Gedanken
Zu dem beruflichen Stress, unter den sich der Achtunddreißigjährige selbst am meisten setzte, kamen nun immer wieder Streitereien mit seiner Frau, die sich vernachlässigt sah. Mittlerweile sorgte der andauernde Druck auch für körperliche Symptome bei Joachim. Er war nur noch müde und fühlte sich morgens wie erschlagen. "Obwohl ich abends ständig total kaputt war, konnte ich nur schwer einschlafen und wurde nachts dauernd wach. Die Gedanken kreisten auch dann natürlich ums Büro", erinnert er sich. Um die bleiernde Müdigkeit zu überwinden, trank er tagsüber literweise Kaffee, abends zum Einschlafen dafür öfter Alkohol.
Körperliche Beschwerden
Kopf- und Rückenschmerzen sowie Magenprobleme waren fast täglich Joachims Begleiter. "Ich fühlte mich ständig verspannt, oft hatte ich keinen Hunger, weil mir wieder irgendwas bei der Arbeit auf den Magen geschlagen war", beschreibt der Achtunddreißigjährige seine Verfassung. In seiner Aktentasche sammeln sich immer mehr Medikamente, die er abwechselnd einwarf, um seine Beschwerden zu lindern. Auch Joachims soziales Leben kam vollkommen zum Erliegen. Vor dem neuen Job hatten seine Frau und er einen großen Freundeskreis, mit dem sie oft gemeinsam etwas unternahmen, mit zwei engen Freunden ging Joachim regelmäßig zum Sport oder auf ein Bier. Doch auch dafür fehlte dem Arbeitstier bald die Energie.
Sehnsucht nach Ruhe
"Nach etwa anderthalb Jahren spürte ich ein immer größer werdendes Bedürfnis nach Ruhe in mir", gibt Joachim zu. "Ich wollte die Kollegen nicht sehen, ich wollte mit niemandem reden, verschanzte mich richtiggehend in meinem Büro. Irgendwie wuchs mir alles über den Kopf, ich fragte mich immer öfter nach dem Sinn." Auch dass seine Frau schon kurz davor war, aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen, ließ ihn fast kalt. "Ich fühlte mich einfach müde, war zu keinem richtigen Gefühl mehr fähig", erklärt Joachim.
Auf dem Wege der Besserung
Vor etwa einem halben Jahr wurde der Workaholic jedoch wachgerüttelt: Mitten in der Nacht wurde er mit starken Schmerzen in der Brust wach, überzeugt davon, einen Herzinfarkt zu haben. Per Rettungswagen wurde er in die Klinik gebracht. Dort wurden jedoch keine körperlichen Erkrankungen festgestellt. "Ich musste anschließend zu meinem Hausarzt und hatte ein langes Gespräch mit ihm. Er sagte mir dann ganz klar, dass ich unter Burn-out leide", berichtet der Achtunddreißigjährige, der mittlerweile eine Psychotherapie macht und immer noch krankgeschrieben ist. "Ich glaube, ich bin auf einem guten Weg. Mir geht es schon viel besser, der Druck ist komplett raus. Auch meine Frau gibt mir noch eine Chance. Langfristig muss ich mir nur überlegen, ob ich wirklich in diesen Job zurück will", sagt er.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.