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Fahrradurlaub: Auf diesem neuen Fernradweg entdecken Sie die Oberpfalz


Neuer Fernradweg
Hier entdecken Sie die Oberpfalz mit dem Fahrrad

dpa-tmn, Andreas Drouve

28.09.2021Lesedauer: 5 Min.
Radeln in der Oberpfalz: Die Radfahrer werden hier mit einer idyllischen Aussicht für das Strampeln belohnt.Vergrößern des BildesRadeln in der Oberpfalz: Die Radfahrer werden hier mit einer idyllischen Aussicht für das Strampeln belohnt. (Quelle: Andreas Drouve/dpa-tmn)

Ein neuer Fernradweg führt durch die Oberpfalz. Auf über 500 Kilometern können Urlauber hier Waldluft atmen, die Ruhe genießen und so manche Kuriosität bestaunen.

"Die Oberpfalz war verschrien", sagt Künstlerin Susanne Neumann über ihre bayerischer Altheimat an der Grenze zu Tschechien. "Da war nichts los, Zonenrandgebiet, der Kältepol Deutschlands. Jeder wollte nur noch weg, so wie ich." Mit 19 Jahren wanderte sie nach Italien aus.

In Florenz studierte Neumann Malerei, jobbte als Zimmermädchen. Nun steht die 45-Jährige im leeren Becken des einstigen Heilbads Maiersreuth, das sie als Mädchen mit der Oma besuchte, und schwärmt davon, den Komplex in ein Kunstzentrum zu verwandeln. Ihre "negative Grundstimmung" von damals sei "positiver Energie" gewichen.

503 Kilometer von Dorf zu Dorf

Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs liegt die Oberpfalz mitten in Europa und ist unlängst um eine Attraktion für Aktivurlauber reicher geworden: den 503 Kilometer langen Fernradweg Oberpfälzer Radl-Welt. Die Route führt durch eine Vielzahl verstreuter Dörfer. Unter ihnen Maiersreuth. Bislang hat kaum jemand seine Spurrillen hinterlassen. Der Grund ist natürlich Corona. Die für das Frühjahr 2020 geplante Einweihung fiel kurzerhand aus.

Das Städtchen Weiden ist Ausgangs- und Schnittpunkt der Radstrecke, die sich aus einer Nord- und einer Südschleife zusammensetzt. Der höchste Punkt liegt bei Bärnau (785 Meter), der niedrigste im Regental nahe Nittenau (342 Meter). Die Kulissen wechseln ebenso wie der Untergrund: Splitt auf umfunktionierten Bahntrassen, federnder Waldboden, sanfte Feldwege, asphaltierte Radwege, Nebenstraßen. Beschildert ist die Strecke mit einem grün-weißen Radlogo.

Fernradweg Oberpfälzer Radlwelt
Anreise und Tourenplanung: Wer nicht mit dem Auto anreist und keine eigenen Räder transportiert, fährt mit der Bahn nach Weiden und leiht sich dort ein Rad - je nach Modell 20 bis 35 Euro pro Tag. E-Biker finden Infos zu Ladestationen im Internet.
Übernachtung: Geht man von Tagesetappen von 50 bis 80 Kilometern aus, findet man überall Unterkünfte, etwa in Weiden, Vohenstrauß, Neunburg vorm Wald, Schwandorf, Parkstein, Bärnau, Waldsassen und Waldeck.

Die Südschleife: Idylle mit Düngergeruch

Großstädte? Fehlanzeige. Weiden ist das höchste der urbanen Gefühle, der Auftakt gemächlich. Vögel zwitschern. Eichen, Birken, Hagebutten- und Haselnusssträucher. Der Kies knirscht unter den Reifen. Der Verkehr hält sich angenehm auf Abstand. Die Sonne siebt ihr Licht in dichte Wälder, dann öffnet sich die Landschaft wie eine Bühne: ein Flickenteppich aus Wiesen, Hügeln, Dörfern, Höfen. Typisch Oberpfalz.

"Nichts los", sagte Susanne Neumann über früher. Das gilt bis heute unverändert, denkt man, ist aber nun eher eine Auszeichnung. Den recht einsamen, unverbauten Wald- und Agrarlandschaften gebührt das Prädikat "wertvoll". Jedenfalls aus Sicht des Urlaubers.

Gelegentlich zieht Düngergeruch in die Nase und hebt einen fast aus dem Sattel. Erste Ortsperle ist Vohenstrauß mit einem Brunnen vor dem Rathaus, Blumenkästen und Häusern in Feuerrot bis Zitronengelb.

Dort, wo einst Dampfloks schnaubten, läuft es wie geschmiert: auf einer umfunktionierten Bahntrasse bis Eslarn. Radler teilen sich die Strecke mit ein paar Hundeausführern, Joggern und Walkern. Störend ist zwischendurch das Sirren der Autobahn. Auch die Oberpfälzer Radl-Welt ist keine zivilisationsfreie Blase.

Bier trinken für die Rebhühner

Dafür gibt es Gasthöfe mit guter Hausmannskost: Leberknödelsuppe, Käsespätzle, Burgunderbraten. Das Kommunbrauhaus in Eslarn hält Flüssignahrung bereit. "Jeder Tag ohne Bier ist ein Gesundheitsrisiko" –dieser Spruch prangt über dem Eingang.

Zoigl heißt das naturtrübe, untergärige Bier aus der Oberpfalz. Und der Rebhuhnzoigl wird hier nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut, sondern mit den alten Getreidesorten Dinkel, Emmer und Einkorn. Deren Anbau trägt zum Überleben der Rebhühner bei, heißt es. Ein Prosit auf das Federvieh! Dann geht es beschwingt nach Schönsee.

Spuren der Geschichte auf dem Weg

Wegbegleiter sind Vogelbeeren, Farne, Disteln – und Marterl. Diese Bildstöcke verheißen Beistand, Segen und Schutz. Manche Stifter trugen allzu dick auf, indem sie ihre eigenen Namen größer schrieben als jene des Heilands. Hinter Schneeberg erinnert makabere Reimkunst an einen vor Jahrzehnten Verunglückten namens Alois: "Zur Ewigkeit ist gar nicht weit. Um 9 Uhr ging ich fort, um 10 Uhr war ich dort."

Vielfach vor dem Tod bewahrte der berühmteste Sohn Oberviechtachs: Johann Andreas Eisenbarth (1663-1727). "Doktor Eisenbarth" wurde er genannt, obwohl er keinen Titel trug. Der fahrende Wunderarzt operierte auf Jahr- und Wochenmärkten wie seinerzeit üblich ohne Vollnarkose und ließ die Schmerzensschreie der Patienten von seiner Komödiantenbühne übertönen. In Oberviechtach erinnern ein Brunnen, eine Schule und ein "Eisenbarth-Elixier" an den Mann.

Ein Memorial der anderen Art zeigt ein Original-Stahlteil vom zerstörten World Trade Center aus New York.

Bei der Weiterfahrt schieben sich Vogelscheuchen und Störche ins Bild. In Neunburg vorm Wald bewahrt die Jakobskirche eine Darstellung der heiligen Kümmernis, im Volksmund "Jungfrau mit Bart" genannt. Laut Legende betete diese darum, vor ihrer vom Vater veranlassten Zwangsheirat verunstaltet zu werden. Daraufhin setzte Bartwuchs ein, und ihr erboster Erzeuger ließ die Tochter am Kreuz richten.

Milchtankstelle, Felsengewölbe und ein kurioser Anruf

Hingucker am Morgen sind Funkelmeere aus Tau, die Waldpassagen eine Wohltat für Seele und Lunge. Die Natur hält Hundert Schattierungen in Grün bereit, das "Wildlife" beschränkt sich auf Schnecken.

Idyllisch ist der Hammersee in Bodenwöhr, kurios die Milchtankstelle hinter Nittenau, ein Durchhänger die glanzlose Strecke bis Schwandorf. Dort wartet aber eine Entschädigung: "Bayerns größtes Felsenkeller-Labyrinth", wie Gästeführer Thomas Pfistermeister erklärt. Das unterirdische Gewölbe entstand ungefähr in der Zeit ab 1500 für die Gärung und Lagerung von Bier. Der Guide rät, sich unbedingt warm anzuziehen. Im Untergrund herrschen acht Grad.

Spätestens in der kleinen Altstadt von Nabburg ist vergessen, dass die A 93 die Eindrücke vorübergehend eingetrübt hatte. Befremdlich ist der Stopp an einem Bahnübergang, wo steht: "Schranke wird auf Anruf geöffnet. Bitte Hebel drücken." Tatsächlich, eine Frauenstimme meldet sich. Alles funktioniert tadellos.

Parkstein kündigt sich mit seinem Basaltkegel an, in Weiden schließt sich der Kreis der Südschleife. Auf in den Norden zur zweiten Runde.

Die Nordschleife: Auf und ab an der tschechischen Grenze

Die Kaffs, deren Namen man gleich vergisst, dämmern friedlich vor sich hin. Inbegriff verborgener Wildromantik ist das Tal der Waldnaab, in deren Bett sich Felsblöcke stauen. Die Waldstimmung steigt bei Regen, wenn ein Trommelfeuer aus Tropfen niedergeht und moosbehangene Wurzelwerke vor Feuchtigkeit glänzen. Bis Tirschenreuth tauchen Weiher auf, in denen sich Speisekarpfen Gewicht anfressen.

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Die entlegene Gegend um Bärnau liegt an der Grenze zu Tschechien. Gelegenheit, für ein Foto mal eben hinüberzurollen. Im Nadelwald riecht es harzig und leicht modrig. Der Wind pfeift über die Höhen. Nebensträßchen sind frei von Leitplanken und Verkehr. Das freundliche Servus, das man in den Dörfern zugerufen bekommt, muntert auf.

Auf und ab geht es. Abwechslung bringen Bachläufe, Pferdekoppeln, Rinderhöfe, Wildblumenpracht. Der Ortsteil Wondreb empfängt mit einer Totentanzkapelle, Bad Neualbenreuth mit Fachwerkhäusern, Waldsassen mit den Zwiebeltürmen seiner Basilika. Schauerliche Anblicke im Innern bieten die Heiligen Leiber – "Ganzkörper-Reliquien aus den Katakomben in Rom", klärt Schwester Sophia auf: geschmückte Skelette hinter Scheiben, Symbole für des Menschen Vergänglichkeit. Gruselig.

Sophia ist eine von sechs Zisterzienserinnen der Abtei Waldsassen. Die Mittvierzigerin, die das Gästehaus leitet und in die prunkvolle Stiftsbibliothek geleitet, führte vormals ein anderes Leben als langjährige Leiterin eines Bauunternehmens. Doch der Herzenswunsch ihrer Kindheit ließ sie nicht los: Schwester werden. Als sie sich das Kloster Waldsassen probehalber von innen anschaute, sei sie nach dem dritten Tag so ruhig geworden, da habe sie gewusst: Das ist es.

Die Mischung stimmt

Gleiches könnte man über die Oberpfälzer Radl-Welt sagen: Das ist es! Die Mischung unterwegs stimmt. Natur, Kuriosa, Sehenswertes wie die Burgruine Waldeck und das Klosterdorf Speinshart zum Abschluss. Dazu kleine Überraschungen wie Rotes Höhenvieh, eine alte Rinderrasse, oder der Fernblick auf den Vulkan Rauher Kulm.

Hinter Kappl wartet eine Installation in Miniaturformat: Im Wald steht auf einem Baumstumpf ein verschmutztes gelbes Stiefelpaar, in dem Zweige stecken. Das dürfte auch Profikünstlerin Susanne Neumann gefallen. Doch die träumt gerade von ihrem Kunstprojekt Badehaus.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa-tmn
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