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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ema lässt Vakzine zu Lohnt sich die Impfung mit den neuen Präparaten?
Die Ema hat zwei Impfstoffe gegen die Omikron-Variante zugelassen. Doch Experten sind uneins über ihre Wirkung. Was können sie?
Die Europäische Arzneimittelagentur hat die ersten beiden angepassten Omikron-Impfstoffe in der EU zugelassen. Weitere Impfstoffe speziell gegen die Varianten BA.4/BA.5 warten noch auf die Zulassung.
Doch welchen Schutz bieten die nun zugelassenen Impfstoffe und welche Alternativen gibt es? Und wann kommen die Vakzine nach Deutschland? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Welche Omikron-Impfstoffe wurden zugelassen, welche könnten noch kommen?
Am 1. September hat die Ema zunächst zwei Omikron-Impfstoffen die Zulassung erteilt: zwei sogenannten bivalenten Corona-Impfstoffen, die sowohl auf die Abwehr der ursprünglichen Form des Coronavirus ausgerichtet sind als auch auf BA.1, einen Subtyp der Omikron-Variante des Coronavirus. Die Vakzine stammen je vom US-Pharmaunternehmen Moderna sowie von Biontech/Pfizer.
Bereits im Juli hatten Biontech/Pfizer bei der Europäischen Arzneimittelagentur (Ema) einen Zulassungsantrag für ein "bivalentes" Vakzin gestellt. Bivalent bedeutet, dass der Impfstoff an die ursprüngliche Omikron-Variante BA.1 angepasst ist und gleichzeitig gegen die Ursprungsvariante des Coronavirus wirkt. Dieser Impfstoff wurde nun zugelassen.
Was bedeuten "bivalent" und "monovalent"?
Bivalente Impfstoffe enthalten mRNA für das Spikeprotein zweier Stämme des Coronavirus, während monovalente Impfstoffe nur gegen einen Virenstamm wirksam sind.
Die bisher zugelassenen Impfstoffe sind monovalent gegen die ursprüngliche Corona-Variante. Angepasste Impfstoffe hingegen sollen sowohl gegen die Ursprungsvariante als auch gegen neue Varianten wie die Omikron-Variante und ihre Untervarianten BA.4/BA.5 wirksam sein.
Zusätzlich hat Biontech/Pfizer einen Zulassungsantrag für einen Impfstoff speziell gegen die neuen Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 gestellt. Bei diesem Antrag würden gerade die letzten Dokumente eingereicht, erklärte Biontech-Chef Uğur Şahin kürzlich in einem "Spiegel"-Interview. Insgesamt arbeitet das Unternehmen an drei angepassten Impfstoffen:
- an einem reinen Omikron BA.1-Impfstoff (monovalent)
- an einem Impfstoff gegen den Wuhan-Stamm und gegen die Omikron BA.1-Variante (bivalent) (jetzt von der Ema zugelassen)
- an einem Impfstoff gegen die Omikron-Subtypen BA.4/BA.5 (bivalent)
Erst kürzlich hat zudem Großbritannien als erstes Land einen Impfstoff als Booster für Erwachsene zugelassen, der speziell an die Omikron-Variante angepasst ist. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein bivalentes Vakzin vom US-Hersteller Moderna, das sich sowohl gegen das Ursprungsvirus als auch gegen die Omikron-Variante BA.1 richtet. Auch dieser Impfstoff wurde jetzt von der Ema zugelassen.
Auch Moderna hat zwei Impfstoffe entwickelt, die bereits in klinischen Studien, also an Menschen, geprüft wurden:
- ein Impfstoff, der an die Omikron-Untervariante BA.1 angepasst ist (monovalent)
- ein bivalenter Impfstoff (Wuhan und BA.1) (jetzt von der Ema zugelassen)
Hinzu kommt ein weiterer potenzieller Corona-Impfstoff gegen die Wuhan-Variante sowie die Omikron-Varianten BA.4/BA.5. Dieser Impfstoff wurde jedoch noch nicht an Menschen erprobt.
Wie wirken die geplanten Impfstoffe gegen Omikron?
In Deutschland spielt die ursprüngliche Omikron-Variante mittlerweile keine Rolle mehr. Nachdem zunächst BA.1 vorgeherrscht hatte, entfallen dem jüngsten Wochenbericht des Robert Koch-Instituts zufolge mehr als 95 Prozent der aktuellen Infektionen auf die Untervariante BA.5.
Die Hoffnung ist aber, dass auch ein angepasster BA.1-Impfstoff gegen die aktuell kursierenden Varianten besser wirkt als die bisherigen Impfstoffe. Bisher stützt sich der Zulassungsantrag auf die klinischen Daten zum bivalenten BA.1-Impfstoff.
Prozentangaben, wie es sie für die ersten Covid-19-Vakzine gegeben hatte, wurden allerdings nicht erhoben. Daten zum Schutz vor symptomatischer Infektion, schwerer Erkrankung und Tod sind erst aus der Anwendung zu erwarten.
Angestrebt wird ein besserer Schutz vor Omikron – und hierbei vor allem vor der Erkrankung, denn ein Schutz vor der Infektion werde nach der Impfung wieder nur vorübergehend bestehen, sagte der Immunologe Carsten Watzl.
Er warnte die Politik davor, mit den angepassten Impfstoffen falsche Hoffnungen zu wecken – auch damit könne man Corona nicht wegimpfen. "Wenn man damit jetzt großflächig hausieren geht und jeden unbedingt zu der Impfung aufruft, wiederholt man die Fehler vom vorigen Jahr."
Zusätzlich ruht die Hoffnung allerdings auf den angepassten Impfstoffen gegen BA.4 und BA.5. Bisher gibt es dazu noch keine klinischen Studien. Allerdings will Pfizer damit wohl noch im August starten. Präklinische Daten zum angepassten BA.4/BA.5-Impfstoff zeigen laut Biontech/Pfizer eine "starke neutralisierende Antikörper-Antwort" sowohl gegen die Omikron-Varianten BA.1, BA.2, BA.4 und BA.5 als auch gegen das ursprüngliche Virus.
Biontech-Chef Uğur Şahin erklärte in einem Interview mit dem "Spiegel", er halte angepasste Impfstoffe weiterhin "für sehr sinnvoll". Bei einem Booster mit dem angepassten Impfstoff würden deutlich mehr Antikörper gegen Omikron produziert.
Noch besser auch vor Ansteckung schützen könnten demnach auch nasale Impfstoffe, die ebenfalls bereits in klinischen Studien getestet werden. Sie würden als Nasenspray direkt auf der Schleimhaut im Nasen-Rachen-Raum die Coronaviren bekämpfen und, so die Hoffnung, eine Infektion verhindern.
Wann stehen die Impfstoffe bereit?
Die EU-weite Zulassung des BA.1-Boosters ist mittlerweile beschlossen worden, innerhalb weniger Tage nach dieser Zulassung soll nun die Auslieferung der Vakzine folgen. In den beiden Wochen ab 5. September sollen demnach rund 14 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer und Moderna kommen, die an die Variante BA.1 angepasst sind. Das geht aus einem Schreiben von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hervor.
Nach der Zulassung ruft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dazu auf, sich impfen zu lassen. "Ab der nächsten Woche können die Impfungen mit den neuen Impfstoffen beginnen", erklärt der SPD-Politiker.
"Jetzt ist der optimale Zeitpunkt, Impflücken für den Herbst zu schließen." Lauterbach bezeichnet die Zulassung der angepassten BA.1-Impfstoffe als Quantensprung im Kampf gegen die Pandemie: "Jetzt können Impfstoffe eingesetzt werden, die gegen alle bisher bekannten Virusvarianten sehr gut wirken."
Die Ema prüft zudem den auf die aktuellen Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 angepassten Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens und seines US-Partners Pfizer. Die Zulassung eines auf die beiden Subtypen zugeschnittenen Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer soll laut Ema voraussichtlich im Herbst erfolgen. In den USA erteilte die Arzneimittelbehörde FDA am Mittwoch den BA.4-/BA.5-Vakzinen des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer sowie des US-Herstellers Moderna bereits eine Notfallzulassung.
Welche Gruppen brauchen den angepassten Booster?
Diese Antwort müsste von der zuständigen Ständigen Impfkommission (Stiko) kommen – eine Empfehlung zu den neuen Präparaten gibt es bisher aber noch nicht. Bei Hausärzten und Fachleuten, die nun viele Anfragen bekommen, sorgt das für Kritik.
Der Immunologe Watzl hält eine Empfehlung für einen zweiten Booster mit den neuen Präparaten nur für bestimmte Gruppen für wahrscheinlich – etwa Menschen ab 60 Jahren, mit unterdrücktem Immunsystem oder mit Vorerkrankungen.
"Ich wäre sehr überrascht, wenn die Stiko sagen würde, dass sich alle Erwachsenen noch mal impfen lassen sollen." Er wolle der Stiko nicht vorgreifen – aber allen voran profitierten Risikopatienten. "Eine schwere Erkrankung ist damit weniger wahrscheinlich." Wer also über 60 sei und bisher mit der vierten Impfung gewartet habe, für den sei jetzt die Gelegenheit.
Lohnt es sich, auf einen aktuelleren Impfstoff zu warten?
Immunologe Watzl rät Impfwilligen klar vom Warten auf die Impfstoffe gegen BA.4/BA.5 ab. "Es gibt zu diesem Impfstoffkandidaten bisher keine klinischen Daten." Man könne nur über den Nutzen spekulieren – auch angesichts der nicht vorhersehbaren Entwicklung der vorherrschenden Varianten in den kommenden Monaten.
Auch Modalitäten der Zulassung in der EU und deren Zeitpunkt seien offen. Experten geben auch zu bedenken, dass der große Sprung in der Virusentwicklung zwischen dem Wildtyp und BA.1 lag, zwischen BA.1 und BA.4/BA.5 lägen viel weniger Mutationen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- rki.de: Wochenbericht vom 18.08.2022
- aerzteblatt.de: "Pipeline für angepasste und neue COVID-19-Impfstoffe ist gut gefüllt"
- sueddeutsche.de: "Wann kommt der angepasste Impfstoff nach Europa?"
- spiegel.de: "Das Virus mutiert in hoher Geschwindigkeit weiter"
- zdf.de: "Welcher Impfstoff passt zu mir?"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa