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Hefepilz Candida auris | Experte schlägt Alarm: "Das ist das Tückische"


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Weltweiter Hefepilz-Ausbruch
Experte alarmiert: So etwas gab es noch nie


Aktualisiert am 11.04.2023Lesedauer: 4 Min.
iCandida auris (Illustration): Der Hefepilz taucht in verschiedenen Weltregionen auf.Vergrößern des Bildes
Candida auris (Illustration): Der Hefepilz taucht in verschiedenen Weltregionen auf. (Quelle: Kateryna_Kon via www.imago-image)

Weltweit tritt eine neue, zum Teil lebensbedrohliche Pilzerkrankung auf. Für wen sie zur Gefahr werden könnte, erklärt ein Experte im Gespräch mit t-online.

In relativ kurzer Zeit zwei Alarmrufe hintereinander: Zunächst warnte die WHO im Oktober, nun die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC im März vor einer neuen Pilzerkrankung. Die Infektionszahlen steigen rapide.

Candida auris ist ein erst 2009 entdeckter Hefepilz, der besonders für Immungeschwächte schwerwiegende Folgen haben kann. Befällt der Pilz die inneren Organe, liegt die Sterberate zwischen 29 und 53 Prozent – so die WHO.

Nach einer Studie der CDC stieg die Zahl der Infektionsfälle in den USA von 476 im Jahr 2019 auf 756 im Jahr 2020 und auf 1.471 im Jahr 2021 – fast eine Verdopplung zum vorhergehenden Jahr. 2022 waren es über 2.400 bestätigte Fälle. Die Dunkelziffer dürfte jedoch höher sein, weil auf die Infektion nicht immer getestet wird und sie damit auch nicht immer als eindeutiger Verursacher der Erkrankungen identifiziert wird.

Auch in anderen Ländern tauchte der Pilz zur selben Zeit auf, etwa in Spanien, Italien und Griechenland. Aus Südamerika und Asien wurden ebenso Fälle gemeldet. Und: Deutschland ist auch betroffen. Mehr über den Ausbruch lesen Sie hier.

Was hinter dem Alarm steckt, darüber sprach t-online mit Prof. Oliver Kurzai, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen.

t-online: Herr Kurzai, wie beurteilen Sie das Auftreten dieses neuen Pilzes?

Oliver Kurzai: Es ist schon beunruhigend. Die Zahlen aus den USA zeigen den Trend einer rapiden Zunahme der nachgewiesenen Infektionsfälle. In Europa beobachten wir den gleichen Trend, wenn auch auf einem bislang wesentlich niedrigeren Niveau der Fallzahlen. Aber man muss daraus schließen: Candida auris ist in Teilen Europas bereits endemisch verbreitet. Insgesamt heißt das: Der Erreger breitet sich weltweit weiter aus.

Was ist das Besondere daran?

Für einen Pilz gab es das eigentlich noch nie. Es gibt Pilzerkrankungen, die wir seit langem kennen, etwa den häufigen Fuß- oder Nagelpilz, aber auch invasive lebensbedrohliche Infektionen. Aber eine so schnelle Ausbreitung eines neuen invasiven Erregers in relativ kurzer Zeit haben wir noch nicht gesehen.

Relativ kurz heißt jetzt aber nicht: wie Corona?

Nein, den ersten nachgewiesenen Fall gab es 1996. Man muss aber davon ausgehen, dass dieser Pilz schon viel länger aktiv ist. Aber, dass wir jetzt innerhalb von relativ wenigen Jahren weltweit so viele Fälle sehen, ist ungewöhnlich für einen Pilz.

Was ist denn das Tückische an Candida auris? Von Pilzen sind wir doch jeden Tag umgeben, wie etwa auch von Bakterien oder Viren?

Das Tückische und Alarmierende an Candida auris ist die Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Das gelingt nicht so vielen Pilzen.

Dr. Oliver Kurzai
Dr. Oliver Kurzai (Quelle: Daniel Peter, Würzburg, © Institut für Hygiene und Mikrobiologie, Univ. Würzburg)

Oliver Kurzai ist Vorstand des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie an der Universität Würzburg und Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen.

Aber ich kann mich mit diesem Pilz nicht im direkten Menschenkontakt infizieren wie etwa mit Corona?

Anders als Corona wird Candida auris über Schmierinfektionen übertragen, nicht durch die Atemluft. Um eine Erkrankung zu verursachen, muss der Pilz zudem in Ihren Körper eindringen – allein durch Hautkontakt geht das nicht. Er braucht offene Wunden oder etwa verunreinigte Instrumente. Oft werden auch Katheter oder Beatmungsschläuche aus Kunststoff von Candida auris besiedelt, oder auch Fieberthermometer oder Stethoskope.

Das heißt, er ist ein Problem in Krankenhäusern?

Ja, insbesondere dort kommt es zu Infektionen.

Ist das mangelnde Hygiene?

Wenn es zu Ausbrüchen kommt, spielen Hygienefehler eigentlich immer eine Rolle. Aber manchmal reichen kleinste, unbewusste Fehler, um eine Übertragung zu ermöglichen. Es gibt auch Stämme dieses Pilzes, die gegen die gängigen Desinfektionsmittel bereits resistent sind. Sie machen aber nur eine kleine Gruppe aus. Aber größer ist das Problem der Übertragung.

Was meinen Sie damit?

Candida auris wird vor allem zu einem Problem bei immungeschwächten Menschen, diese haben auch das höchste Erkrankungs- und Sterberisiko. Junge, fitte Menschen können diesen Pilz aber weitertragen. Und damit kann er dort zum Problem werden, wo er nicht auftauchen sollte. Etwa in Rehakliniken, Alten- oder Pflegeheimen – das ist in den USA passiert.

Was braucht man denn für Hygienemaßnahmen, um Candida auris an der Übertragung zu hindern?

Eigentlich sehr einfache: Händedesinfektion, Handschuhe, Desinfizierung von medizinischen Geräten. Aber man muss auch sagen: Wenn Candida auris nicht so gut wäre in seiner Anpassung an die Krankenhausumgebung, würden wir nicht so viele Übertragungen beobachten.

Welche Symptome zeigt denn dieser Pilz bei einer Infektion?

Candida auris kann ein breites Spektrum von Infektionen verursachen – mit ganz unterschiedlichen Symptomen: Häufig kommt es zu Blutstrominfektionen, Wundinfektionen oder auch mal Harnwegsinfektionen.

Der Pilz wird dann kritisch, wenn er bis zu den inneren Organen durchdringt?

Ja, dann kann es lebensbedrohlich werden. Deshalb ist eine frühe Diagnose so wichtig. Denn Ärzte haben dann noch Handlungsoptionen.

In Deutschland werden bislang nur wirklich sehr wenige Fälle verzeichnet.

Ja, seit 2015 etwa 40.

Die Dunkelziffer dürfte aber viel größer sein?

Aus eigenen Analysen wissen wir, dass es eine Dunkelziffer gibt. Wir glauben aber, dass diese in Deutschland momentan überschaubar ist. Wichtig ist, ein Bewusstsein bei Ärzten für die Bedrohlichkeit dieses noch seltenen, manchmal vielleicht noch unbekannten Erregers zu schaffen. Aktuell ist die Erkrankung bei uns nicht meldepflichtig. Als Nationales Referenzzentrum setzen wir uns jetzt beim Robert Koch-Institut dafür ein, dass sie es wird. Denn nur so bekommen wir auch gesicherte Zahlen und eine frühzeitige Warnung.

Nun ist der Pilz anscheinend weltweit aufgefallen.

Ja, die ersten Fälle traten relativ zeitgleich auf ganz unterschiedlichen Kontinenten auf: Asien und Afrika.

Was steckt denn dahinter, wenn eine Reiseanamnese ausgeschlossen werden kann? Was ist Ihre Theorie: Wo kommt diese neue Bedrohung her?

Bislang kann das niemand sagen. Wir wissen aber, dass an unterschiedlichen Orten auf der Welt unterschiedliche "Unterarten" von Candida auris aufgetreten sind – und zwar relativ zeitgleich. Eine Hypothese lautet: Der Klimawandel könnte eine Ursache sein.

Wie meinen Sie das?

Pilze vertragen in der Regel hohe Temperaturen nicht gut. Unsere Körpertemperatur von 37 Grad ist ihnen eigentlich schon zu warm. Nun steigen aber weltweit die Temperaturen. Die Theorie ist: Das könnte dazu beitragen, dass Umweltpilze irgendwann ihre Umweltnische verlassen und im schlimmsten Fall auch uns Menschen – die für sie eigentlich zu warm sind – infizieren. Aber das ist bislang wirklich nur eine Theorie, Beweise fehlen.

Herr Kurzai, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Oliver Kurzai
  • Eigene Recherche
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