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Cum-Ex-Skandal: "Olaf Scholz hat den Bundestag belogen"


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Scholz und die Cum-Ex-Affäre
"Es gibt immer wieder Einschüchterungsversuche"

InterviewVon Nele Behrens

Aktualisiert am 19.08.2022Lesedauer: 5 Min.
Olaf Scholz: Seine Ampelregierung streitet vor sich hin. Und das in Zeiten der Krise.Vergrößern des Bildes
Im Dunklen: Olaf Scholz hält sich noch immer sehr bedeckt, was seine Treffen mit dem Chef der Hamburger Warburg-Bank während des Cum-Ex-Skandals betrifft. (Quelle: Florian Gaertner/photothek.de/imago-images-bilder)

Neue Details belasten den Kanzler im Cum-Ex-Skandal. t-online spricht mit dem Mann, der Scholz' Vergangenheit umgräbt – und immer neue Hinweise entdeckt.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – dieses Sprichwort nimmt Scholz in seiner Politik womöglich zu wörtlich. Immer wieder gerät er mit seiner mangelnden Kommunikation in die Kritik, jüngst beim Holocaust-Eklat des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas.

Die Strategie des Schweigens nutzt Scholz bereits seit Jahren – besonders gern im Cum-Ex-Skandal. Dabei haben Banken über fehlerhafte Steuerdeklarationen Milliarden vom Fiskus erschlichen. Die Affäre lässt Scholz nicht los. Seit Jahren wird geprüft, inwiefern der heutige Kanzler und damalige Hamburger Bürgermeister in den Skandal rund um die Warburg-Bank verstrickt ist.

Dabei tragen Ermittler und Journalisten immer neue Indizien und Hinweise zutage, die genügend Fragen an den Kanzler aufwerfen: etwa 200.000 Euro Bargeld, die Ermittler in einem Bankschließfach des SPD-Politikers Johannes Kahrs, einem ehemaligen Weggefährten Scholz', in Hamburg gefunden haben. Oder warum offenbar E-Mails mit Bezug zur Warburg-Bank in alten Postfächern des aktuellen Kanzlers gelöscht worden sind (mehr zu den Enthüllungen lesen Sie hier).

Scholz soll versucht haben, Einfluss auf Recherchen zu nehmen

Am Freitag muss sich Scholz erneut den Fragen des Untersuchungsausschusses in Hamburg stellen. Gegenüber Journalisten reagierte er zuletzt schmallippig.

Wer genauer nachfragt, kann zudem schnell eine neue Seite des Kanzlers kennenlernen. Das spürte der Investigativjournalist Oliver Schröm, der sich seit fast zehn Jahren mit dem Cum-Ex-Skandal beschäftigt, während seiner Recherche immer wieder.

In den vergangenen Jahren ist zunehmend auch der Kanzler in seinen Fokus gerückt – und der Journalist berichtet von versuchter politischer Einflussnahme auf die Recherche. Wie er auf die Spur von Olaf Scholz gestoßen ist und welchen Hindernissen er bei seiner Recherche begegnet ist, berichtet er im Interview mit t-online.

t-online: Herr Schröm, wie viele Stunden haben Sie bereits mit der Recherche zu Olaf Scholz verbracht?

Oliver Schröm: Wenn Sie meine Frau fragen: zu viele. Alles fing an am 19. November 2019 an. Damals wollte ich gerade eine Podiumsdiskussion abhalten. Ich bekam einen Anruf von einem wichtigen Informanten, der mir sagte: Olaf Scholz ist in die Cum-Ex-Affäre verwickelt.

Das ist noch heute – drei Jahre später – eine These, die die Lager spaltet. Haben Sie Ihrem Informanten damals sofort geglaubt?

Ehrlich gesagt: Mir fehlte am Anfang die Fantasie, dass da etwas dran sein könnte.

Dennoch haben Sie inzwischen Jahre Ihres Lebens diesem Hinweis gewidmet. Was hat Sie überzeugt?

Das war ein langjähriger Informant, den ich gut einschätzen konnte. Ich wusste, dass er mir keine halbgaren Informationen geben wird. Und wir wussten schon damals von den Tagebüchern. Mir war klar: Wenn der Vorwurf stimmt, dann muss es in den Tagebüchern stehen.

Sie sprechen von den Tagebüchern des ehemaligen Warburg-Chefs Christian Olearius, richtig?

Genau. Und in denen haben wir den Beweis auch gefunden. Heute weiß ich: Die Information stimmte – Olaf Scholz ist in den Cum-Ex-Skandal verwickelt.

Sie sind also überzeugt, dass Olaf Scholz beim Cum-Ex-Skandal gegen geltendes Recht verstoßen hat?

Ob er gegen geltendes Recht verstoßen hat, müssen Juristen entscheiden. Aber für mich gibt es gleich mehrere Skandale. Der eine ist, dass er sich an drei Termine nicht mehr erinnern möchte, bei denen es um 170 Millionen Euro ging. Dann gibt es natürlich die Frage, ob er politischen Einfluss auf die Cum-Ex-Affäre genommen hat. Viel spannender finde ich mittlerweile seinen Umgang mit dem Skandal.

Sie spielen darauf an, dass Scholz sich im Untersuchungsausschuss oft auf seine mangelnde Erinnerung beruft?

Ja, denn nun wird deutlich, dass Scholz den Bundestag offensichtlich belogen hat. Im Zuge unserer Recherche haben wir Kenntnis vom Inhalt eines Geheimprotokolls erhalten, das aufzeigt, dass Scholz sich hinter verschlossenen Türen sehr wohl an Einzelheiten eines Treffens mit Christian Olearius erinnern konnte. Später hat er öffentlich immer behauptet, er könne sich an keines dieser Treffen erinnern. Diesen Widerspruch muss er jetzt aufklären.

Sie sind sehr überzeugt von Scholz' Verwicklungen in die Affäre – die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg dagegen nicht. Sie hat jüngst verkündet, dass sie keinen Anlass sieht, gegen Scholz zu ermitteln. Wie passt das zusammen?

Das wundert mich nicht. Ich halte es auch nicht für einen Zufall, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft diese Meldung just in der Woche verkündet, in der Olaf Scholz vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss aussagen wird. Die Staatsanwaltschaft ist nicht unabhängig, sie ist weisungsgebunden. Allerdings macht die Entscheidung auch keinen Unterschied, denn es wird bereits gegen vier Hamburger Geldinstitute und einzelne Personen ermittelt.

Allerdings aus Köln und nicht aus Hamburg.

Genau. Die Rolle der Hamburger Justiz ist ein weiterer Skandal im Skandal. Während in Köln bei der Staatsanwaltschaft seit mehr als zehn Jahren gegen Hamburger Banken ermittelt wird, glänzt die Hamburger Staatsanwaltschaft beim Thema Cum-Ex überwiegend durch Nichtstun. Die Staatsanwaltschaft in Köln hingegen macht da schon einen sehr mutigen Job. Es gehört viel dazu, das ehemalige Postfach des amtierenden Bundeskanzlers zu beschlagnahmen.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft wiederum hat gegen Sie ermittelt. Der Verdacht: Anstiftung zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen während Ihrer Cum-Ex-Recherchen. Das Verfahren wurde zwar eingestellt, doch bis heute fällt Scholz immer wieder mit einem harschen Ton gegenüber Journalisten auf. Inwiefern spüren Sie Einschränkungen und Einschüchterungsversuche in Ihrer Recherche?

Es gibt immer wieder Einschüchterungsversuche, etwa E-Mails direkt an Chefredakteure diverser Medienhäuser, in denen ich mit falschen Behauptungen diskreditiert werde. Diese Mails kommen teilweise direkt aus dem Kanzleramt, von Wolfgang Schmidt, langjähriger Scholz-Vertrauter und Chef des Kanzleramtes.

Haben Ihnen diese Mails geschadet?

Ich sag mal so: Die Reaktionen bei den Empfängern darauf sind unterschiedlich, aber ich lasse mich nicht einschüchtern und schon gar nicht von weiteren Recherchen abhalten.

Party-Gate in Großbritannien, große Durchsuchungen in Trumps Anwesen in Florida – die möglichen Verstrickungen des Bundeskanzlers in die Cum-Ex-Affäre. Drohen solche Skandale das Vertrauen in die politischen Führungspersonen zu zerstören?

Das ist eine Frage, über die ich als investigativer Journalist nicht nachdenken darf. Natürlich bin ich mir bewusst, dass durch meine Enthüllungen auch Kollateralschäden entstehen. Aber die Alternative wäre noch viel schlimmer. Die Konsequenz kann ja nicht sein, dass ich solche Informationen nicht an das Tageslicht bringe. Ziel muss sein: Jeder Bürger soll sich auf Grundlage unserer recherchierten Fakten sein eigenes Bild machen können.

Wie sehr könnte dieser Skandal Scholz‘ Amtszeit beschädigen?

Ich bin überzeugt: Dieser Skandal wird die Kanzlerschaft von Scholz überschatten. Er bekommt ihn nicht mehr los. Dieser Skandal klebt wie ein Kaugummi an seiner Schuhsohle.

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Die Stimmung in der Ampel-Koalition ist aktuell ohnehin schlecht. Welche Folgen könnte dieser Skandal auf den Zusammenhalt in der Regierung haben?

Das ist schwer zu sagen. Fest steht: In der Regierung sitzen aktuell Ministerinnen und Minister, die Scholz vor der Koalition der Lüge bezichtigt haben. Nun bekommen sie die Beweise für ihre Anschuldigungen. Sie müssen entscheiden, wie sie damit umgehen möchten, dass sie mit dem Mann, den sie einst attackiert haben, nun an einem Kabinettstisch sitzen.

Oliver Schröm schrieb mit "Die Cum-Ex-Files: Der Raubzug der Banker, Anwälte und Superreichen – und wie ich ihnen auf die Spur kam" ein Übersichtswerk zu seiner Recherche bezüglich des Skandals. Im Oktober erscheint sein neues Buch unter dem Titel "Die Akte Scholz: Der Kanzler, das Geld und die Macht", das er gemeinsam mit dem Journalisten Oliver Hollenstein verfasst hat.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Oliver Schröm
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