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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Vertragsbrüchig geworden" Weshalb Russland in 30 Tagen vor der Staatspleite steht
Russland hat Auslandsschulden in Höhe von 650 Millionen US-Dollar in Rubel bezahlt. Das ist ein Vertragsbruch und könnte schon in wenigen Wochen zur Staatspleite führen. t-online erklärt, was das bedeutet.
Es ist ein historischer Vorgang – mit womöglich drastischen Folgen: Russland hat seine Auslandsschulden erstmals nur in Rubel statt in US-Dollar beglichen. Insgesamt geht es um Zahlungen für zwei Fremdwährungsanleihen von mehr als 649,2 Millionen Dollar (595,3 Millionen Euro).
Den eigentlich in Dollar zu zahlenden Betrag überwies das russische Finanzministerium diesmal in Rubel, nachdem die amerikanische Korrespondenzbank JP Morgan Chase sich geweigert hatte, die Zahlungsanweisung in der US-Währung auszuführen. Hintergrund sind die Sanktionen des Westens gegen Russland.
Doch was bedeutet das nun? "Mit einer Zahlung in Rubel ist die Anleihe nicht bedient und Russland ist damit vertragsbrüchig geworden", sagte Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Uni Hohenheim, gegenüber t-online. Wie Staatsanleihen funktionieren, lesen Sie hier.
Russland hat 30 Tage Zeit
Die Folge für Russland könnte eine Staatspleite sein. "Für die vertragsgemäße Zahlung besteht eine Frist von 30 Tagen", so Burghof weiter. "Hat Russland bis dahin nicht gezahlt, wird es international für dauerhaft zahlungsunfähig und damit bankrott erklärt."
Allerdings dürfte es sich wegen der außergewöhnlichen Situation durch die Sanktionen zunächst nur um einen technischen oder teilweisen Zahlungsausfall handeln, nicht um eine staatliche Insolvenz im eigentlichen Sinne.
Dennoch hätte ein solcher Bankrott weitreichende Konsequenzen. "Eine Staatspleite hätte zur Folge, dass russische Anleihen herabgestuft werden und es dadurch für Russland deutlich schwerer wird, Investoren zu finden", sagte Burghof. Das heißt: Russland wäre nicht nur von den westlichen Sanktionen betroffen, sondern käme auch schwieriger an Geld aus Ländern wie China.
Finanzmärkte stellen sich auf Zahlungsausfall ein
Experten und Ratingagenturen hatten schon in den vergangenen Wochen vor einer drohenden Staatspleite gewarnt, da Russland nur beschränkten Zugriff aus Währungs- und Goldreserven hatte (t-online berichtete).
Für ausstehende Zahlungen hatte das US-Finanzministerium bislang fallweise Zahlungen aus den eingefrorenen Dollar-Konten gestattet. Am Montag blockierte das Ministerium dann die Zahlung der rund 650 Millionen Dollar.
An den Finanzmärkten ist das Risiko eines russischen Zahlungsausfalls ebenfalls bereits eingepreist. Aufgrund der geringen internationalen Verflechtungen gilt es als überschaubar. Die meisten Analysten rechnen nicht mit einem Finanzmarktschock. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, bezeichnete das Engagement internationaler Banken in Russland im März als "definitiv nicht systemrelevant".
Kreml: Kein Grund für Staatsbankrott
Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte hingegen am Mittwoch, dass es keinen Grund für einen Staatsbankrott gebe. "Russland verfügt über alle nötigen Ressourcen, um seine Auslandsschulden zu bezahlen", betonte er. Zugleich klagte er, dass "erhebliche Summen unserer Reserven" im Ausland eingefroren und blockiert seien. Deshalb sei Russland gezwungen, auf Rubelzahlungen umzusteigen.
"Die ausstehenden Zahlungen verstärken die bereits bestehende Drohung einer Staatspleite. Ob das nun durchgezogen wird oder damit Druck bei Verhandlungen aufgebaut wird, muss sich zeigen", so Experte Burghof.
So lassen sich auch die Äußerungen der Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, deuten. Am Mittwoch sagte sie, Moskau habe die Wahl zwischen dem langsamen Auszehren der wertvollen Devisenreserven und der Erklärung des Staatsbankrotts.
Russland schuldet deutschen Banken 6 Milliarden Euro
Nach jüngsten Daten der Deutschen Bundesbank vom November 2021 beliefen sich die Forderungen deutscher Banken gegenüber Russland auf rund 6 Milliarden Euro. Einschließlich der Forderungen ihrer Auslandsfilialen und -töchter waren es etwa 7,5 Milliarden Euro.
Das sind laut Bundesbank nur knapp 0,4 Prozent der gesamten Auslandsforderungen deutscher Institute. Die Wertpapiere von öffentlichen Haushalten in Russland, zu denen auch Staatsanleihen zählen, bei deutschen Banken beliefen sich auf 119 Millionen Euro.
Der letzte Zahlungsausfall Russlands erfolgte 1998 im Zuge fallender Ölpreise und der Asienkrise, betraf damals aber nur die Binnenschulden in Rubel. Sollte das Land seine Rechnungen bei internationalen Gläubigern nicht bezahlen, so wäre es das erste Mal seit der Russischen Revolution 1917, dass die Auslandsschulden nicht bedient werden.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Hans-Peter Burghof, Uni Hohenheim
- Tagesschau: "Russischer Zahlungsausfall rückt näher"
- Süddeutsche Zeitung: "Warum eine Staatspleite Russlands immer wahrscheinlicher wird"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa