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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue Technologie Geheimwaffe gegen die Lieferkrise
Die Corona-Krise hat die internationalen Lieferketten durcheinandergewirbelt. Experten setzen nun auf den 3D-Druck von Bauteilen.
Als Markus Krawietz die Idee für sein Start-up kam, dachte er nicht an die internationale Lieferkrise, wie wir sie seit der Corona-Pandemie kennen. Trotzdem sehen Experten in seinem Ansatz eine Möglichkeit, künftige Probleme bei Lieferketten zu umgehen.
Markus Krawietz fertigt Lastenräder. Und zwar nicht irgendwelche. Bei ihm kommen sie aus dem Drucker, genauer: dem 3D-Drucker.
"Wir versuchen, so viel wie möglich vor Ort zu drucken", sagt der 30-Jährige t-online. "Die meisten Fahrradrahmen werden in Übersee verschweißt, das ist bei uns nicht mehr nötig."
Tatsächlich sind die globalen Transportverbindungen auf See seit Beginn der Corona-Pandemie kräftig durcheinandergewirbelt, Verspätungen sind die Regel, die Logistikpreise zogen drastisch an. Besonders der strikte Anti-Covid-Kurs in China mit Lockdowns und Kontrollen sorgt für Probleme, da Dutzende Containerschiffe nicht be- und entladen werden können. Das wiederum führt zu fehlenden Vorprodukten und Bauteilen in Deutschland, mittlerweile staut es sich gar schon in der Nordsee (mehr dazu lesen Sie hier).
Industriefirmen setzen auf 3D-Druck
Krawietz kann all das relativ egal sein. Sein Rad besteht aus Bambus, die Bauteile dafür werden in Deutschland gedruckt. "In der aktuellen Lieferkrise ist das ein echter Vorteil, wir produzieren das meiste vor Ort in Solingen. Auch mit Blick auf den CO2-Fußabdruck, der ist beim 3D-Druck viel geringer." Die Idee kam ihm bereits vor der Pandemie, während seines Maschinenbau-Studiums. Seine Masterarbeit hat er über den 3D-Druck geschrieben.
Bei der Entwicklung der Lastenräder geholfen hat der "3D-Start-up-Campus NRW Solingen.Business". Hier im Labor sind die ersten Prototypen entstanden, wie Technologie-Manager Evgeniy Khavkin berichtet, der sich seit Jahren mit additiven Fertigungstechniken beschäftigt, zu denen auch der 3D-Druck zählt.
Dabei ist 3D-Druck längst nicht mehr nur Start-ups vorbehalten. Laut einer Studie des Digitalbranchenverbands Bitkom nutzt fast jedes zweite Unternehmen 3D-Druck in der Produktion. Und: 38 Prozent der Industriefirmen mit mehr als 100 Mitarbeitern sehen im 3D-Druck eine Möglichkeit, Lieferengpässe von kritischen Bauteilen in Krisenzeiten zu überbrücken.
Vor allem in der Medizintechnik sinnvoll
Auch Bitkom-Referentin Angelina Marko sagt: "Additive Fertigungsverfahren sind eine Ergänzung zu klassischen Fertigungsverfahren und auf dem Weg in die Serienproduktion. Werkzeuge, Ersatzteile und Modelle kommen bereits in vielen deutschen Industrieunternehmen aus dem 3D-Drucker." Laut Experte Khavkin werden beispielsweise "Bohrschablonen für Zahnimplantate oder Hörgeräte meist standardmäßig additiv hergestellt".
3D-Druck funktioniert vereinfacht gesagt so: Das Modell eines Bauteils wird dabei an den Drucker gesendet, der ein bestimmtes Material Schicht für Schicht aufträgt – bis am Ende ein Produkt entstanden ist. Zentraler Vorteil: Es ist nicht an eine Fabrik, einen Produktionsstandort gebunden. Besonders bei Lieferketten-Problemen sei das entscheidend, so Khavkin.
"Oft können kurz- bis mittelfristig keine neuen Lieferketten aufgebaut werden. Dadurch entsteht ein hoher Bedarf an einer lokalen, ortsunabhängigen Produktion", sagt er. "Mit dem 3D-Druck können wir künftige Lieferkrisen verhindern. Gerade dort, wo Bauteile individuell und schnell hergestellt werden müssen, lassen sich Materialien und Kosten einsparen."
Häuser aus dem 3D-Drucker
Unternehmen könnten das Produkt kurzfristig anpassen, sagt auch Angelina Marko. "Und entsprechend agil auf Änderungen reagieren, weil Bauteile schnell und effizient gedruckt werden können", so die Expertin weiter. "Durch die Produktion vor Ort lassen sich Logistik und Lagerhaltung optimieren und damit auch die Lieferketten."
Doch nicht nur Lieferketten soll der 3D-Druck entlasten. Denn mit dem 3D-Drucker lassen sich mittlerweile auch ganze Häuser fertigen. Beim "Hausdruck" trägt ein 3D-Drucker aus einer gewaltigen Düse Beton und Spezialmörtel digital gesteuert in zentimeterdicken Schichten auf.
Die Grenzen des 3D-Drucks
"Im kleinen Rahmen kann 3D-Druck sicherlich helfen, Lieferketten zu entlasten", so Stamer. Das sei auch im Interesse der deutschen Wirtschaft. "Anstelle wochenlang auf eine Schraube oder ein spezielles Bauteil zu warten oder es per Luftfracht nach Deutschland zu fliegen, kann es auch kostengünstiger vor Ort gedruckt werden."
Die Rohstoffe oder Materialien, mit denen der 3D-Drucker arbeitet, müssten jedoch ebenfalls importiert werden, aus Lateinamerika oder Asien. "Wir würden folglich nur eine Verschiebung des Handels sehen", sagt der Experte. Ohnehin könne aktuell nicht mit allen Materialien gedruckt werden, "bestimmte Metalle und Legierungen sind hier nicht möglich", so Stamer. Außerdem sei der 3D-Druck in der breiten Fläche "noch deutlich zu teuer".
Abgesehen von den Druckern selbst, die für private Zwecke bei einem Ladenpreis von rund 90 Euro anfangen und schnell mehrere Tausend oder gar Millionen Euro kosten können, wäre auch die Massenfertigung von Teilen zu teuer und unpraktisch.
Denn das 3D-Drucken dauert deutlich länger als die Serienproduktion per Fließband. Das Fazit von Stamer fällt daher ernüchternd aus: "In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird der 3D-Druck womöglich noch eine Nischentechnologie bleiben."
Auch Khavkin sagt, es bleibe letztlich eine Abwägungssache, ob eine Firma auf den 3D-Druck setze. Start-up-Gründer Krawietz jedenfalls hofft, dass es sich lohnt. "Aktuell gibt es erst Prototypen, doch ich freue mich auf die erste Auslieferung."
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Evgeniy Khavkin
- Gespräch mit Markus Krawietz
- Gespräch mit Vincent Stamer
- Schriftliches Statement von Angelina Marko
- Bitkom: "3D-Druck kann Lieferengpässe überbrücken"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa