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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kommt jetzt das nächste große Lieferketten-Chaos? "Die derzeitige Lage ist besorgniserregend"
Die Seen um den Panamakanal leiden unter Dürre. Das wird zum Problem für die Schifffahrt – mit Folgen für Reeder und Kunden. Und die Lage wird sich wohl noch verschärfen.
Der Panamakanal gilt als Wunderwerk der Technik – und ist doch gegen die Auswirkungen der Klimakrise nicht gefeit. Denn in Panama herrscht Dürre, und die für den globalen Handel so wichtige Schiffsabkürzung führt zu wenig Wasser.
Das hat Folgen, sowohl für die Reedereien als auch für die weltweiten Lieferketten. Droht nun ein neues Schiffschaos auf den Weltmeeren?
Wie dramatisch die Situation ist, verdeutlicht ein Satellitenbild der europäischen Satellitenmission "Sentinel 2" von Anfang Mai. Es zeigt den Alajuelasee nördlich des Panamakanals. Durch die Dürre in Zentralamerika liegt dort der Pegel niedriger als normal zu dieser Jahreszeit – binnen eines Monats fiel er um sieben Meter, das entspricht einem Verlust von zehn Prozent.
Zwischen Februar und April fiel laut Medienberichten nur die Hälfte des üblichen Niederschlags. Die Trockenheit bereitet Probleme: Pro Durchfahrt fließen rund 200 Millionen Liter Wasser aus dem Kanal ins Meer. Dem Kanal muss dieses Wasser wieder zugeführt werden.
Dafür werden vor allem der Alajuelasee und der Gatúnsee, der Teil der Schiffsroute des Panamakanals ist, genutzt. Beide wurden zu diesem Zweck künstlich durch Staudämme angelegt. Nun aber fehlt das Wasser, um den Kanal wieder ausreichend auffüllen zu können.
Hapag-Lloyd: "Dieses Ausmaß ist einzigartig"
Unlängst musste deshalb die Panamakanal-Behörde reagieren: Im Mai beschränkte sie die Maximalbeladung der Schiffe, damit die Frachter wegen ihres Gewichts nicht auf Grund laufen. Normalerweise sind 15,24 Meter Tiefgang erlaubt. Nach schrittweisen Beschränkungen sind es seit Ende Mai nur noch 13,41 Meter.
Das bereitet den Reedereien Sorgen. "Beschränkungen erleben wir immer wieder", sagt eine Sprecherin von Hapag-Lloyd zu t-online. "Aber dieses Ausmaß, das wir gerade erleben, ist einzigartig." Die Hamburger Reederei ist die Nummer fünf auf dem Weltmarkt, sie steht damit beispielhaft für viele andere Frachtfirmen. Auch der Verband Deutscher Reeder (VDR) spricht auf t-online-Anfrage von "zusätzlichen Herausforderungen". Noch seien diese aber beherrschbar.
Reederei plant Sonderabgabe
Für die Kunden von Hapag-Lloyd ist dennoch absehbar, dass der Transport ihrer Fracht infolge des Wassermangels am Panamakanal teurer werden wird. "Für die Dauer der Beschränkungen wird es eine zusätzliche Abgabe geben", so die Unternehmenssprecherin. Geplant ist der Start zum 1. Juli, die Höhe werde noch beraten.
Der Panamakanal
Der 1914 eröffnete Panamakanal verbindet den Pazifik und Atlantik. Über 12 Schleusen werden die Schiffe durch den 81,6 Kilometer langen Kanal geleitet – teils in bergigem Gebiet bis zu 25 Meter über dem Meeresspiegel. Etwa fünf Prozent des weltweiten Seefrachtverkehrs laufen über den Panamakanal. 2022 hieß das: 14.239 Schiffspassagen und rund 520 Millionen Tonnen transportierte Güter. Seit dem letzten Ausbau der Schleusen im Jahr 2016 können bis zu 400 Meter lange und 50 Meter breite Schiffe den Kanal befahren.
Daher blickt auch der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) besorgt nach Panama: "Die derzeitige Lage ist besorgniserregend", sagt Verbandspräsident Dirk Jandura zu t-online. Aufgrund der ohnehin herrschenden Krisen sei der Welthandel eh unter Druck, die Wasserknappheit am Panamakanal verschärfe die Lage noch.
El Niño könnte weitere Trockenheit bringen
Denn auch die Kanalbehörde kann derzeit nicht sagen, wie es weitergeht. Weitere Maßnahmen schließt sie nicht aus. Eine weitere Gefahr: Für dieses Jahr rechnen Klimaforscher mit einem starken El-Niño-Phänomen.
Bei diesem Wetterereignis kehren sich die Strömungen im südlichen Pazifik um – die Folge sind nicht nur steigende globale Durchschnittstemperaturen, sondern auch veränderte Niederschlagsmuster. Für Panama sind das keine guten Aussichten: Dort ist es unter El Niño in der Regel noch trockener.
Die panamaische Regierung reagierte am Dienstag und verhängte den Umweltnotstand. Die Dürre und der Regenmangel seien Folge der Klimakrise und die Vorboten von El Niño, sowohl der Alajuelasee als auch der Gatúnsee seien drastisch zurückgegangen. Eigentlich beginnt in Panama Ende Mai die Regenzeit. Das meteorologische Institut des Landes rechnet jedoch damit, dass auch in der zweiten Jahreshälfte weniger Regen fallen wird als normal.
In der Branche der Reeder ruft El Niño ebenfalls keine guten Erinnerungen hervor: Hapag-Lloyd weist auf ähnliche Beschränkungen im Jahr 2015 hin. Und auch 2019 herrschte Wassermangel am Panamakanal, wie der VDR anmerkt. Beides waren El-Niño-Jahre.
Größere Schiffe stärker betroffen
Die Hamburger Großreederei erklärt, warum der Wassermangel heute jedoch größere Auswirkungen hat als in vergangenen Dürre-Jahren: Mittlerweile sei der Kanal für deutlich größere Schiffe ausgelegt – die entsprechend mehr Tiefgang haben. Dadurch sind diese Riesenfrachter auch schneller von Beschränkungen betroffen als kleinere Schiffe.
Soll an den Containerriesen festgehalten werden, bräuchte der Panamakanal also eigentlich dringend neue Wasserquellen. Eine Möglichkeit wären neue Staudämme – doch das Wasser würde dann der lokalen Bevölkerung an anderer Stelle fehlen. Das Konfliktpotenzial wäre hoch. Auch ein Umbau der Schleusen, sodass das abgeleitete Wasser wiederverwendet werden kann, wird diskutiert. Doch derartige Anpassungsmaßnahmen an die Herausforderungen infolge der Klimakrise brauchen Zeit.
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Ähnliches Chaos wie bei der Blockade des Suezkanals?
Solange es keine Lösung gibt und die Beschränkungen in Kraft sind, gilt bei Hapag-Lloyd unterdessen: Wer kann, sollte den Panamakanal vermeiden. "Wir raten unseren Kunden zum Ausweichen über den Suezkanal, wenn das für sie möglich ist." Dieser verbindet das Rote mit dem Mittelmeer – nach Europa fahren die Schiffe dann quasi andersherum.
Auch der Suezkanal sorgte schon für Chaos auf den Meeren und massive Lieferprobleme weltweit: 2021 blockierte ihn das Containerschiff Ever Given tagelang. Die Situation sei aber eine völlig andere gewesen, erklärt der VDR. "Damals waren Transportkapazitäten extrem knapp." Das habe vor allem an den strengen Corona-Vorgaben in chinesischen Häfen und den coronabedingten Verzögerungen bei Produktion und Transport innerhalb Chinas gelegen. Zeitgleich sei die Nachfrage nach Konsumgütern in Europa und in den USA gestiegen.
"Inzwischen hat sich die Situation in den globalen Lieferketten aber entspannt und die Engpässe in den Häfen haben sich aufgelöst", beruhigt der Verbandssprecher. Für Deutschland sei die aktuelle Lage ohnehin weit weniger kritisch: Sowohl der VDR als auch der BGA weisen darauf hin, dass der Transport durch den Panamakanal für hiesige Verbraucher eine deutlich geringere Rolle spielt als der Suezkanal – denn der Warenverkehr aus Asien kommt vor allem über diesen Weg.
Während man beim Reederverband VDR daher aktuell nicht von ähnlichen Dimensionen wie bei der Suezkanal-Blockade ausgeht, ist man beim Handelsverband BGA vorsichtiger. Die Auswirkungen würden sich erst längerfristig zeigen, sagt Präsident Dirk Jandura. Er rechnet trotz der geringeren Bedeutung für den deutschen Markt mit negativen Folgen für die Lieferketten und längeren Lieferzeiten.
- Anfragen an Hapag-Llyod
- copernicus.eu: "Drought is impacting traffic in the Panama Canal" (Englisch)
- spiegel.de: "Oh, wie trocken ist Panama"
- ndr.de: "Wenig Wasser im Panama-Kanal: Hamburger Reeder in Sorge"
- faz.de: "Im Panamakanal fehlt wegen einer Dürre viel Wasser"
- dw.com: "Globale Lieferketten: Flaschenhals Panamakanal"
- euronews.com: "Panama Canal: Drought threatens one of the world’s most important shipping routes" (Englisch)
- imhpa.gob.pa: "CONSEJO DE GABINETE DECLARA ESTADO DE EMERGENCIA AMBIENTAL ANTE LA PROLONGACIÓN DE LA TEMPORADA SECA Y EVENTUAL DESARROLLO DEL FENÓMENO DE EL NIÑO" (Spanisch)