Reise zum Wunschkind Reproduktionsmedizin in Österreich darf mehr als in Deutschland
Die Sehnsucht, eine Familie zu gründen, obwohl es auf natürlichem Weg nicht klappt, treibt deutsche Paare oft zu einer Kinderwunsch-Behandlung ins Ausland. In vielen Ländern sind die Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin weniger streng als hierzulande. Naheliegendes Ziel ist neuerdings Österreich.
Österreich ist vor kurzem aufgrund einer Gesetzesänderung interessanter geworden für "Reproduktives Reisen". Eine Expertin weiß, welche Neuerungen dort nun gelten und auf was Paare achten sollten, wenn sie sich für eine künstliche Befruchtung außerhalb Deutschlands entscheiden.
Eizellspende - aussichtsreich, aber hier verboten
Einer der Hauptgründe um für eine Kinderwunsch-Behandlung ins Ausland zu gehen, ist die Möglichkeit einer Eizellspende. Dieses Verfahren, bei dem die Schwangerschaftsrate wesentlich höher liegt als bei anderen Methoden der künstlichen Befruchtung, ist in Deutschland nämlich nach dem Embryonenschutzgesetz verboten.
Viele Frauen, die hoffen, so Mutter zu werden, sind Ende 30 bis Mitte 40. Sie haben häufig etliche Versuche hinter sich, mit Hilfe der Reproduktionsmedizin schwanger zu werden.Bei manchen hat eine schwere Erkrankung zu einer frühen Menopause geführt, andere wollen oder können wegen familiärer Erbkrankheiten keine eigenen Kinder bekommen und sehen eine Eizellspende als letzte Chance der Familienplanung an.
Bisher mussten Paare, die sich für diese Methode entscheiden, in osteuropäische Länder oder beispielsweise nach Finnland, Großbritannien oder Spanien fahren. Im Schnitt fallen dann pro Spende-Zyklus rund 10.000 Euro an - zuzüglich der Reisekosten.
Das österreichische "Fortpflanzungsmedizingesetz"
Seit dem Frühjahr 2015 besteht nach einer Gesetzesänderung auch in Österreich die Option der Eizellspende im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation (IVF).
Doch in der Alpenrepublik ist diese Behandlung an bestimmte Bedingungen gebunden: So ist die Vermittlung und Kommerzialisierung von Spenderinnen untersagt. Und die "Bewerberinnen" dürfen ihre Eizellen jeweils nur "für maximal drei erfolgreiche Behandlungen mit Geburten zur Verfügung stellen … sowie nur an eine 'Krankenanstalt' abgeben“, wie es etwa auf der Internetseite der "IVF Zentren Prof. Zech" in Salzburg heißt. Außerdem darf eine Spenderin nicht jünger als 18 und nicht älter als 30 sein. Für die Empfängerin gilt dagegen die Altersgrenze von 45 Jahren.
Künstliche Befruchtung im Ausland - keine Strafe in Deutschland
"Frauen, die in Österreich oder in anderen Ländern mit dieser aus deutscher Sicht illegalen Methode schwanger werden, müssen jedoch nicht befürchten, bestraft zu werden oder keine medizinische Hilfe mehr zu erhalten, wenn sie nach Hause zurückkehren“, erläutert die Paar- und Familientherapeutin Petra Thorn, die zugleich Vorsitzende des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch (BKiD) ist . "Die Schwangeren erhalten dann bei der Vorsorge in Deutschland ganz regulär alle Leistungen der Krankenkassen."
Legalisierte Familienplanung für lesbische Lebensgemeinschaften
Eine weitere wichtige Neuerung, die die österreichische Gesetzgebung nun zulässt, ist das Recht lesbischer Paare, sich den Kinderwunsch mittels einer Samenspende zu erfüllen.
Dabei sind die Samenspender - anders als in Deutschland - sicher vor dem Risiko geschützt, dass sie in die Position des juristischen Vaters rutschen. So werden Unterhaltsansprüche des Kindes gegenüber seinem Erzeuger ausgeschlossen.
Praktische Gründe für IVF-Behandlungen in Österreich
"Diese Änderungen im österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz“, ergänzt Petra Thorn, "sind für deutsche Paare auch deshalb interessant, weil die Anreise in unser Nachbarland - insbesondere wenn man aus dem süddeutschen Raum kommt - relativ kurz ist und man sich nicht unbedingt in den Flieger setzen muss. Außerdem kann man sich hier mit den Medizinern in der Muttersprache verständigen. Woanders wird meist eine Kommunikation in Englisch vorausgesetzt und das ist angesichts der sensiblen und komplexen Thematik oft eine hohe Barriere."
Experten schätzen aufgrund einer 2008 durchgeführten Pilotstudie, die sich auf Befragungen in 46 Kinderwunschzentren in sechs Ländern stützte, dass pro Jahr etwa 2000 deutsche Paare die Reise in ein anderes Land antreten, um mithilfe einer Eizellspende endlich Nachwuchs zu bekommen. Die Dunkelziffer dürfte jedoch wesentlich höher liegen.
Aktuelle belastbare Zahlen gebe es darüber nicht, sagt Therapeutin Thorn. Aber aufgrund der Erfahrungen, die sie in ihrem Praxisalltag sammle, schätze sie, dass mittlerweile genauso viele Kinder nach einer Eizellspende wie nach einer Samenspende geboren würden.
Die Umsetzung der Gesetzesänderung braucht Zeit
Wie aber sieht das in Österreich aus? Ist hier bereits eine verstärkte Nachfrage deutscher Paare mit unerfülltem Kinderwunsch nach einer Eizellspenden-Behandlung zu spüren? Thorn sieht diese Entwicklung zurzeit nicht. "Ich treffe zwar in meiner Sprechstunde immer wieder Paare, die deswegen in österreichischen Kliniken nachfragen. Doch die dortige Rekrutierung von Eizellen-Spenderinnen steht meines Wissens noch ziemlich am Anfang. Die Behandlung einer großen Anzahl von Frauen ist deshalb eher noch nicht möglich. Das Ganze kommt erst langsam ins Rollen."
Zudem müsse man abwarten, wie groß überhaupt die Bereitschaft von Spender-Kandidatinnen sei. Der finanzielle Anreiz in Österreich, wo lediglich eine Art Aufwandsentschädigung vorgesehen ist, ist nämlich bei weitem nicht so hoch wie etwa in dem kommerziell ausgerichteten US-amerikanischen System.
"In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass eine Eizellspende - im Gegensatz zu einer Samenspende - grundsätzlich mit höheren körperlichen Risiken verbunden ist. Das sollte man nicht unterschätzen. Denn eine Spenderin muss sich immer demselben aufwändigen Procedere inklusive der hormonellen Stimulation unterziehen wie bei einer normalen IVF-Behandlung. Der Unterschied ist nur, dass die Embryonen dann nicht mehr bei ihr, sondern bei einer anderen Frau eingesetzt werden."
Kinder haben das Recht auf Informationen
Deutsche Paare, die zwecks Familienplanung irgendwann einen Aufenthalt in Österreich planen, sollten auch wissen, dass dort die Anonymität nur zwischen Eizellspenderin und Empfängerin besteht. Die Kinder haben dagegen mit Vollendung des 14. Lebensjahres das Recht, Informationen über die Spenderin zu erhalten. Deshalb werden die entsprechenden Daten zunächst in den Kliniken und dann in einem zentralen Register dokumentiert.
"Eine solche Regelung halte ich für sinnvoll", kommentiert die Expertin. "Mittlerweile ist nämlich das Argument entkräftet, dass es problematisch für Kinder sei, wenn sie sozusagen mit einer 'gespaltenen Mutterschaft' aufwachsen. Heute wissen wir, dass solche Bedenken grundlos sind und dass Kinder, die frühzeitig über die Besonderheiten ihrer Herkunft ausgeklärt werden, mit diesem Thema relativ unbelastet umgehen und dass ihre psychosoziale Entwicklung normal verläuft."
Expertin: Paare auf "Reproduktives Reisen" vorbereiten
Obwohl nun neue Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung für deutsche Paare geographisch näher gerückt sind, warnt Thorn davor, eine solche Reise vorschnell anzutreten. Auf eine so sensible Problematik solle man sich nie ohne entsprechende Vorbereitung einlassen.
Häufig seien die Betroffenen, die ja meist schon vorher viele medizinische Prozeduren für ein Wunschkind auf sich genommen haben, in einer existentiellen Krisensituation und in einem emotionalen Ausnahmezustand. "'Einfach nur ein Baby haben - egal wie‘ denken dann viele und neigen dazu, bestimmte Schwierigkeiten, die insbesondere auch im Ausland auf einen zukommen können, samt der hohen finanziellen Belastung solcher Behandlungen auszublenden."
So rät die erfahrene Therapeutin, sich im Vorfeld einer solchen "Reproduktiven Reise" immer professionell beraten zu lassen und sich zum Beispiel mit sozialer und biologischer Elternschaft auseinanderzusetzen, genauso wie mit dem Aspekt, wie man innerhalb der Familie beziehungsweise dem Freundeskreis und später auch gegenüber dem Kind mit der Thema Künstliche Befruchtung mit Eizellspende umgehen will. "Man muss sich unbedingt vorher solche Fragen stellen. Das ist viel einfacher, bevor Fakten geschaffen werden."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.