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Die richtige Geburtsposition: vertikal oder horizontal?


Geburt
75 Prozent der Klinikgeburten erfolgen in der "falschen" Position

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

Aktualisiert am 10.12.2015Lesedauer: 5 Min.
Geburtspositionen: Auch wenn es so in den meisten Kliniken praktiziert wird, viel spricht nicht für die Geburt in Rückenlage.Vergrößern des Bildes
Auch wenn es so in den meisten Kliniken praktiziert wird: Viel spricht nicht für die Geburt in Rückenlage. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Eine Geburt im Entbindungsbett ist in Deutschland die am meisten verbreitete Methode. Drei von vier Frauen bringen ihr Kind in Rückenlage zur Welt. Das ist alles andere als ideal, findet die

Frauen haben vielfältige Möglichkeiten, die Geburt ihres Babys zu gestalten: Sie können wählen, ob ihr Kind im Geburtshaus, zu Hause oder in der Klinik zur Welt kommt. Auch während der Entbindung sollten sie mitentscheiden können, welche Gebärposition für sie am angenehmsten ist - sei es Stehen, Hocken oder Liegen.

Die Rückenlage hat erhebliche Nachteile: "In dieser Position kann sich das Becken nicht bewegen, und der Geburtskanal ist enger. Deshalb hat die Frau mehr Schmerzen, und die Geburt dauert im Vergleich auch länger," erklärt Schwarz im Apothekenmagazin "Baby und Familie".

Je beweglicher desto besser

Im Gespräch mit t-online.de erklärt Schwarz, die auch Dozentin an der Medizinischen Hochschule Hannover ist, dass es die für alle Frauen "ideale Gebärhaltung" nicht gibt. "Eigentlich gibt es nur individuelle Positionen für die individuelle Frau während einer individuellen Geburt."

Das heißt, jede Schwangere muss selbst spüren und mit der fachkundigen Unterstützung der Hebamme herausfinden, was ihr gut tut. "Alles was statisch und unveränderbar ist, ist schlecht bei einer Geburt. Variabilität ist das Maß aller Dinge", kommentiert Schwarz. "Der natürliche Reflex des Menschen ist es, bei jeder Art von Schmerz lindernde Anpassungsbewegungen zu machen. Man denke nur an das typische, heftige Fingerschütteln, nachdem man sich mit dem Hammer auf den Nagel gehauen hat."

Übertragen auf eine Geburt bedeutet dies: Indem sich Frauen während der Entbindung bewegen und die für sie im jeweiligen Moment angenehmste Haltung einnehmen können, setzen sie einen Gegenimpuls zum Wehenschmerz, mildern ihn so ab und tun automatisch das Richtige für sich und das Baby.

Vertikale Gebärpositionen sind besser als horizontale

Diese wohltuende Flexibilität ist insbesondere bei eher vertikalen Geburtshaltungen möglich, zu denen Stehen, Hocken, Knien und der Vierfüßlerstand zählen. "Eigentlich sind dies die natürlichsten Gebärpostionen", erläutert Schwarz. "Hier wirkt sich zum einen die Schwerkraft positiv aus und zum anderen kann die werdende Mutter durch die Bewegungsfreiheit ihre Muskulatur optimal einsetzen. Das beschleunigt oftmals den Vorgang ohne dabei mehr Schmerzen zu verursachen. Man zahlt also keinen 'höheren Preis' für die Schnelligkeit."

Außerdem werde bei aufrechter Haltung die Gebärmutter stärker durchblutet, so dass die Sauerstoffversorgung des Kindes besser sei und die Risiken geringer würden. Außerdem seien seltener Dammschnitte nötig, weil das Baby nicht plötzlich "befreit" werden müsse.

Vertikale Gebärhaltungen haben jedoch nicht nur aus medizinischer Sicht zahlreiche Vorzüge. Sie motivieren und beflügeln die werdenden Mütter. Schwarz sagt: "Frauen, die in solchen Positionen entbinden und dadurch die Geburt selbst steuern können, haben meist ein deutlich positiveres Geburtserlebnis, weil sie sich nicht so ausgeliefert fühlen - nach dem Motto: 'Ich habe das geschafft, weil ich selbst aktiv sein konnte und nicht fremd bestimmt war.'" Es sei hilfreich, wenn die Gebärende bei der Entbindung eine vertraute Person bei sich habe, die sie immer wieder zur Bewegung und zum Positionswechsel ermutige.

Gebärende in "Küchenarbeitshöhe"

Angesichts solcher Erfahrungswerte ist es verwunderlich, dass an deutschen Krankenhäusern immer noch rund 75 Prozent der Entbindungen in der eher statischen Liegeposition auf dem Kreißsaalbett stattfinden. Zusätzlich bekämen 60 Prozent der Schwangeren eine PDA gelegt und seien zusätzlich zu Passivität verurteilt, erklärt Schwarz, die seit 30 Jahren als Hebamme arbeitet. In der außerklinischen Geburtshilfe bevorzugen nach ihrer Erfahrung nur wenige Frauen die die liegende Gebärhaltung.

"Für einen möglichst reibungslosen Ablauf des Klinikbetriebes ist es praktischer, die Schwangeren in 'Küchenarbeitshöhe' - ähnlich wie im OP - vor sich zu haben. Das ist bequem für die beteiligten Helfer, denn so ist es leichter, mehrere Geburten gleichzeitig zu betreuen", merkt Schwarz kritisch an. "Geburtshelfer können bei liegenden Frauen beispielsweise besser einen Dammschnitt durchführen."

Uniklinik Frankfurt unterstützt "Vierfüßler-Haltung"

In manchen Entbindungsstationen löst man sich allerdings mittlerweile von der Gewohnheit, bevorzugt Geburten in der Horizontalen durchzuführen. In der Uniklinik Frankfurt etwa, berichtet Schwarz, werde zunehmend der "Vierfüßlerstand" als optimale Gebärhaltung empfohlen. Diese Position habe sich gerade bei Babys in Steißlage bewährt, denn Kaiserschnitte könnten dadurch vermieden werden.

Welche Entbindungspositionen es gibt und welche Vor- und Nachteile sie haben, vermittelt der folgende Überblick mit Erläuterungen von Geburtshelferin Christiane Schwarz:

  1. Rückenlage: "Eigentlich hat diese unflexible Liegehaltung für Mutter und Kind keine Vorteile. Im Gegenteil: Es kann sogar gefährlich werden, wenn durch die andauernde Rückenlage das sogenannte Vena-Cava-Kompressionssyndrom auftritt. Dabei handelt es sich um eine Komplikation, bei der durch das Gewicht des Kindes die Blutzufuhr zum Herzen der Mutter behindert wird. Die Folge: Kreislaufstörungen und Übelkeit bei der Mutter sowie eine mögliche Sauerstoffunterversorgung beim Baby."
  2. Sitzen: "Die starre Gebärstellung ist fast identisch mit der Rückenlage, denn sie ist eigentlich nichts anderes als Sitzen im Entbindungsbett. Deshalb zählt diese Haltung zu den weniger vorteilhaften Positionen, da sie sich vor allem durch geringe Dynamik auszeichnet und den Schwangeren wenig Raum gibt, aktiv mitzuwirken."
  3. Seitenlage: "Diese Gebärhaltung hat den Vorteil, dass sich die Schwangeren dabei gut ausruhen und entspannen können. Der Nachteil ist, dass in dieser horizontalen Position der Geburtsvorgang nur wenig unterstützt wird, denn weder Schwerkraft noch muskuläre Kraft können dabei optimal genutzt werden."
  4. Vierfüßlerstand: "Diese Haltung garantiert zum einen gute Bewegungsmöglichkeiten und zum anderen können Rückenschmerzen so gemildert werden. Außerdem wird der Damm entlastet, so dass es seltener zu Rissen kommt. Der Nachteil des Vierfüßlerstandes ist jedoch, dass er anstrengend ist - insbesondere für die Bein und Armmuskulatur. Leichter geht es, wenn die Frau sich mit den Armen auf einem Gymnastikball abstützt. Hinzu kommt, dass diese Position von Frauen nicht selten als beschämend empfunden wird, da sie die Haltung mit Intimität und Sexualität assoziieren."
  5. Knie-Ellenbogen-Haltung: "Diese Gebärposition nutzen Frauen nur sehr selten. Sie ist nämlich extrem unbequem, weil schon nach kurzer Zeit sowohl die Ellenbogen als die Knie extrem schmerzen. Dennoch wird auf diese Haltung manchmal als Notfallposition zurückgegriffen. Das hat nämlich den Vorteil, dass der Kopf des Kindes nicht so sehr nach unten drückt."
  6. Stehen: "Durch diese vertikale, am wenigsten statische Haltung, wird der Gebärvorgang optimal unterstützt und beschleunigt, da eine maximale Beweglichkeit des Beckens möglich ist. Doch das dauerhafte Stehen ist sehr anstrengend, außerdem wirkt dabei großer Druck auf den Kopf des Kindes ein."
  7. Knie-Position: "Hier gibt es zwar dieselben Vorteile wie beim Stehen, doch ist das Knien wesentlich unkomfortabler: Meist ist die Belastungsgrenze nach zwei, drei Wehen erreicht, weil die Knie dann zu sehr weh tun. Eine Ausnahme ist das Knien in der Geburtswanne."
  8. Hock-Stellung: "Auch diese Haltung ist eine gute Unterstützung für den Entbindungsvorgang, weil die Hock-Position eine Weitung des Beckenausgang verursacht. Der Nachteil: Das Ganze ist ausgesprochen unbequem. Die Position kann jedoch angenehmer gemacht werden, indem die Frauen auf einem Hocker sitzen oder sich an ihre Begleitung 'hängen'. Das ist weniger kräftezehrend und das Risiko, dass die Beine einschlafen ist auch geringer."
  9. Wassergeburt: "In einer Geburtswanne zu entbinden hat eigentlich keine Nachteile, nur Vorteile. Deshalb ist es mein Favorit unter den Gebärhaltungen. Die Frauen sind im Wasser völlig frei in ihrer Beweglichkeit und empfinden die Geburt im nassen Element meist als weniger anstrengend. Außerdem wirkt das angenehm warme Wasser schmerzlindernd und hilft Dammrisse zu vermeiden. Auch Keimbelastung muss hier nicht befürchtet werden. Diese Methode ist mittlerweile so beliebt, dass sie in einigen Entbindungsstationen beziehungsweise Geburtshäusern, die Wassergeburten anbieten, bis zu 50 Prozent der Geburten ausmachen."
Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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