B-Streptokokken in der Schwangerschaft Scheinbar harmlose Mikroorganismen können Neugeborene töten
In unserem Organismus leben viele Bakterien, die uns nicht schaden. Jede dritte Frau beherbergt zum Beispiel in ihrer Scheide die sogenannten Streptokokken der Gruppe B – ohne etwas davon zu merken. Umso größer ist der Schreck, wenn eine Schwangere von ihrem Arzt gesagt bekommt, dass diese Streptokokken bei ihrem Baby zu einer ernsthaften Erkrankung, teilweise sogar zu seinem Tod führen können. Doch wie hoch ist die Gefahr wirklich?
Die meisten Eltern kennen Streptokokken im Zusammenhang mit Scharlach. Diese Streptokokken allerdings gehören zur Gruppe A und sind für Neugeborene in der Regel nicht lebensbedrohlich. Bei der Gruppe B allerdings wird es kritischer. Diese Bakterien besiedeln den Genital- und Afterbereich. Was noch nicht weiter schlimm ist – bis die Fruchtblase platzt. Denn dann steigen die Bakterien auf, breiten sich im Fruchtwasser aus und infizieren möglicherweise das Baby. Eine solche Ansteckung vor oder bei der Geburt kann zu schweren Krankheiten wie Meningitis, Lungenentzündung oder auch zu einer Blutvergiftung führen.
Eine Infektion des Neugeborenen kann schlimme Folgen haben
Die meisten Babys, die vor oder während der Geburt Kontakt zu Streptokokken haben, bleiben gesund, erklärt Joachim Martius, ärztlicher Direktor und Chefarzt für Geburtshilfe und Frauenheilkunde am Krankenhaus Agatharied in Hausham gegenüber der Elternredaktion von t-online.de. "Aber in immerhin ein bis fünf Fällen pro 1000 Geburten muss mit einer kindlichen Infektion gerechnet werden, wobei die Sterblichkeit der betroffenen Kinder bei vier Prozent liegt." Auch die überlebenden Kinder sind vor Langzeitfolgen nicht gefeit: "Neurologische Störungen zum Beispiel finden sich regelmäßig."
Mit Antibiotika Leben retten
Wird bereits in der Schwangerschaft erkannt, dass Gruppe-B-Streptokokken (GBS) vorhanden sind oder man schon ein erkranktes Kind geboren hat, dann wird das im Mutterpass verzeichnet. So wissen die Ärzte gleich, was zu tun ist und die Gefahr für das Baby verringert sich um einiges. "Mütter, bei denen in der Schwangerschaft GBS nachgewiesen werden konnte, erhalten mit Beginn der Geburt ein Antibiotikum, das über den Mutterkuchen noch vor der Geburt auch das Kind erreicht", erklärt Martius.
Die betroffenen Frauen bereits im Vorfeld medikamentös zu behandeln, hält er nicht für sinnvoll, da es so nicht gelänge, die Erreger dauerhaft bis zur Geburt zu beseitigen. Auch einen Kaiserschnitt hält der Gynäkologe für keine wirkliche Alternative. Denn nur dann, wenn er geplant wurde und vor Wehenbeginn oder Fruchtblasensprung gemacht wird, kann man beim Säugling tatsächlich auf Antibiotika verzichten.
Betroffene Babys müssen intensiv überwacht werden
Besteht die Gefahr, dass ein Neugeborenes sich mit Streptokokken infiziert hat, achten die Ärzte in den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt auf typische Symptome wie einen Temperaturanstieg, einen niedrigen Blutdruck, eine außergewöhnliche Herz- oder Atemfrequenz und einen lethargischen oder auch reizbaren Gesamtzustand. Frauen, bei denen während der Schwangerschaft Streptokokken der Gruppe B festgestellt wurden, rät man daher zu einer Niederkunft im Krankenhaus.
"Von einer Geburt im Geburtshaus ist dringend abzuraten. Die Neugeborenen bedürfen unmittelbar nach der Geburt einer intensiven Überwachung, um mögliche Zeichen einer beginnenden Infektion frühzeitig zu erkennen."
Eine Infektion zeigt sich in den meisten Fällen sehr schnell
Infektionen mit Streptokokken der Gruppe B zeigen sich normalerweise relativ schnell. 90 Prozent treten innerhalb der ersten 24 Stunden auf. Bei der sogenannten Frühform entwickeln sich häufig Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen. Aber auch die Hirnhäute, das Knochenmark oder die Gelenke können sich entzünden. Diese Erkrankungen sind so schwer, dass fünf Prozent der betroffenen Babys sterben, wobei die Gefahr für die Frühchen am größten ist.
Die Kinder, die die Krankheit überstehen, kämpfen oft ihr Leben lang mit den Folgen. In seltenen Fällen tritt die Infektion als Spätform noch im Lauf der ersten drei Lebensmonate auf. Wer sich Sorgen macht und erste Anzeichen zu bemerken glaubt, sollte den Kinderarzt beziehungsweise auch die Hebamme so bald wie möglich darauf ansprechen.
Kassen zahlen die Tests meistens nicht
Die größte Gefahr für das Baby sich anzustecken, besteht während der Geburt. Es kann also aus medizinischer Sicht durchaus entscheidend sein, ob die Frau in den letzten Schwangerschaftswochen Streptokokken in sich trägt oder nicht. Das allerdings kann man nur herausfinden, wenn man einen entsprechenden Test macht. Dieser wird nicht routinemäßig durchgeführt und ist auch keine Kassenleistung.
Eine Ausnahme stellen die Risikogruppen dar. Dazu gehören unter anderem Frauen, die vor der 37. Woche entbinden sowie solche, bei denen nach einem Blasensprung viele Stunden bis zur eigentlichen Geburt vergehen. Für alle anderen Schwangeren belaufen sich die Kosten auf rund 40 Euro.
Das Thema steht auf der Agenda
In einer gültigen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe wird zu einem Screening aller Schwangeren in der 36. Schwangerschaftswoche geraten. "Derzeit aber ist ein solches Screening nicht Teil der Mutterschaftsrichtlinien", meint Martius und ergänzt, dass er eine generelle Einführung und vor allem die Kostenübernahme durch die Kassen für durchaus wünschenswert hielte.
Das Thema wird, so die Auskunft des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, demnächst im Gemeinsamen Bundesausschuss beraten. Dieser ist dafür zuständig, welche neuen Leistungen in den Katalog der gesetzlichen Kassen aufgenommen werden. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass der Test auf Streptokokken der Gruppe B bald am Ende jeder Schwangerschaft durchgeführt wird. Und Leben rettet.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.