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Down-Syndrom: Bluttest statt Fruchtwasseruntersuchung?


Down-Syndrom
Bluttest statt Fruchtwasseruntersuchung?

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 18.08.2016Lesedauer: 6 Min.
Ein neuer Bluttest bei der Mutter soll zeigen, ob das Ungeborene das Down Syndrom hat.Vergrößern des Bildes
Ein neuer Bluttest bei der Mutter soll zeigen, ob das Ungeborene das Down Syndrom hat. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Bisher war die sicherste Methode, das Down-Syndrom auszuschließen, eine Fruchtwasseruntersuchung in der Schwangerschaft. Ein neuer Bluttest könnte diese Untersuchungsmethode mit all ihren Gefahren fürs Ungeborene unnötig machen. Sagen die einen. Einen Angriff auf das Lebensrecht von Menschen mit Down-Syndrom nennen es die anderen.

Eine risikofreie Alternative zur Fruchtwasseruntersuchung

Noch im Jahr 2012 will die Firma LifeCodexx aus Konstanz einen Test auf den Markt bringen, der bereits von vielen mit Sehnsucht erwartet wird. Der aber auch erneut zu einer heftigen Diskussion über den Sinn und die Gefahren genetischer Untersuchungen geführt hat. Letztendlich kann man sagen, dass es sich bei dem Test eigentlich um nichts Neues handelt. Nur die Methode ist ungefährlicher für das ungeborene Kind. Es handelt sich nämlich um eine risikofreie Alternative zu herkömmlichen invasiven Untersuchungsmethoden, wie beispielsweise der Fruchtwasseruntersuchung. Dank dieser Risikofreiheit könnten, so das Unternehmen, jährlich allein in Deutschland 600 bis 700 Kinder vor den tödlichen Folgen eines invasiven Eingriffs bewahrt werden.

Erbgut des Kindes wird aus dem Blut der Mutter gefiltert

Doch wie funktioniert der neue Test? Der Fötus steht über die Plazenta mit der Mutter in Verbindung. Sein Erbgut rauscht also auch durch das Blut der Mutter und kann so im Rahmen eines harmlosen und völlig ungefährlichen Bluttests untersucht werden. Das Blut wird im Labor zentrifugiert, das heißt, die Blutzellen und das Blutplasma werden voneinander getrennt, um dann, in einem nächsten Schritt die Erbsubstanz vom Plasma zu lösen. Es handelt sich hier um eine völlig neue Form der genetischen Diagnostik, beruhend auf der Entdeckung eines Mediziners der Universität Hongkong namens Dennis Lo.

Nur ein paar Tage brauchen die sogenannten Sequenzierroboter, um die DNA-Spuren des Babys zu analysieren. Der Preis für das Verfahren wird voraussichtlich bei über tausend Euro liegen. Die Kosten übernimmt die Kasse nicht. Der Down-Syndrom-Test ist also eine so genannte IGel-Leistung, eine individuelle Gesundheitsleistung, genau wie das Ersttrimesterscreening.

Hat der Mensch ein Recht auf ein gesundes Baby?

Experten gehen aber davon aus, dass Tests wie diese zur Routine werden. Was allerdings hat das für Folgen? In diesem Zusammenhang fallen harte Worte, nur eines davon ist "Ausrottung". Ganz so weit würde Rita Lawrenz, Geschäftsführerin des Arbeitskreises Down-Syndrom e.V. nicht gehen. "Aber es ist eine Selektion und die macht es den Eltern schwerer, die bereits mit einem Down-Syndrom-Kind leben oder die es bewusst bekommen. Unsere Gesellschaft ist abhängig von Normen und Werten und gerade was die Trisomie 21 angeht, herrscht ein völlig falsches Bild.“

Trotzdem betrachtet auch sie den Test als einen gewissen Fortschritt: "Immerhin rettet er möglicherweise das Leben all der Babys, die bei einer Fruchtwasseruntersuchung sonst ums Leben kämen. Aber grundsätzlich muss man sich mal bewusst machen, dass man kein Recht auf ein gesundes Kind hat und ein solcher Test auch keine wirkliche Sicherheit bringt. Immerhin erwerben zwei Drittel aller Menschen mit Behinderung diese erst im Laufe ihres Lebens.“

Man arbeitet daran, auch weitere Behinderungen auszuschließen

Tatsächlich vermittelt auch unter anderen Gesichtspunkten der Test nur eine gefühlte Sicherheit. Denn auch, wenn das Ergebnis der Untersuchung unauffällig ist, bedeutet das noch lange nicht, dass das Kind gesund ist. Von hundert Kindern, die auf die Welt kommen, gibt es immerhin bei vieren eine genetische Abweichung. Doch nur eine davon, nämlich die Trisomie 21, kann derzeit mit dem Test entdeckt werden. "Im Vergleich zu den invasiven Untersuchungsmethoden können wir auch nicht bestimmen, ob es sich um eine erbliche Variante handelt“, erklärt Elke Decker von LifeCodexx. Es ist aber davon auszugehen, dass es in Zukunft durchaus möglich sein könnte, mit dem Verfahren auch andere Behinderungen auszuschließen: "Wir arbeiten zum Beispiel derzeit an der Möglichkeit, ebenfalls Trisomie 18 und 13 zu bestimmen.“

Steigt mit dem Test die Zahl der Abtreibungen?

Die einen werten den Bluttest als Fortschritt. Die anderen warnen davor, dass es dann zu noch mehr Abtreibungen kommen wird. Immerhin werden schon jetzt etwa 90 Prozent aller Ungeborenen mit Trisomie 21 abgetrieben. Und das, obwohl man im Vorfeld nicht einmal sagen kann, wie stark die Behinderung überhaupt sein wird. Mit dem neuen Test - davon gehen die Kritiker aus - wird diese sowieso schon erschreckende Zahl zwangsläufig steigen. Und zwar deshalb, weil man sich leichter für eine Methode entscheide, die keine Gefahren birgt. Elke Decker sieht das anders: "Es erschließt sich uns nicht, dass eine werdende Mutter sich leichter gegen ihr ungeborenes Kind entscheiden soll, wenn die Diagnose zuvor mittels eines einfachen 'Bluttests' und nicht durch eine belastende invasive Untersuchung gestellt wurde. Wir halten es ethisch auch nicht für vertretbar, auf einen für Mutter und Kind sicheren Diagnostiktest gegebenenfalls zu verzichten, mit der Absicht, einen möglichen Schwangerschaftsabbruch zu erschweren und Betroffene bis zur Geburt in Unkenntnis zu lassen.“ Mit einer solchen Forderung nehme man nicht nur den Tod vieler Kinder in Kauf, die aufgrund des invasiven Eingriffs sterben, man stelle auch das Recht auf Selbstbestimmung schwangerer Frauen grundsätzlich infrage.

Die Angst vor Behinderung ist groß

Hinter all dem steht auch ein gesellschaftliches Problem: Warum haben werdende Eltern solche Angst, ein behindertes Baby auf die Welt zu bringen? Passen Menschen, die anders sind, nicht mehr in unser System? "Jeder hat ein Recht auf Leben, aber jeder hat auch das Recht darauf, zu entscheiden, wie man sein Leben führen will, so auch Eltern,“ gibt eine Schwangere in einer Ausgabe der Wissenschaftssendung "nano spezial" zum Thema zu bedenken. Der Trend geht nun mal zur perfekten Schwangerschaft, zur perfekten Geburt und zum perfekten Kind. Die Einstellung nach dem Motto "Wir nehmen es, wie es kommt" oder gar eine religiöse Haltung dazu werden immer seltener.

Das Down-Syndrom ist keine Krankheit

Auch Christiane Woopen, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, kommt in der Sendung zu Wort und hinsichtlich des Grundsatzes, dass man zwar über sich selbst alles wissen darf, aber nicht über andere, stellt sie die Frage in den Raum: "Welches Recht hat die Frau tatsächlich, die genetische Ausstattung des Ungeborenen zu kennen und wenn, dann in welchem Umfang?“ Die Medizinethikerin von der Universitätsklinik Köln hält das Down-Syndrom für einen Grenzfall. Denn es sei eine genetische Abweichung, die mit dem Leben durchaus sehr gut vereinbar sein kann. Rita Lawrenz kann dem nur zustimmen: "Menschen mit Trisomie 21 leben im Hier und Jetzt. Sie sind fast immer ausgeglichene, in sich ruhende Persönlichkeiten. Und man bekommt so viel von ihnen wieder.“ Als betroffene Mutter weiß sie aus Erfahrung: "Das Leben mit dem Down-Syndrom ist nicht das Ende, sondern der Anfang von etwas ganz Besonderem.“

Die Genauigkeit liegt bei nahezu 100 Prozent

Die Firma LifeCodexx weist selbst ausdrücklich darauf hin, dass der Test, der ausgesprochen sicher ist, nicht "einfach so" durchgeführt werden kann und nur als Ergänzung anderer Untersuchungen gedacht ist. Vor allem dann, wenn ein Ersttrimesterscreening bereits Verdachtsmomente bringt. "Die Schwangere muss ein erhöhtes Risiko für chromosomale Veränderungen beim Ungeborenen tragen, sich in der 12. Woche der Schwangerschaft oder darüber befinden und sich gemäß Gendiagnostikgesetz sowie den Richtlinien der Gendiagnostikkommission durch einen qualifizierten Arzt humangenetisch und ergebnisoffen beraten und aufklären lassen.“

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Der Test verschafft Zeit

Fruchtwasseruntersuchungen werden zwischen der 14. und 19. Schwangerschaftswoche durchgeführt, bis das Ergebnis des Tests dann vorliegt, vergehen weitere ein bis zwei Wochen. "Der Bluttest“, so Elke Decker, "erlaubt damit der werdenden Mutter mehr Zeit für weitergehende Diagnostik und Beratung.“

Zusätzlich, so gibt die Ulmer Medizinethikerin Uta Bittner in einem Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau" zu bedenken, muss man sich bei allen moralischen Bedenken ja auch fragen, was in einer Gesellschaft, die prinzipiell den Schwangerschaftsabbruch praktiziert, das kleinere Übel ist: der frühe oder der späte Abbruch?

Wie weit darf der Mensch in seinem Wissensdurst gehen?

Gefördert wurde der umstrittene Bluttest aus Mitteln des Bundesforschungsministeriums. Genau wie ein weiterer Test der gleichen Firma, bei dem es um die Erkennung einer für Mutter und Kind lebensgefährlichen Bluthochdruckerkrankung geht. Fast 750.000 Euro sollen dabei als Fördergelder geflossen sein. Bundesforschungsministerin Annette Schavan von der CDU musste sich gerade von Parteikollegen dafür heftige Kritik anhören. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe - selbst Vater eines behinderten Kindes - sprach im "Tagesspiegel" von Diskriminierung in der schlimmsten Form, die man auch noch mit öffentlichen Geldern fördere. Die andere Seite hält entgegen, dass es unverantwortlich sei, ein neues Verfahren, das Leben schützen könnte, nicht einzusetzen.

Gentests haben Zukunft

Wissenschaftler sind überzeugt davon, dass es bereits in wenigen Jahren möglich sein wird, zu erschwinglichen Preisen und mit relativ wenig Aufwand das gesamte Genom eines jeden Fötus entschlüsseln zu können. Das birgt eine Vielzahl an Möglichkeiten, aber ebenso eine hohe Zahl an Risiken. Und eines ist dabei sicher: Es kommt viel Arbeit auf die Ethikkommissionen zu.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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