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Spätabtreibung: Diese Kriterien gelten


Abtreibung
Spätabtreibung: "Sie gehen durch die Hölle"

t-online, ots, dpa, rev

22.06.2010Lesedauer: 3 Min.
Spätabtreibung: Die moderne Medizin ermöglicht es schwere Behinderungen und Krankheiten beim ungeborenen Kind immer früher festzustellen.Vergrößern des Bildes
Horrordiagnose: Die moderne Medizin ermöglicht es schwere Behinderungen und Krankheiten beim ungeborenen Kind immer früher festzustellen. (Quelle: imago-images-bilder)

Das Kinderzimmer wird schon Monate vor dem Geburtstermin eingerichtet, der Kinderwagen steht auch bereit. Viele Paare können die Geburt ihres Babys kaum erwarten. Auf die Frage, ob sie lieber einen Jungen oder ein Mädchen hätten, geben sie meist die Antwort: "Egal, Hauptsache gesund." Doch was ist, wenn Ärzte eine schwere Krankheit oder Behinderung des Kindes feststellen? In Deutschland kam es im ersten Quartal 2010 zu 96 Schwangerschaftsabbrüchen ab der 22. vollendeten Schwangerschaftswoche. Was sind die Kriterien für eine Spätabtreibung? Welche gesetzlichen Richtlinien gibt es?

Zahl der Spätabtreibungen scheinbar gestiegen

Laut dem Statistischen Bundesamt erhöhte sich die Zahl der Spätabtreibungen im ersten Quartal 2010 um 54,8 Prozent. Ein Grund hierfür könnte allerdings nach Ansicht von Dorothee Bär (CSU), familienpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, in der nunmehr vollständigeren Erhebung liegen: Die bisherige Erhebung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland wies die Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib nicht aus - das hat sich nun geändert, was wohl in erster Linie den starken Anstieg der statistischen Zahlen erklärt. Diese so genannten Fetozide werden bei Spätabtreibung eingesetzt. Die Methode wird angewendet, wenn das Kind außerhalb des Mutterleibes schon lebensfähig wäre, der Arzt jedoch aufgrund einer zu erwartenden Behinderung des Kindes eine Gefahr für die Gesundheit der Mutter sieht. Diese Gefahr bezieht sich insbesondere auf psychische Beeinträchtigungen der Mutter bei Weiterbestehen der Schwangerschaft. Etwa, wenn der Arzt für die werdende Mutter schwere Depressionen oder Suizidgefahr befürchtet. Außerdem werden auch bei manchen Mehrlingsschwangerschaften einzelne Feten getötet, besonders nach Hormonbehandlung. In den ersten drei Monaten dieses Jahres kam es zu sieben Fetoziden bei Mehrlingsschwangerschaften und 62 in sonstigen Fällen.

Wann ist eine Spätabtreibung möglich?

Juristisch sind in Deutschland Spätabtreibungen nur möglich, wenn eine medizinische Indikation besteht, also eine Gefahr für die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter. Dann kann die Schwangerschaft theoretisch bis zum Entbindungstermin abgebrochen werden. Eine Abtreibung nur wegen einer Behinderung des Kindes ist seit 1995 verboten, als das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch (§ 218 StGB) neu geregelt wurde. Dennoch werden nach Angaben von Frauenärztin Jette Brünig weit mehr als 80 Prozent der Schwangerschaften abgebrochen, wenn Ärzte schwere Erkrankungen beim Kind - etwa das Down-Syndrom (Trisomie 21) - feststellen. Brünig betreut seit über 25 Jahren als Therapeutin im Gesundheitsamt Berlin-Charlottenburg Frauen, die behinderte Kinder erwarten.

Pränataldiagnostik: Fluch und Segen

Familientherapeutin Maria Nuij-Brandt von der Berliner Beratungszentrale "Familie im Zentrum" sagt: "Die heutigen medizinischen Möglichkeiten sind sowohl ein Segen als auch ein Fluch." Die Sozialpädagogin ist spezialisiert auf psychosoziale Beratung nach vorgeburtlichen Untersuchungen (Pränataldiagnostik). "Die Technik ermöglicht es, beispielsweise schwere Herzfehler rechtzeitig zu erkennen." Dadurch überlebten viele Babys, die früher gestorben wären. Ebenso können unheilbare Krankheiten und Behinderungen entdeckt werden, bevor das Kind auf die Welt kommt. "Das führt zu einem Schock bei den Frauen. Familien drohen an den Belastungen kaputtzugehen."

"Sie gehen durch die Hölle"

Wie eine Spätabtreibung nach der 22. Schwangerschaftswoche erfolgt, wissen die wenigsten. "Die Frauen müssen die toten Babys richtig gebären", erklärt Brünig. Sie bereitet Frauen auf diesen Schritt vor. Sie erklärt ihnen, dass das ungeborene Kind vor dem Auslösen der Wehen mit einer Injektion getötet wird. Sie hilft den Müttern, ihr totes Baby nach der Entbindung in den Arm zu nehmen, um sich zu verabschieden - zunächst unvorstellbar für die meisten Frauen. Und sie hilft ihnen zu trauern. "Schuldgefühle verhindern oft die Trauer. Die Frauen geben sich die Schuld am Tod des Kindes. Sie gehen durch die Hölle."

Beratungspflicht für Ärzte

Bei drei bis fünf Prozent aller Ungeborenen wird nach Angaben von Pränataldiagnostiker Adam Gasiorek-Wiens eine Fehlbildung festgestellt. Häufig seien die Paare aber nicht ausreichend auf diese Möglichkeit vorbereitet, sagt der in Berlin praktizierende Arzt. Er wünscht sich mehr frühzeitige Beratung. "Ärzte handeln häufig nach ihren eigenen Wertvorstellungen und genehmigen einen Abbruch, ohne dass die Frauen genügend Zeit bekommen, um alles zu verarbeiten", kritisiert Gasiorek-Wiens. Eine erzwungene Beratung vor der Spätabtreibung sei viel zu spät. Seit 2009 gibt es nun ein Gesetz, dass den Arzt zur Beratung bei einem Schwangerschaftsabbruch nach der zwölften Schwangerschaftswoche verpflichtet. Zugleich muss seit dieser Neuregelung zwischen der Diagnose und der ärztlichen Abbrucherlaubnis eine dreitägige Bedenkfrist liegen. Kommt der Arzt den Auflagen nicht nach, droht ihm ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro. Damit soll verhindert werden, dass Frauen sich unüberlegt und noch unter Schock stehend voreilig für eine Abtreibung entscheiden.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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