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Magerwahn: Gefährliche Diäten für Teenager


Magerwahn
Dünn, dünner, am dünnsten - der gefährliche Diätwahn unserer Teenies

Schlank sein um jeden Preis - das ist das erklärte Motto zahlloser Mädchen. Um in Kleidergröße 34 oder 36 zu passen und dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen, verzichten die Teenies an manchen Tagen ganz auf Nahrung, treiben dabei exzessiv Sport oder probieren seltsame und einseitige Diäten aus. Ernährungswissenschaftler warnen vor solchen Ess-Experimenten gerade während der Pubertät, da extreme Abspeckprogramme häufig auch der erste Schritt zu einer Essstörung sind. Eine Expertin erklärt, warum der Diätwahn in jungen Jahren so gefährlich ist und von welchen beliebten Diäten abzuraten ist.

Aktualisiert am 20.10.2014|Lesedauer: 5 Min.
t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli
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Kim ist erst 15 Jahre alt, aber schon eine Ernährungsspezialistin. Sie weiß genau, wie viel Kalorien ein Schokoriegel hat und dass in einem Glas Apfelsaft, wie sie es nennt, 80 "böse Figurkiller" stecken. Bei jedem Bissen spult sie in ihrem Kopf die Nährwerttabelle und die tägliche Verbrennungsbilanz herunter. "Ich kann das einfach nicht mehr abschalten", erzählt die Schülerin, "und meine Freundinnen machen das auch so. Es ist wie ein Wettbewerb. Die eine sagt, dass sie wieder Kilos verloren hat. Die anderen wollen dann nachziehen und schließlich kontrollieren wir uns gegenseitig, so dass sogar ein Pausenbrot mit dem 'falschen' Belag immer kommentiert wird."

Fast die Hälfte der Mädchen fühlen sich zu dick.Vergrößern des Bildes
Fast die Hälfte der Mädchen fühlen sich zu dick. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Mit Genuss hat das junge Mädchen schon lange nicht mehr gegessen. Auch verschiedene Diäten hat sie schon mit ihren Freundinnen ausprobiert. Denn Kim findet sich zu dick, genauso wie unzählige andere Mädchen ihres Alters. Dabei ist die 15-Jährige normalgewichtig, trägt Größe 38 und hat eigentlich keinen Grund abzunehmen.

Diätwahn trotz Normalgewicht

Doch viele Jugendliche hadern mit ihren "normalen" Pfunden und haben eine eher verzerrte Körperwahrnehmung, weiß die Ernährungsberaterin Barbara Dohmen aus ihrem Praxisalltag. Seit Jahren berät und behandelt sie essgestörte Teenager - die meisten davon sind Mädchen. Gegenüber der Elternredaktion von T-online.de erklärt die Expertin: "Viele Mädchen, die zu mir kommen, sind eigentlich normalgewichtig. Sie geraten nicht selten durch Diäten in eine Essstörung, weil sie ihren Körper oft nicht akzeptieren und nicht wahrhaben wollen, dass während der Pubertät durch hormonelle Veränderungen nicht nur die Brust fraulicher und runder wird."

"Size-Zero" als Schönheitsideal

Ein Grund für den verbreiteten Schlankheitswahn, da sind sich die Wissenschaftler einig, ist das gängige Schönheitsideal, das vor allem in Sendungen wie "Germany‘s Next Topmodel" oder durch Hollywood-Promis propagiert und vorgelebt wird und uns sagt: Nur extrem dünne Frauen mit "Size Zero" sind attraktiv. Um das zu erreichen, orientieren sich junge Mädchen am Body-Maß-Index (BMI), der den proportionalen Anteil von Körperfett anzeigen soll und dessen optimaler Wert mittlerweile bei sehr niedrigen 18 angesetzt wird.

"Diese von vielen angestrebte Marke hat nichts mehr mit gesundem Schlanksein zu tun, sondern ist aus medizinischer Sicht eigentlich ein dramatischer Wert für Untergewicht", kommentiert Dohmen. Außerdem sagten solche Zahlen nur wenig über den tatsächlichen Anteil von Körperfetten aus. Denn bei einem etwas höheren BMI von 24 oder 25 müsse man noch lange nicht übergewichtig sein: "Dabei kann es sich auch um Muskelmasse handeln. Das kommt vor allem bei Jugendlichen vor, die Leistungssport betreiben", so Dohmen.

Doch solche Erkenntnisse scheinen an vielen Teenagern abzuprallen. Sie eifern weiter ihren superdünnen Vorbildern nach. Denn nur durch "perfekte Modelmaße", die es zu erreichen gilt, fühlen sie sich attraktiv, sexy und von ihrem Umfeld akzeptiert.

Mädchen im Abspeckwahn haben oft vollschlanke Mütter

Der erste Schritt zur "Traumfigur" ist für viele Mädchen zunächst eine Diät. Dabei spiegeln sich in ihrem Bestreben dünner zu werden oftmals auch die Wünsche ihrer Mütter wider, weiß Dohmen. Denn zahlreiche Mädchen, die abspecken wollten, hätten Mütter, die vollschlank seien und seit langem mit immer neuen Diäten gegen ihre überschüssigen Kilos ankämpften. "So was schauen sich die Kinder natürlich ab. Das Essverhalten in der Familie hat deshalb eine wichtige Vorbildfunktion."

Diäten: Kinder arbeiten konsequent gegen ihren Körper

Wie verbreitet Diäten unter Teenagern sind, belegen Zahlen, die im vergangenen Jahr von der Bundesregierung veröffentlicht wurden: Danach fühlen sich knapp die Hälfte der Mädchen und etwa 22 Prozent der Jungen zwischen elf und 17 Jahren zu dick. Und rund ein Viertel der weiblichen und ein Zehntel der männlichen Heranwachsenden hatten bereits Erfahrungen mit Diäten gemacht.

Ernährungsberaterin Dohmen hält diese Entwicklung für besorgniserregend, denn in den meisten Fällen verordneten sich die Jugendlichen die Abnehmkuren selbst - ohne medizinische Kontrolle und Betreuung: "Solche Diäten sind deshalb so gefährlich, weil sie meist sehr einseitig und extrem niederkalorisch sind. Dabei wird der Stoffwechel viel zu weit herunter gefahren.

Gesundheitliche Schäden wie Haarausfall, Pickel, Ausbleiben der Periode, Eisenmangel oder sogar Herz-Rhythmusstörungen können die Folge sein." Deshalb rät die Expertin grundsätzlich von solchen Diäten vor allem bei Heranwachsenden ab. Denn Einseitigkeit bedeute immer auch Mangel. Die Kinder arbeiteten so konsequent gegen ihren Körper. Immerhin hätte ein Teenager normalerweise einen Energiebedarf von 3000 und nicht von 1000 Kalorien.

Eine Diät löst die nächste ab

Die negativen Folgen für die Gesundheit können sich jedoch noch verstärken, wenn es nicht nur bei einer Diät bleibt. "Die meisten Mädchen, die mir von ihren Diäten berichten, halten meist nicht lange durch", erzählt Dohmen. "Schnell leiden sie an Heißhungerattacken, geben dem nach und brechen deshalb nach kurzer Zeit ab, bevor sie sich dann einer neuen 'Wunderdiät' zuwenden." Dies sei oft der Beginn eines fatalen Teufelskreises, so die Ernährungswissenschaftlerin, und nicht selten der Einstieg in eine Essstörung wie etwa Magersucht oder Bulimie.

Essen soll nicht Last, sondern Lust sein

Wie können Jugendliche aber lernen, sich gesund zu ernähren ohne gefährliche Diäten? "Es ist gar nicht so leicht, von eingefahrenen Gewohnheiten zu lassen", kommentiert Dohmen. "Viele Teenager haben einfach verlernt auf ihr Inneres zu hören und ihr Essverhalten nach echtem Hungergefühl und Sättigungsgefühl zu richten. Sie sehen nur die Kalorien und zählen."

Um hier nachhaltig etwas zu ändern, ist es vor allem an den Eltern, Vorbild zu sein und ausgewogener Ernährung mit viel Obst und Gemüse bei gemeinsamen Familienmahlzeiten einen hohen Stellenwert einzuräumen und Essen als etwas Gutes zu zelebrieren: "Kinder müssen lernen, dass Essen keine Last, sondern Lust bedeutet und dass sie zusammen mit der Familie erleben, wie sinnlich und kommunikativ eine gute Mahlzeit sein kann, die auch satt machen darf - ohne schlechtes Gewissen. Der Genuss sollte im Vordergrund stehen. Das können Väter und Mütter schon vorleben, wenn die Kinder noch klein sind."

Und außerdem, so Ernährungsberaterin Dohmen, sei es wichtig das Selbstbewusstsein der Teenager zu stärken und ihnen konsequent zu vermitteln, dass sich ihr Wert nicht nur über eine schlanke Figur definiere. Auch wer keine Modelmaße habe, sei attraktiv und liebenswert.

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