Wachstum hormonell gestoppt Charley wird für immer Kind bleiben
Charley Hooper kann weder sprechen noch laufen. Wenn die Zehnjährige das Haus verlässt, dann oft in den Armen ihrer Eltern. Mit ihren 1,30 Metern und 24 Kilogramm lässt sich die Neuseeländerin noch gut tragen. Damit dies so bleibt, haben die Eltern eine radikale Entscheidung getroffen und das Wachstum hormonell stoppen lassen.
Charley wird nie größer werden, als es normalerweise Acht- oder Neunjährige sind. Doch nur so könnten sie ihrer Tochter weiterhin zumindest ein bisschen Teilhabe an der Normalität bieten, argumentieren die Eltern. "Wir hindern sie an nichts. Weiteres Wachsen hätte sie an vielem gehindert", sagt Mutter Jenn. "Wir haben ihr keine Chancen genommen, die ihr nicht ohnehin schon genommen waren."
Umstrittener Wachstumsstopp
Sowohl in ihrer Heimat Neuseeland als auch in den USA und Europa ist Charley kein Einzelfall. Immer wieder wenden sich Eltern an Ärzte mit der Bitte, das Wachstum ihres schwerstbehinderten Kindes anzuhalten, um sein Leben nicht noch weiter zu beeinträchtigen. Die Praxis ist stark umstritten. Während Eltern wie Jenn und Mark Hooper darin den einzigen Weg sehen, ihrem Kind zu helfen, kritisieren viele den Wachstumsstopp als Menschenrechtsverletzung.
"Menschen sollten das Recht haben, zu wachsen und die Menschen zu sein, die sie sind", betont Margaret Nygren vom amerikanischen Behindertenverband AAIDD. "Wollten Sie eine solche Behandlung ohne Ihre Zustimmung oder Ihr Wissen?" Für die Hoopers gehen solche Fragen an ihrer Wirklichkeit vorbei: Ihre Fragen an Charley stoßen ins Leere, sie können nur raten, was ihre Tochter will.
Charleys Willen können die Eltern nur raten
Charley kann ihre Glieder nicht steuern, ihr Kopf muss ständig gestützt werden. Die Eltern versuchen, die Empfindungen des Mädchens anhand der Tonhöhe und Lautstärke des Stöhnens zu erahnen. Und daran, ob das Gesicht entspannt wirkt oder verzerrt. Die warme Sonne kann eine Art Lächeln auf Charleys Gesicht zaubern, doch niemand weiß, ob es nur ein Muskelreflex ist.
Auf die Idee, Charleys Wachstum Einhalt zu gebieten, kamen Jenn und Mark Hooper, nachdem sie vom Fall Ashley gelesen hatten. Die 1997 in Seattle geborene, schwer geistig behinderte Ashley gilt als Präzedenzfall der umstrittenen Methode.
Gebärmutter wurde entfernt
Ihre Geschichte wurde 2006 in einer Medizinfachzeitschrift beschrieben. Ärzte verabreichten Ashley Hormone, die das Wachstum bremsten, und entfernten die Gebärmutter und die sich entwickelnden Brustwarzen. Auch bei Charley wurde der Uterus entfernt, um ihr mögliche schwere Regelschmerzen zu ersparen, wie ihre Mutter sie hat. Die geliebte Tochter würde ohnehin nie Sex haben können, geschweige denn ein Baby zur Welt bringen, erklärten die Eltern.
Bereits in den 1950er und 1960er Jahren wurden Hormone zum Wachstumsstopp an Mädchen verschrieben, die sonst vermutlich eine extreme Größe erreicht hätten. Inzwischen berichten immer mehr Ärzte über Therapie-Bitten von Eltern schwerstbehinderter Kinder.
Viele Ärzte verweigern Hormonbehandlung
In einer Umfrage der Kinderendokrinologie-Gesellschaft PES, deren meiste Mitglieder in den USA praktizieren, gaben 32 von 284 antwortenden Medizinern an, mindestens einmal eine solche Anfrage erhalten zu haben. Viele Ärzte lehnen das Ansinnen als unethisch ab und verweigern eine solche Behandlung.
Charleys Eltern konnten einen Kinderendokrinologen in Auckland überzeugen. Doch die örtliche Ethikkommission lehnte die Therapie ab. Mutter Jenn schlug vor, die Behandlung im Ausland zu beginnen und fragte an, ob sie dann in Neuseeland fortgesetzt werden könnte. Jetzt stimmte die Kommission zu. Die Eltern nahmen die Hormongabe in Südkorea auf. Schon nach wenigen Tagen habe ihre Tochter weniger Anfälle gehabt, die Glieder seien biegsamer geworden, berichten die Hoopers. Bis Charley aufhörte zu wachsen, dauerte es fast vier Jahre.
"Wir machen ihr das Leben so schön wie möglich"
Jetzt nehmen die Eltern sie mit zum Einkaufen, zum Urlaub nach Bali und zu allem, von dem sie denken, dass es ihr gefallen würde. Sie wiegen sie in den Armen und besänftigen sie auf ihrem Schoß. Das wäre nicht möglich, wenn Charley größer würde, betonen sie.
"Wir gehen nicht davon aus, dass sie ewig lebt. Wir wollen nicht, dass sie ewig lebt. Wer würde immer so leben wollen?" sagt die Mutter. "Deshalb machen wir ihr das Leben so schön wie möglich, so lange wir sie haben."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.