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Hat Papst Franziskus nun alle Sympathien verspielt?


Fragwürdige Erziehungstipps
Papst befürwortet "würdevolles Schlagen" von Kindern

dpa, t-online, ap, mmh

Aktualisiert am 17.02.2016Lesedauer: 6 Min.
Papst Franzsikus gibt fragwürdige ErziehungstippsVergrößern des Bildes
Papst Franziskus löst mit seinem Statement zur körperlichen Züchtigung heftige Kritik aus. (Quelle: reuters)
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Der Papst erntet für fragwürdige Erziehungstipps heftige Kritik: Die eigenen Kinder zu schlagen ist aus Sicht von Papst Franziskus in Ordnung - solange dabei deren Würde geachtet werde. Das erklärte das Kirchenoberhaupt diese Woche bei seiner Generalaudienz, die der Rolle von Vätern in der Familie gewidmet war. Eine inakzeptable Aussage, wie Politiker und der Deutsche Kinderschutzbund klarstellen.

Bei der Gelegenheit gab Franziskus preis, was für ihn einen guten Vater ausmache. Dies sei jemand, der vergebe, aber "mit Bestimmtheit zu korrigieren" vermöge, ohne dabei das Kind zu entmutigen. Diese Aussagen haben einen wahren Shitstorm ausgelöst. Eltern sind wegen der Äußerung des katholischen Kirchenoberhauptes aufgebracht. Davon abgesehen verbieten Gesetze in vielen Ländern körperliche Züchtigung.

Was haben Schläge mit Würde zu tun?

Bei der Audienz erzählte der Papst eine Anekdote: "Einmal habe ich einen Vater bei einem Treffen mit Ehepaaren sagen hören: 'Ich muss manchmal meine Kinder ein bisschen schlagen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu demütigen'".

"Wie schön!," meinte Franziskus. "Er weiß um den Sinn der Würde. Er muss sie bestrafen, aber tut es gerecht und geht dann weiter."

Vatikan: "Revolution der Normalität"

Auf Nachfrage verteidigte Vatikan-Vertreter Thomas Rosica die Thesen des Papstes. Dieser habe ganz offensichtlich nicht über Gewalt oder Grausamkeit gegenüber Kindern gesprochen, sondern vielmehr darüber, "jemanden zu Wachstum und Reife zu verhelfen." Wer habe nicht schon einmal sein Kind gezüchtigt oder sei von den Eltern gezüchtigt worden, schrieb Rosica in einer Email weiter.

Zudem verwies er auf Franziskus' Umgang mit Kindern. "Schauen Sie sich an, wie der Papst auf Kinder zugeht und lassen Sie die Bilder und Gesten für sich selbst sprechen." Darauf irgendetwas anderes ableiten oder verzerren zu wollen enthülle ein größeres Problem bei jenen, die offenbar einen Papst nicht verstanden hätten, der eine Revolution der Normalität eingeläutet habe, was einfache Sprache und Gesten anbelange, erklärte Rosica.

Papst-Sprecher Federico Lombardi zu der kontroversen Aussage von Franziskus über die Erziehung von Kindern. "Der Papst hat nicht dazu eingeladen, Kinder zu schlagen. Wie ganz richtig beobachtet wurde, zeigt der Papst gegenüber Kindern immer große Zuneigung und Zärtlichkeit."

Eine Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz erklärte: "Wir kommentieren den Papst nicht."

Unicef - sozusagen Initiator und Hüter der UN-Kinderrechtskonvention - wollte auf Anfrage von t-online.de die umstrittene Papst-Äußerung nicht kommentieren, die Position liege nicht im Detail vor und sei sicherlich interpretationsbedürftig heißt es.

Kontraproduktiv für den Kinderschutz

"Für die Arbeit von Kinderschützern ist eine solche Äußerung kontraproduktiv", sagte die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth gegenüber t-online.de. "Wir finden es sehr schade, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche das Schlagen von Kindern als Strafe erlaubt", so die Kinderschutzexpertin. Ob ein Klaps auf den Po oder eine Ohrfeige - jegliche Form des Schlagens entwürdige und demütige die Kinder. "Solch eine Aussage verunsichert Eltern. Hier wäre eine eindeutige Aussage des Papstes wichtig." Dabei lehnen über 90 Prozent aller Eltern in Deutschland Gewalt in der Erziehung ab.

Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung, so legt es das Bürgerliche Gesetzbuch in Deutschland fest. "Das ist gut formuliert, weil es eindeutig körperlichen Strafen umfasst , da gibt es keine Unsicherheit, das ist ein ganz klares Votum", stellt Honkanen-Schoberth klar und sendet eine Botschaft an die Anhänger überholter Erziehungsmethoden: "Ein Klaps hat noch keinem geschadet - das ist die Erziehungshaltung aus dem letzten Jahrhundert. Wir hoffen nicht, dass sich Menschen mit dieser Auffassung durch die Äußerung des Papstes bestärkt fühlen.“

Für gewaltbereite Eltern gäbe es auch Hilfsangebote. "Es ist keine Schande, wenn einem einmal die Hand ausrutscht, aber wenn es immer wieder passiert, dann sollten Eltern sich Hilfe holen. Denn Eltern sind auch Vorbilder, von ihnen lernen Kinder dann, dass Schläge ein probates Mittel der Erziehung sind und wenden das selbst auch gegenüber anderen Kindern an. Dann werden sie als aggressiv abgestempelt, das setzt eine Spirale der Gewalt in Gang."

Doch die Äußerung ist in der Welt und Twitter-User schütten Spott, Häme und Kritik über das Kirchenoberhaupt - den "Watschnpapst" und den Vatikan. Im Internet war die Empörung groß. "Völlig daneben: Ein "Klaps" für Kinder sei in Ordnung, so der #Papst.", twitterte die Grünen-Chefin Simone Peter. "Alltägliche Gewalt gegen Kinder darf so nicht verharmlost werden!" Anderer Nutzer auf Twitter schrieben "Wer Kinder schlägt ist armselig" oder "Ganz so modern ist er doch nicht."

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, SPD, hält die umstrittenen Äußerungen von Papst Franziskus für inakzeptabel: "Es gibt kein 'würdevolles' Schlagen von Kindern. Jegliche Gewalt gegen Kinder ist vollkommen inakzeptabel."

Es sei klar, dass es kein würdevolles Schlagen gibt, sagte eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums in Berlin. "Jegliche Gewalt gegen Kinder ist vollkommen inakzeptabel." In Deutschland gelte das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem das Recht von Kindern auf gewaltfreie Erziehung festgeschrieben sei. Die Vizepräsidentin des Bundestages, Claudia Roth, kritisierte die Worte ebenfalls. "Die Äußerung des Papstes zeigt, dass trotz seiner vielen guten Ansätze weiter ein eher mittelalterliches Denken in großen Teilen der Katholischen Kirche vorherrscht", sagte sie der Zeitung "Die Welt".

Das Oberhaupt der Katholiken hat schon mehrfach mit seinen spontanen Aussagen großes Aufsehen erregt. Erst vor kurzem hatte er mit der Bemerkung, Katholiken sollten sich nicht wie "Karnickel" vermehren, einerseits viele Lacher auf seiner Seite gehabt, andererseits aber auch die Kritik kinderreicher Familien auf sich gezogen.

Harsche Kritik der UN-Menschenrechtskommission

Mitglieder eines UN-Menschenrechtskomitees hatten an der Haltung der katholischen Kirche zur Prügelstrafe erst im vergangenen Jahr harsche Kritik geübt. Das Gremium hatte die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention unter die Lupe genommen. Hintergrund waren Berichte über weit verbreiteten körperlichen Missbrauch in katholisch geführten Schulen und Institutionen.

Im Abschlussbericht erinnerten Komiteemitglieder den Heiligen Stuhl daran, dass die Konvention ausdrücklich alle Unterzeichner dazu aufrufe, alle rechtlichen und pädagogischen Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor allen Formen von physischer und mentaler Gewalt zu ergreifen. Das gelte auch unter Obhut der Eltern.

Missbrauch: Auch Kirche muss sich an UN-Kinderrrechtskonvention halten

Vor diesem Hintergrund wurde dem Heiligen Stuhl nahegelegt, nicht nur seine eigenen Gesetze zum Verbot der Prügelstrafe anzupassen, sondern Wege zu deren Umsetzung in katholischen Schulen und Einrichtungen in der ganzen Welt zu finden.

Der Vatikan argumentierte, dass er Prügelstrafe in keiner Weise fördere. Doch habe man keine rechtliche Handhabe, ein entsprechendes Verbot in katholischen Kirchen durchzusetzen. Im Übrigen sei man nur dafür verantwortlich, die UN-Kinderrechtskonvention innerhalb des Vatikanstaats umzusetzen, hieß es.

39 Länder verbieten Prügelstrafe

In rund 39 Ländern ist die Prügelstrafe in jeglicher Form verboten, auch in Familien. Zu diesen Staaten zählen Deutschland, Schweden, der Südsudan und Turkmenistan. In den USA können Eltern ihre Kinder laut Gesetz schlagen, solange die Gewaltanwendung sich in einem "vernünftigen" Rahmen bewege. In 19 US-Staaten ist dem Schulpersonal das Schlagen junger Menschen noch immer gestattet.

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Befreiungsschlag der 68er

Die gesetzliche Verankerung des Verbots ist noch relativ jung. Die Autorin Ingrid Müller-Münch beschreibt in ihrem Buch "Die geprügelte Generation" die Vorgeschichte. Das Ende der "bleiernen Zeit" und ihrer eisernen Pädagogik kam mit den "68ern", dieser mittlerweile erwachsen gewordenen "geprügelten Generation", die dann den Befreiungsschlag vollzog.

Dem Kind immer respektvoll auf Augenhöhe begegnen

"Natürlich muss man als Mutter oder Vater Grenzen setzen. Dabei sollte man aber immer verständnisvoll sein, sein Kind ernst nehmen und mit Respekt behandeln - ihm auf Augenhöhe begegnen."

Mit einer ähnlichen Grundhaltung versuchen heute viele Eltern, ihre Kinder zu glücklichen und selbstbewussten Menschen zu erziehen. Auch zahlreiche Experten wie etwa der renommierte dänische Familientherapeut Jesper Juul, predigen immer wieder, Kinder niemals "klein" zu machen, sondern ihnen immer das Gefühl zu geben, "gleichwürdig" zu sein.

Studien: Elterliche Gewalt gegen Kinder gibt es nach wie vor

Trotz der gesellschaftlichen Umwälzungen der letzen Jahrzehnte, dauerte es sehr lange, bis die Politik beschloss, dass Kinder ein Recht darauf haben, ohne Schläge und Prügel groß zu werden. Erst im Jahr 2000 formulierte der Bundestag ein Gesetz (Paragraf 1631, Bürgerliches Gesetzbuch): "Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig."

Ungeachtet dieser rechtlichen Grundlagen ist es jedoch auch heute keine Selbstverständlichkeit, dass Kinder gewaltfrei erzogen werden. Nach wie vor sind nicht wenige Mütter und Väter der Überzeugung, dass ab und an eine Ohrfeige oder eine Klaps auf den Po ein angemessenes pädagogisches Mittel sei. Das ergab vor zwei Jahren eine Forsa-Studie, in der sich 40 Prozent der befragten Eltern so äußerten. Ähnliches bestätigte die "Gewalt-Studie" der Uni Bielefeld, in der fast ein Viertel der befragten Kinder und Jugendlichen angab, oft oder manchmal von Erwachsenen geschlagen zu werden. Der Kinderschutzbund Deutschland schätzt, dass drei Kinder pro Woche an den Folgen von Misshandlung sterben.

"Kinder, die in der Familie Gewalt und Erniedrigung erleben, sind traumatisiert und leiden oftmals ein Leben lang an einem gestörten Selbstwertgefühl", so Autorin Müller-Münch. "Bekommen sie keine Unterstützung, besteht das Risiko, dass sie später möglicherweise an Depressionen leiden oder selbst gewalttätig werden und denselben Impulsen nachgeben wie ihre Eltern."

Wenn Sie uns Ihre Erfahrungen und Meinung zu diesem Thema schreiben wollen, wenden Sie sich bitte per Mail an die Redaktion: redaktion_eltern@telekom.de mit dem Betreff "Erziehung".

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