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Kindesunterhalt: Warum viele Väter nicht zahlen wollen


Zoff um Geld
Warum Unterhaltspreller ihren Kindern den Geldhahn zudrehen

Die meisten alleinerziehenden Mütter kennen das: Viele durchaus solvente Väter zahlen nach einer Trennung nichts, zu wenig oder unregelmäßig. Dahinter steckt nicht etwa mangelnde Liebe zum Kind, sondern die Unterhaltsverweigerer haben die Ex-Partnerin im Visier.

30.09.2016|Lesedauer: 6 Min.
t-online, Silke Asmußen
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Um die Zahlungsmoral von Vätern nach der Trennung von der Familie ist es in Deutschland düster bestellt. Weil viele ihre Unterhaltsverpflichtungen nicht erfüllten, mussten Bund und Länder im Haushaltsjahr 2014 Unterhaltsvorschuss in Höhe von etwa 840 Millionen Euro leisten. Diese Zahl nennt das Bundesfamilienministerium.

Nach einer Trennung streiten viele Paare um den Kindesunterhalt.Vergrößern des Bildes
Nach einer Trennung streiten viele Paare um den Kindesunterhalt. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die bei der Auszahlung von Hartz IV einspringt, wenn Unterhaltspflichtige nicht zahlen können oder wollen, zeigen außerdem, dass der Großteil der Unterhaltspreller nicht unter Geldnot leidet. Von etwa 510.000 Unterhaltspflichtigen, für die die BA zum August 2014 nach eigenen Angaben aufkam, waren nur 87.000 nachweislich nicht leistungsfähig. Neue Zahlen liegen noch nicht vor.

Deutschland ein Land von Rabenvätern?

Mütter, die mit dem Ex-Partner keinen Ärger um Unterhalt haben, sind offenbar in der Minderheit. Das Forschungsinstitut Prognos hat ermittelt, dass 70 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland Schwierigkeiten haben, ihre Unterhaltsansprüche durchzusetzen. Zu einer ähnlich drastischen Einschätzung kommt Edith Schwab, Fachanwältin für Familienrecht in Speyer: Nur ein Drittel der unterhaltspflichtigen Väter zahle regelmäßig den vollen Unterhalt für die Kinder, zwei Drittel entweder zu wenig, gar nicht oder unregelmäßig, sagt die Juristin im Gespräch mit t-online.de.

Kontakt ja, Geld nein

Warum aber sperren sich diese Väter gegen die finanzielle Verantwortung gegenüber ihren Kindern? Verwandelt die Trennung der Eltern Männer vom liebevollen Papa zum Egoisten, der mit dem Nachwuchs nichts mehr zu tun haben will? Das wohl nicht, denn immerhin hielten die meisten Väter den Kontakt zu ihren Kindern - auch wenn sie kein Geld überwiesen, erklärt Schwab.

Unterhaltsschuldner abstrahieren Geld und Kind

Hintergrund ist demnach ein anderer: Die Unterhaltsverweigerer abstrahierten Geld und Kind, erläutert die Familienrechtlerin. Das heißt: Sie nehmen den Zusammenhang zwischen der Zahlung, die sie leisten müssen, und dem Bedarf des Kindes nicht wahr. Ihnen fehle zudem häufig die wirklichkeitsnahe Einschätzung ihres Beitrags zum Leben des Kindes. Nach ihrem Zahlungsverhalten gefragt, gäben Männer etwa an "Ich zahle regelmäßig", obwohl sie im Monat lediglich 50 Euro an Tochter oder Sohn überweisen würden.

Das größte Motiv zahlungsunwilliger Väter sei allerdings die Vorstellung, dass ihr Geld an die ehemalige Ehefrau oder Lebensgefährtin gehe, so die Fachfrau. Die Bedürfnisse des Kindes würden einfach ignoriert. Schon dass die Mutter das staatliche Kindergeld erhalte, sähen viele Männer nicht ein und unterstellten der Frau "damit mit dem Freund in den Urlaub zu fahren".

Alleinerziehende geben prozentual mehr Geld fürs Kind aus

Alleinerziehende Mütter verjubeln den Kindesunterhalt für sich? Wie absurd diese Vorstellung ist, deckt das Prognos-Institut in einer Broschüre für Alleinerziehende auf. 35 Prozent ihrer privaten Ausgaben wendeten Alleinerziehende für ihr Kind auf, Alleinerziehende mit zwei Kindern sogar rund 47 Prozent, heißt es darin. Zum Vergleich: Paare mit einem oder zwei Kindern kommen laut dem Institut dabei nur auf 21 beziehungsweise 33 Prozent.

Zudem fiel den Forschern auf, dass Alleinerziehende zwischen 57 und 59 Prozent der gesamten Ausgaben für ihre Kinder zur Deckung der Grundbedürfnisse - Ernährung, Bekleidung und Wohnen - ausgeben. Bei Paaren sind es nur bis zu 52 Prozent.

Gesetz gibt klare Regelung vor

Die gesetzlichen Vorgaben sehen väterliche Drückebergerei jedenfalls nicht vor. Sei ein Elternteil barunterhaltspflichtig - meist der Vater -, erziehe und betreue der andere das gemeinsame Kind 24 Stunden am Tag, stellt Schwab klar. Diese Dienstleistungen fielen mehrheitlich der Mutter zu. Doch genau das registrierten viele zahlungsunwillige Väter ebenso wenig wie den tatsächlichen finanziellen Aufwand, der notwendig sei, um ein Kind großzuziehen.

Ein Beispiel aus der Praxis der Anwältin verdeutlicht, was die mütterliche Erziehungs-und Sorgeleistung wert ist: Nach einem nicht verschuldeten Verkehrsunfall fiel eine Mutter von zwei Kindern für zwei Wochen aus. Die Frau brauchte daher häusliche Unterstützung, für die sie von der gegnerischen Haftpflichtversicherung 4000 Euro erhielt - kein Vergleich mit den viel geringeren Beträgen, die die Düsseldorfer Tabelle für die meisten unterhaltspflichtigen Väter vorsieht.

Väter tricksen, um Unterhalt zu drücken

In vielen Familien wird gestritten - um das Geld für den nächsten Schulausflug, den Beitrag für den Sportverein oder neue Klamotten. Die Studie "Alleinerziehende unter Druck" der Bertelsmann Stiftung beleuchtet die Gründe: Der unterhaltspflichtige Elternteil muss zwar anteilig zum "sächlichen Existenzminimum" des Kindes beitragen, dazu zählen Essen und Kleidung. Aus dem Rahmen fallen aber Kosten für "soziokulturelle Bedarfe", wie etwa Ausgaben für die Freizeitgestaltung. Die Studienautoren fassen zusammen: Die Unterhaltskosten für Kinder seien zu niedrig angesetzt.

Um sich aus der finanziellen Affäre zu ziehen, wird dennoch mancher Vater äußerst kreativ - und stellt seine finanzielle Situation bewusst schlechter dar, als sie ist. Auf Schwabs Schreibtisch landete etwa der Fall eines Außendienstmitarbeiters, der zur Unterhaltsermittlung nur den Gehaltszettel eines Monats vorgelegte, in dem er wenig verdient hatte. Trotz des Hinweises der Mutter an das Jugendamt, ihr Ex-Partner habe gewöhnlich ein höheres Einkommen, hakte die Behörde nicht nach, die Frau musste ihren Anspruch vor Gericht einfordern.

Unterhaltsschwindler schreckt vor Kündigung nicht zurück

Ein anderer Mann habe nicht davor zurückgeschreckt, seinen gut dotierten Job bei einem Autobauer zu kündigen, um sich um den Unterhalt zu drücken, erzählt die Anwältin weiter. Vor Gericht habe er sogar einen - falschen - Offenbarungseid geschworen und behauptet, er beziehe Arbeitslosengeld II, also Hartz IV. Nach einigen Monaten war der Unterhaltsschwindler Schwab zufolge zurück in seinem alten Job. Sein dreister Trick flog auf, als seine ehemalige Partnerin vor Gericht zog.

Als problematisch sieht die Juristin, dass vor den Familiengerichten Umgang und Unterhalt auseinandergehalten werden. Das ermögliche zum Beispiel, dass ein materiell besser gestellter Vater seine Situation ausnutze, um das Kind auf seine Seite zu ziehen, sagt sie. Was nicht heiße, dass er auch die Erziehungsaufgabe übernehmen wolle oder auch nur die Defizite sehe, die das Kind außerhalb der Besuchszeiten beim "reichen" Vater umgäben.

Erwachsene Kinder werden abgespeist

Richtig schwierig wird es häufig, wenn das Kindes volljährig wird. Zu dem Zeitpunkt weigern sich zahlreiche Väter, Geld auf das Konto der Mutter zu überweisen - das Kind braucht ein eigenes Konto. In der Folge haben Alleinerziehende Stress, dem Nachwuchs ihren Anspruch auf den Großteil des Unterhaltes klarzumachen, sagt Fachanwältin Schwab. Für manche Frau ist das allerdings die geringere Sorge.

Gerangel um Geld für 18-Jährige wird für Vater teuer

"Magdalenas Vater hat zu ihrem 18. Geburtstag die Unterhaltszahlungen einfach gestoppt - obwohl sie damals noch zur Schule ging", erzählt eine betroffene Mutter gegenüber t-online.de. Seine Tochter ließ der gut situierte Mediziner demnach wissen: Wenn sie weitere Zahlungen wünsche, solle sie zunächst die dazu notwendigen Unterlagen vorlegen - wie etwa eine Bescheinigung über die Dauer des Schulbesuchs.

Dabei sei ihr Ex-Partner sehr gut darüber informiert gewesen, dass die gemeinsame Tochter erst ein Jahr später das Abitur machen würde, so Magdalenas Mutter. Der Anwalt des Arztes habe das Unterhaltsgerangel trotz Vorlage der verlangten Dokumente noch über Monate hinausgezögert. Die Frau schaltete schließlich ebenfalls eine Anwältin ein. Der Vater der Schülerin wurde am Ende mit einer saftigen Unterhaltsnachzahlung plus den Anwaltskosten beider Seiten zur Kasse gebeten.

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Später habe sie vom Bruder ihres Ex-Lebensgefährten erfahren, dass sich vor allem die neue Ehefrau von Magdalenas Vaters gegen jede Unterstützung für das fremde Kind gestemmt hatte, berichtet die Mutter. Nach Magdalenas Schulabschluss sei endgültig kein Unterhalt mehr geflossen. Von der Möglichkeit, deshalb gegen den Vater vor Gericht zu ziehen, habe ihre Tochter gewusst, für das Mädchen sei das aber nicht in Frage gekommen.

Mutter kann für volljähriges Kind Prozess führen

Das ist kein Einzelfall: Einen Prozess gegen den Vater, der den Geldhahn zudreht, wolle kaum ein erwachsenes Kind führen, bestätigt Schwab. Da auch das Jugendamt für den jungen Menschen über 18 nicht mehr zuständig sei, bliebe nur eine Option, um den Unterhalt durchzusetzen: Das Kind könne seine Ansprüche an die Mutter abtreten und ihr die Vollmacht zur Prozessführung erteilen, um in seinem Namen den Unterhalt einzuklagen.

Denn so traurig es ist: Mit sachlicher Argumentation allein lassen sich zahlungsunwillige Väter meist kaum zur Einsicht bringen, zumindest, solange sich diese von Emotionen gegenüber der einstigen Partnerin beherrschen lassen, statt sich auf das Wohl ihres Kindes zu konzentrieren. Der Rat von Edith Schwab für alleinerziehende Frauen lautet daher, stets einen vollstreckbaren Unterhaltstitel anzustreben - zum Beispiel mit Unterstützung einer vom Jugendamt vermittelten Beistandschaft. Ein solcher Titel bildet eine solide Grundlage vor Gericht.

Führerschein weg, bis Unterhalt fließt

Eine praktikable Maßnahme, Unterhaltsschuldnern rasant auf die Sprünge zu helfen, könnten die deutschen Behörden zudem aus anderen Ländern - etwa Großbritannien und den USA - adaptieren: Die dortigen Behörden haben die Möglichkeit, uneinsichtigen säumigen Vätern den Führerschein oder sogar den Reisepass zu entziehen. Die Methode soll die Zahlungsbereitschaft der Herren deutlich gesteigert haben.

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