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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trennungsgrund Kind Wenn das Elternsein in die Krise führt
Kinder bedeuten für viele Paare die Krönung ihres Glücks. Gleichzeitig kann das Familienleben zur größten Herausforderung werden. Die Rollen von Mann und Frau verändern sich: Aus einem Liebespaar werden Eltern, aus Zweisamkeit wird "Mehrsamkeit". Doch so einfach diese Formel klingt, so schwierig ist sie im Alltag. Nicht wenige Beziehungen scheitern daran. Diese Tipps können helfen, damit es nicht so weit kommt.
"Das ist mir alles zu viel", mit diesen Worten verabschiedete sich Jan (Name geändert) vor zwei Jahren, als er die Wohnung verließ, wo er bis dahin mit seiner Freundin Mira und der gemeinsamen Tochter wohnte. Der Familienalltag mit einem Kleinkind war dem jungen Vater über den Kopf gewachsen, erzählt die junge Mutter. Doch der Abschied kam in Raten: "Wir haben es ja versucht als frischgebackene Eltern. Jan hatte sogar sein Studium unterbrochen, um mehr Geld zu verdienen. Aber auch der Alltag mit der Kleinen war stressig. Immerzu schrie sie und an einen regelmäßigen Tages- oder Nachtrhythmus war nicht zu denken."
Die Folge waren Schlafmangel, Erschöpfung und Desillusionierung: "So hatten wir uns das nicht vorgestellt", erinnert sich Mira. "Immer öfter gab es Zoff, weil die Nerven blank lagen. Auch hatten wir keine Zeit mehr zu zweit. So begann Jan irgendwann abends mit Freunden um die Häuser zu ziehen, flüchtete sich in Ablenkungen. Ich blieb mit dem Kind zuhause und fühlte mich völlig im Stich gelassen." Nach einem Jahr zog Tim dann aus. Ein Paar sind er und Mira nicht mehr, aber er sieht seine kleine Tochter regelmäßig. "Ich glaube, wenn wir kein Baby bekommen hätten, wären wir vielleicht heute noch zusammen. Eigentlich waren wir mal ein super Team", so das nachdenkliche Resümee der jungen Mutter.
Kinder sind eine Feuerprobe für die Beziehung
Dass solche Erfahrungen keine Seltenheit sind, spiegelt sich auch in statistischen Zahlen wider. Bei etwa der Hälfte aller Scheidungen haben die Paare laut Statistischem Bundesamt minderjährige Kinder. 40 Prozent dieser Trennungen finden bereits im ersten Jahr nach der Geburt des ersten Kindes statt. Ohne Trauschein ist das Trennungsrisiko wahrscheinlich noch höher. Doch woran liegt das?
Diplompädagogin und Paar- und Familientherapeutin Susanne Kühn-Heinrich sieht als einen Grund für solche Krisen, dass die Eltern häufig nicht genug darauf vorbereitet seien, was Elternschaft überhaupt bedeute. Gegenüber der Eltern-Redaktion von t-online.de sagt sie: "Bevor ein Paar zu Vater und Mutter wird, ist ihm oft nicht klar, dass ein Kind das Leben völlig umkrempelt und die Umstellung sehr anstrengend ist. Ein Kind ist eine Sollbruchstelle, eine echte Feuerprobe in der Beziehung." Denn wenn ein schreiendes 53-Zentimeter-Wesen das Licht der Welt erblickt, ist nichts mehr, wie es war: Schlaflose Nächte, Müdigkeit, keine Spontanbesuche im Restaurant und keine romantischen Spritztouren mehr in eine angesagte Metropole. "Die Ernüchterung ist nach der Geburt enorm", so Susanne Kühn-Heinrich. "Jeder versucht zwar sein Bestes, aber es scheint nicht zu reichen. Da keine Entspannung aufkommt, gelingt es auch nicht sich gegenseitig zu umwerben, wie in der ersten Zeit des Verliebtseins."
Eltern bauen sich eine "Unverwundbarkeitsillusion" auf
Dieser Umbruch trifft die junge Elterngeneration von heute besonders hart, die mehr als etwa frühere Generationen auf der Suche nach Maximierung ihres individuellen Glücks ist und große Freiheit und Unabhängigkeit gewöhnt ist. Die Professorin am Institut für Pädagogische Psychologie und Soziologie in Ludwigsburg, Dr. Barbara Reichle, erforscht seit Jahren den Übergang von Paaren in die Elternschaft und bietet dazu auch als Vorbereitung auf den neuen Lebensabschnitt das Programm "Elternstart" an.
Die Psychologin hat dabei die Erfahrung gemacht, dass sich viele Paare im Vorfeld eine "Unverwundbarkeitsillusion" aufbauten, damit sie sich überhaupt trauten, eine Familie zu gründen. Viele angehende Elternpaare betrachteten die Dinge deshalb gerne durch eine rosarote Brille, sagte sie gegenüber "Brigitte", und stellten sich ihre Zukunft weitgehend unbeeinflusst vom Kind vor, außer dass ein liebevoll ausgestattetes Kinderzimmer und ein schicker Kinderwagen angeschafft würden. Das perfekte Scheinbild sei eines, in dem sich trotz der Kinder so wenig wie möglich ändere.
Er arbeitet, sie kümmert sich um die Kinder
Schwer wiegt auch die Umstellung des beruflichen Werdegangs, von der vor allem die Frauen betroffen sind. Laut des Familienreports 2010 fanden es über 60 Prozent der Männer ideal, wenn die Frau in den ersten Kinderjahren beruflich zurücksteckt. Das fanden aber nur rund 37 Prozent der Frauen. Sie wünschten sich Familienglück und ein erfülltes Berufsleben. Eine Statistik, die Konfliktpotenzial enthält. So schlittern immer noch viele eher aus pragmatischen Erwägungen als aus Überzeugung in das klassische Familienmodell: Er arbeitet, weil er mehr verdient und sie kümmert sich um den Haushalt und den Nachwuchs, verzichtet auf ihren Job. Frust, Enttäuschung aber auch Ängste, den Belastungen nicht gewachsen zu sein, sind auf beiden Seiten dann häufig die Folge.
Kommunikation und Zärtlichkeit bleiben auf der Stecke
Ähnlich erging es auch Rebecca (Name geändert) und Martin. Als der Nachwuchs da war, wurde der Bankkaufmann zum Alleinverdiener und seine Frau konzentrierte sich in den ersten Jahren voll und ganz auf den häuslichen Bereich. "Da ich in dieser Zeit finanziell alles alleine schultern musste und an meiner Karriere arbeitete", berichtet Martin, "war ich nicht viel zuhause. Meine Frau managte zwar alles perfekt, aber sie war unzufrieden mit der Situation, fühlte sich nicht genug gewürdigt, mit dem was sie leistete. Ich konnte ja außerdem nicht viel helfen und war todmüde, wenn ich abends spät nach Hause kam."
Mit der Zeit hatte Martin das Gefühl nur noch das fünfte Rad am Wagen zu sein. "Meine Frau fixierte sich voll und ganz auf die Kinder. Mittlerweile war das zweite auch da. Und irgendwie waren wie beide so eingebunden, dass wir nur noch wenig Zeit hatten, uns auszutauschen. Der Großteil unserer Kommunikation diente dann dazu, den reibungslosen Alltag zu organisieren. Das endete häufig im Streit. Und irgendwie entfernten wir uns immer mehr voneinander."
Väter fühlen sich ausgegrenzt
Auch Familienexpertin Kühn-Heinrich kennt solche Fälle. Wenn die Mutter den ganzen Tag mit dem Kind verbringe, werde es nicht selten statt des Partners zum engen Vertrauten und der Vater gerate so in den Hintergrund. Alle Aufmerksamkeit gehöre dann dem Nachwuchs. "Es ist aber nicht so", erläutert die Therapeutin, "dass nur die Frauen ihr Kind auf einen Thron heben. Auch die Männer tun das. Die klassischen Hierarchien werden so ausgehebelt. Vater und Mutter tanzen dann um ihr Kind, wie um das goldene Kalb und sehen dabei allzu häufig ihre Paarbeziehung nicht mehr."
Durch diese verzerrte Orientierung und die Spannung, die sich durch die Lebenssituation aufbaut, kann oftmals konfliktfreie Kommunikation nicht mehr stattfinden. "Man spricht dann irgendwann nicht mehr über seine Gedanken und Träume. Das ist ein Teufelskreis. Denn je weniger man sich dem anderen mitteilt, desto kleiner werden die gemeinsamen Schnittmengen", so Susanne Kühn-Heinrich.
Auf diese Weise kommt es zur Entfremdung, die auch Martin mit seiner Frau erlebte. Sie fanden nach jahrelanger "Sprachlosigkeit" keinen Zugang mehr zueinander, so dass das Paar sich auch körperlich immer seltener nahe kam. Martin zog sich zurück, fühlte in seiner Männlichkeit nicht bestätigt und als Beschützer der Familie nicht gebraucht. Er flüchtete sich in seine Arbeit und lernte schließlich irgendwann eine andere Frau kennen, verliebte sich neu. "Eigentlich war Rebecca meine große Liebe", erinnert er sich " aber wir haben uns wohl gegenseitig verloren - zerschlissen am Familienalltag."
Damit es so weit nicht kommt und eine Beziehung wegen der Kinder zerbricht, können Väter und Mütter einiges tun. Hier sind hilfreiche Verhaltenstipps.