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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erste Zähne beim Baby "Zahnen ist keine Krankheit, sondern eine Entwicklungsstufe"
Schmerzen, unruhiger Schlaf, Durchfall oder Appetitlosigkeit - das Zahnen kann eine schmerzhafte Belastungsprobe für Baby und Eltern sein. Aber: Krank wird das Kind vom Durchbruch der Zähne nicht. Und Eltern sind nicht komplett hilflos.
Zahllose Mythen ranken sich um Babys erste Beißerchen. Im Jahre 1812 beschrieb der Braunschweiger Hofzahnarzt Jean Girault das Zahnen als Wurzel allen Übels, das sogar zum Tode führen kann: "Oft bemächtigt sich ein Übermaß von Wildheit ihres Körpers, an Verderbtheit, die die ganze Gemütsart erfasst." Er lastete dem Zahnen nicht nur Fieber, sondern auch Krämpfe und Zuckungen an: "Es gibt kaum eine Familie, die nicht Opfer der ersten Dentition geworden ist."
Doch nicht immer sind die Zähne der Auslöser von Infekten. Im Durchschnitt zeigt sich der erste Zahn im sechsten Lebensmonat. "Die meisten Babys sind dann abgestillt und verlieren den Nestschutz durch die übertragenen Antikörper der Mutter", erklärt der Kinderarzt Peter Thilemann aus München. "Fieberhafte Infekte werden daher häufig fälschlich mit dem Zahnen in Verbindung gebracht."
Studie widerlegt Zusammenhang mit Zahnen
Das belegt auch eine Langzeitstudie der Cleveland Clinic im US-Bundesstaat Florida. Bei 125 Kindern wurden die Symptome des Zahnens täglich dokumentiert. Mehr als insgesamt 19.000 Beobachtungstage und 475 Zahndurchbrüche ergaben, dass bei schwerwiegenderen Problemen wie Schlafstörungen, Durchfall, Nahrungsverweigerung, Erbrechen, Husten, Ausschlag oder Fieber von mehr als 38,9 Grad kein ursächlicher Zusammenhang mit dem Zahnen besteht.
"Das Zahnen ist ja auch keine Krankheit, sondern lediglich eine Entwicklungsstufe", betont Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Er vergleicht das Erscheinen der Milchzähne mit dem Zahnwechsel im Schulalter: "Da werden Erkrankungen ja auch nicht generell mit dem Ausfallen der Milchzähne erklärt."
Symptome für das Zahnen
Schon vor der Geburt warten 20 kleine Milchzähne darauf, langsam in die Höhe zu wachsen. Manche Babys bekommen schon im Alter von wenigen Wochen Zähne, doch bei den meisten zeigt sich der erste Zahn im zweiten Lebenshalbjahr. Danach kommt im Schnitt monatlich ein weiterer dazu. "Bei vielen Kindern geht das problemlos, die Eltern bemerken es manchmal gar nicht." Bei anderen wiederum zieht sich das Zahnen scheinbar endlos dahin. "Bevor die Zähne durchbrechen, kann der Zahndamm gerötet und geschwollen sein", sagt Hartmann. "Der Zahn drückt und spannt am Zahnfleisch."
Das kann sehr unangenehm sein. So wurden zehn Symptome in der Cleveland-Studie eindeutig mit dem Zahnen in Verbindung gebracht: Beißen, Zahnfleischreiben, Ohrreiben, starkes Speicheln, erhöhte Erregbarkeit, häufiges Aufwachen, vermehrtes Saugen, Hautausschläge im Gesicht, verminderter Appetit auf feste Nahrung und leichtes Fieber. "Wenn sich Symptome dieser Art zeigen, sollten Eltern diese genau beobachten", sagt Hartmann. Manchmal stecke auch etwas anderes dahinter, zum Beispiel eine Mittelohrentzündung oder ein Blaseninfekt. "Kinder, die länger als einen Tag fiebern oder plötzlich sehr unruhig sind und krank wirken, sollten in jedem Fall dem Kinderarzt vorgestellt werden."
Wie beugt man gegen Drücken und Jucken am Zahndamm vor?
Wie Eltern ihrem Baby das unangenehme Drücken und Jucken am Zahndamm erleichtern, müssen sie ausprobieren, denn jedes Baby reagiert anders. Nach Hartmanns Erfahrung reagieren viele positiv auf kühlende Gegenstände: "Ein Stück Fenchel oder Möhre aus dem Kühlschrank beschäftigt und lindert den Druck, sollte aber wegen der Gefahr des Verschluckens nur im Beisein der Eltern gegeben werden." Auch Beißringe, kalte Waschlappen oder eine sanfte Massage der Zahnleiste wirken lindernd.
Zahngels mit Kamille und Lokalanästhetika können ebenfalls helfen. Alternativ gibt man ein paar Tropfen Salbei oder Kamillenlösung in abgekochtes Wasser und trägt die Tinktur mit einem Wattestäbchen auf.
Grundsätzlich sei es wichtig, das Zahnen nicht zu dramatisieren. "Das Einschießen der Zähne ist ein wichtiger Entwicklungsschritt, sagt Thilemann. Ruhe und Zuversicht sei dabei oft das beste Beruhigungsmittel: "Entspannte Eltern übertragen die guten Gefühle auch auf ihr Kind."