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China vs. USA: TikTok-Kontroverse könnte Demokratie stärken


Tech-Krieg der Giganten
Das kann alles verändern

  • Nicole Diekmann
MeinungVon Nicole Diekmann

24.04.2024Lesedauer: 3 Min.
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
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Die Chefs von TikTok, X und Meta: Shou Chew, Linda Yaccarino und Mark Zuckerberg bei einer Anhörung vor dem US-Senat. (Quelle: IMAGO/BONNIE CASH/imago)

Ausgerechnet China könnte wider Willen dafür verantwortlich sein, dass sich digitale Ethik doch noch im Netz durchsetzt. Denn der Schlüssel dazu liegt in den Händen des asiatischen Landes.

Social Media ist auf emotionale Extreme angelegt. Wie viele Momente des Staunens, der Rührung, des Entsetzens, des Ekels haben wir schon erlebt, dank Facebook, Twitter und anderen? Seit vielen Jahren wissen wir: Es gibt nichts, was es dort nicht gibt. Highlights sind deshalb zunehmend rar gesät, denn auch Superlative sind nicht unendlich.

Ein solcher, immer seltener werdender, äußerst erstaunlicher Moment zeichnet sich aber tatsächlich aktuell am politischen Horizont ab. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Ausgerechnet China könnte sich als ein großer Treiber von Menschenrechten erweisen und die Demokratie stärken. Klingt verrückt, ist es auch – stimmt aber. Die chinesische App TikTok nämlich könnte der Auslöser sein dafür, dass endlich, endlich Zug kommt in das seit Jahren von der Politik ja bekanntlich sträflich vernachlässigte Thema "Regulierung der sozialen Netzwerke".

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".

TikTok spielt eine zentrale Rolle im schon angelaufenen US-Wahlkampf. Präziser: Das Verbot von TikTok. Denn das Verbot droht in den USA, wenn die Plattform auf dem amerikanischen Markt weiter im Besitz des chinesischen Konzerns ByteDance bleibt. Denn TikTok und die sensiblen Daten seiner Nutzer, so die gemeinsame Argumentation von Demokraten und Republikanern, fließen mutmaßlich direkt an die Machthaber in Peking. Seit Wochen erhöht man in seltener Einigkeit daher den Druck auf ByteDance, den Konzern hinter TikTok.

In Peking wiederum hat man sich inzwischen bereits revanchiert: Die US-Onlinedienste WhatsApp und Threads sind dort seit vergangener Woche nicht mehr im AppStore erhältlich. Beide gehören zum Meta-Konzern von Mark Zuckerberg. Was TikTok für China ist, sind die aus dem Hause Zuckerberg stammenden Dienste für die USA, so sieht man es also dort. Auge um Auge, wie sich das für einen ordentlichen Tech-Krieg gehört.

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Nun hält der Vergleich der politischen Systeme beider Staaten natürlich der chinesischen Interpretation nicht Stand. Was den höchst problematischen Umgang mit Daten angeht, allerdings schon – mehr noch: Während aus sehr guten und überzeugenden Gründen davon ausgegangen wird, dass TikTok in dieser Hinsicht höchst problematisch ist, hat Meta mit all seinen Plattformen (auch Facebook und Instagram gehören dazu) den Beleg dafür längst erbracht. Immer wieder tobten und toben Skandale um Datenlecks bei Meta, immer wieder muss der Konzern hohe Summen zahlen. Sehr hoch sogar – aber gemessen am unfassbar angehäuften Reichtum nicht hoch genug, um die Sensibilität ausreichend genug zu schärfen.

Es geht am Ende des Tages – entschuldigen Sie bitte die Binse – um Geld. Und wenn der Ertrag immer noch so hoch ist, dass solche Verstöße und die darauffolgende Strafe in keinem Verhältnis zueinander stehen, das ein Umsteuern erfordert – tja. Dann passiert eben nichts.

Die Aussicht für die Chinesen aber, mit den USA einen riesigen Absatzmarkt zu verlieren, könnte zum Gamechanger werden. Zu wünschen wäre es. Denn wenn dies in der laufenden Diskussion keine Rolle spielt, so ist das Gebaren der Netzwerke ja auch auf anderer Ebene höchst problematisch für unsere Demokratie: Auch Hass und Hetze werden nicht ernst genommen in ihrer verheerenden Wirkung auf unsere Debattenkultur.

USA könnte Tech-Riesen zähmen

Sollte sich der Streit nun zuspitzen, sollten die USA tatsächlich durchgreifen (um es der Fairness halber zu erwähnen: Auch die EU geht inzwischen gegen TikTok vor), dann läge endlich der Beweis dafür auf dem Tisch, dass der Gesetzgeber der mächtigen Tech-Riesen durchaus Herr werden könnte.

Das wiederum würde den Druck auf politisch Handelnde weltweit erhöhen, sich viel entschiedener stark zu machen für eine stärkere (und teurere) Moderation der Timelines. Dann könnten Facebook, X und wie sie alle heißen, endlich dazu gebracht werden, Geld auch dafür in die Hand zu nehmen, dass systematisch darauf geachtet wird, dass geltendes Recht und geltendes Menschenrecht nicht fortlaufend rund um die Uhr auf sämtlichen relevanten Plattformen vor einem riesigen Publikum mit Füßen getreten wird. Es wäre eine Ironie der Geschichte: China bereitet den Weg für mehr Humanität. Es wäre eine feine Ironie. Im Sinne von: eine sehr schöne.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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