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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hass-Aktion bewirkt Gutes Tausende spenden aus Wut gegen Krebs
Eine Kampagne gegen den Sicherheitsexperten Brian Krebs hat im Netz eine verrückte Wendung genommen: Die Abneigung gegen Krebs brachte die Seite der Deutschen Krebshilfe zum Absturz, als Tausende Nutzer auf einmal für den "Kampf gegen Krebs" spenden wollten.
Das ist die vielleicht beste Art, gegen etwas zu sein: Nach einem Bericht über die deutsche Seite pr0gramm.com hat die Wut auf den Autor einige Nutzer zu einer ungewöhnlichen Spendenaktion angeregt. Mehrere Tausend Nutzer überwiesen Geld an die Krebshilfe, um "eines der größten Probleme unserer Zeit" (Krebs) zu bekämpfen. Versehen sind viele Zahlungen mit Botschaften wie "Krebs ist scheiße". Gemünzt ist das auch auf den Sicherheitsexperten Brian Krebs, der die Identität von pr0gramm-Machern öffentlich gemacht und sich damit den Zorn zugezogen hat.
pr0gramm ist ein sogenanntes Image Board. Dort werden von den Nutzern Bilder und Videos gepostet und kommentiert. Am Dienstagabend waren dort fast nur noch Screenshots von Überweisungen für die Krebshilfe zu sehen. Google Trends zeigte, dass auch die Suchanfragen um mehrere Tausend Prozent in die Höhe schnellten.
Als die Seite der Deutschen Krebshilfe schließlich unter dem plötzlichen Ansturm zusammenbrach, kamen auch andere Organisationen in den Genuss von Spenden. Zudem erhielten auch Einrichtungen in Österreich und der Schweiz Spenden. Den Bildschirmfotos zufolge waren darunter so gut wie keine Spaßspenden mit Kleinstbeträgen. Die Deutsche Krebshilfe teilte am Mittwochabend mit, es seien 4100 Spenden mit einem Betrag von 103.000 Euro eingegangen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum berichtete von 74 Spenden. Die DKMS twitterte: "Wir können unseren Augen kaum trauen und freuen uns sehr über die sehr sehr zahlreichen Geldspenden."
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Zunächst Memes gegen Journalist
Ihre Abneigung gegen Krebs hatten die Nutzer auch schon vor der Spendenaktion deutlich gemacht – mit fiesen Bildern, die gegen den Journalisten Brian Krebs gerichtet sind. Nach seinem Bericht vom Montag mit Name und Wohnorten von pr0gramm-Verantwortlichen fürchten viele in der Community das Aus für die Seite. "Wenn pr0gramm runtergefahren wird wegen des Berichts, dann verlieren Hunderttausende Kellerkinder ihren Lebensinhalt", schrieb ein Nutzer halbironisch auf Twitter an Krebs. Der US-Journalist antwortete: "Die Kellerbewohner müssten also etwas anderes tun, als anonym Hassbilder und Todesdrohungen gegen Journalisten zu posten? Wäre ja echt eine Schande!" Krebs ist durch seine Recherchen über Internetkriminelle hartgesotten, ihm wurde auch schon Heroin ins Haus geschickt, um ihm etwas anzuhängen.
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Was nach seinem aktuellen Artikel passierte, war da vergleichsweise harmlos. Es folgten – schnell verworfene und aussichtslose – Überlegungen, seine Seite mit massenhaften Zugriffen über Bot-Netze zu stören. Es hagelte außerdem Memes, also Bilder und Bildmontagen, in denen Krebs oft auch verletzend angegangen wurde.
pr0gramm ist für rauen Humor bis über die Schmerzgrenze bekannt, Meinungsfreiheit wird dort auch mit Schockbildern gelebt, die selbst extrem überforderte Facebook-Content-Moderatoren sofort löschen würden. Ein Administrator postete in Sachen Krebs eine Mahnung: Jegliche Vergeltungsaktionen würden nur pr0gramm schaden. "Bleibt sachlich und höflich", so die Bitte.
Screenshot trat Welle los
Am Dienstagabend änderte sich die Auseinandersetzung dann, nachdem ein Nutzer, "BassT87", einen Screenshot als Beleg für eine 25-Euro-Spende an die Krebshilfe postete. "Ich habe den Rummel um Herrn Krebs mal zum Anlass genommen, meinen Teil gegen Krebs beizutragen. Vielleicht macht der ein oder andere es ja (statt dem drölftausendsten Meme) ja nach...". Bereits frühmorgens hatte ein Nutzer "Xari" die Idee auch gepostet, aber ein Posting um 5.03 Uhr findet selbst bei pr0gramm-Nutzern wenig Beachtung. "BassT87" trat dann aber die Welle los – und lässt manche Nutzer beinahe glückselig staunen, zu was die Community in der Lage ist.
Den Unmut hat sich Brian Krebs zugezogen mit einem Text zu Coinhive. Das ist eine Software, die Seitenbetreiber einsetzen können, um die Rechner nichtsahnender Besucher zum "Schürfen" nach Kryptowährung einzusetzen. "Motherboard" nennt sie "die fieseste Malware des Jahres". Mehr als eine Milliarde Nutzer im Monat stellen den "Crypto-Jackern" unfreiwillig Rechnerleistung zur Verfügung. Krebs enthüllte, dass der Spieleentwickler und pr0gramm-Gründer Dominic Szablewski Coinhive entwickelt hat.
Artikel holt Macher aus der Anonymität
Szablewski hat das auch inzwischen selbst in einem Blog-Beitrag erklärt. Obwohl er bei pr0gramm lange ausgeschieden sei, habe er dort mit dem Prototyp einer solchen Schürfsoftware testen dürfen. Das war ein Erfolg, er gründete Coinhive.
Was die pr0gramm-Nutzer nun so empört: Krebs machte auch Informationen von aktuellen Beteiligten an pr0gramm öffentlich – und Anonymität und Datenschutz sind den Nutzern und Betreibern heilig. Zwei Administratoren schreiben in einem Statement, dass man versucht habe, nach massiven Drohungen die Identität der Mitarbeiter bestmöglich zu schützen. Mit Coinhive habe man nichts zu tun – das war aber die Rechtfertigung von Krebs, die Identitäten öffentlich zu machen. Die Betreiber deuten an, dass sie auch gut ohne pr0gramm leben könnten und sich in den nächsten Tagen zeigen werde, wie es weitergeht. Nutzer hoffen, dass die Spenden gegen Krebs Eindruck machen.
Die Stiftung Deutsche Krebshilfe wusste gar nicht, wie ihr geschah: Die Pressestelle erfuhr am Mittwoch durch t-online.de von dem Geschehen in der Nacht. Die vorläufige Auswertung der Flut von Spenden zog sich bis in den frühen Abend. Vorstandsvorsitzender Gerd Nettekoven wollte sich zu „pr0gramm“ und dem Streit mit Brian Krebs nicht äußern. Nettekoven dankte aber "allen Spenderinnen und Spendern für ihre Unterstützung im Rahmen dieser außergewöhnlichen Initiative. Sie alle helfen uns, die Versorgung krebskranker Menschen weiter zu verbessern und die Krebsforschung voranzubringen."
Update, 28. März, 17:28 Uhr: Der Text wurde nach einer Stellungnahme mit Informationen der Deutschen Krebshilfe aktualisiert.