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Was das Facebook-Gesetz bewirkt - und was nicht


"Facebook-Gesetz"
Was das NetzDG bewirken kann – und was nicht

Von t-online, str

05.01.2018Lesedauer: 5 Min.
Like-Button von Facebook: Das NetzDG ist stark umstritten.Vergrößern des Bildes
Like-Button von Facebook: Das NetzDG ist stark umstritten. (Quelle: imago-images-bilder)

Rund um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist eine Debatte um die Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit entbrannt. Kritiker sprechen von staatlich verordneter Zensur. Aber viele Vorbehalte gegen das neue Gesetz beruhen auf Missverständnissen.

Seit Jahresbeginn sind die sozialen Netzwerke gesetzlich verpflichtet, schneller und entschiedener gegen verbotene Inhalte auf ihren Plattformen vorzugehen. Das neue Gesetz zeigt bereits Wirkung: Mehrere Tweets und Facebook-Postings – nicht nur von AfD-Politikern und sicher nicht nur strafrechtlich relevante Beiträge – wurden seit dem Neujahrstag entfernt. Bedroht das Gesetz die Meinungsfreiheit? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was soll das Gesetz bewirken?

Die neue Regelung soll die überwiegend im Ausland beheimateten Betreiber sozialer Netzwerke zwingen, deutsches Strafrecht im deutschsprachigen Netz durchzusetzen. Daher auch der sperrige Name Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG).

Das "Facebook-Gesetz" ist bereits Anfang Oktober in Kraft getreten. Die Folgen bekommen die Nutzer aber erst jetzt zu spüren. Denn die Unternehmen hatten drei Monate Zeit, das vorgeschriebene Beschwerdesystem für Nutzer einzurichten.

Seit dem 1. Januar 2018 gilt: Wenn die Nutzer einem Plattformbetreiber jetzt Inhalte melden, die gegen das Strafgesetz verstoßen, muss der Betreiber die Beschwerde innerhalb von 24 Stunden prüfen und darauf reagieren. Die Frist sollte reichen, um eine Entscheidung zu treffen: Muss der Beitrag gelöscht werden, weil offensichtlich eine Straftat vorliegt? Für schwierige Fällen gilt eine Frist von einer Woche.

Außerdem müssen die Plattformen jetzt einen Ansprechpartner für die deutschen Ermittlungsbehörden benennen, der sie bei der Aufklärung von Vergehen unterstützt.

Warum wurde das Gesetz verabschiedet?

Eigentlich sind die Anbieter schon nach dem Telemediengesetz verpflichtet, gesetzeswidrige Inhalte von ihren Seiten zu entfernen, sobald sie diese bemerken. Die Meldesysteme von Facebook und Twitter erwiesen sich aber als nicht effektiv genug. Vor allem gegen Hassrede gingen die Betreiber zu inkonsequent vor. Für Nutzer war es oft nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien Nutzer gesperrt oder Inhalte entfernt wurden – oder auch nicht.

Nach mehreren ergebnislosen Gesprächsrunden mit Facebook-Vertretern brachte die Bundesregierung schließlich das NetzDG auf den Weg, das mit den Stimmen der großen Koalition und gegen den Widerstand von FDP, AfD und Linken und Enthaltung der Grünen verabschiedet wurde. Zuvor war es aber noch entschärft worden: Einige umstrittene Passagen flogen aus dem Entwurf.

Bei einer Neuauflage der großen Koalition sind weitere Änderungen an dem Gesetz unwahrscheinlich.

Welche Inhalte müssen gesperrt werden?

Insgesamt 21 Paragrafen des Strafgesetzbuches werden von dem NetzDG berührt. Verboten ist zum Beispiel:

  • Das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§86 StGB) und das Verwenden ihrer Symbole (86a StGB)
  • Volksverhetzung (§130 StGB)
  • Aufforderungen zu Straftaten (§111) oder Billigung von Straftaten (§140)
  • Beleidigung (§185) und üble Nachrede (§186)
  • Darstellung von Gewalt (§131)
  • Drohungen (§241)
  • Bildung terroristischer oder krimineller Vereinigungen (§129a und b)
  • Beschimpfung von Religionsgemeinschaften (§166)

Facebook und Google/Youtube stellen Onlineformulare bereit, über die man solche Vergehen in Social-Media-Beiträgen melden kann. Dafür muss der Nutzer sie selbst zuordnen. Twitter hat sein bisheriges Meldeformular erweitert.

Reagieren die Betreiber darauf nicht, können sich die Nutzer an das Bundesamt für Justiz wenden. Dort werden dann weitere Schritte gegen den Netzwerkbetreiber geprüft; eventuell wird ein Bußgeld verhängt. Die Behörde ist aber nicht dafür zuständig, Inhalte zu löschen oder dies zu veranlassen.

Eine Meldung beim Netzwerkbetreiber zieht auch kein juristisches Verfahren nach sich. Dazu muss immer noch Anzeige bei der Polizei erstattet werden. Gegen die AfD-Politikerin Beatrix von Storch sollen nach einem Kommentar an Neujahr 2018 Hunderte Anzeigen wegen Volksverhetzung eingegangen sein.

Davon unabhängig haben Netzwerkbetreiber das Recht, unerwünschte Inhalte und Konten jederzeit von ihrer Plattform zu entfernen. In der Regel begründen die Unternehmen ihre Entscheidung mit Verweis auf die Nutzungsvereinbarungen (AGBs) und Community-Standards. Twitter hat seine Richtlinien im Umgang mit Hatespeech erst kürzlich verschärft. Bei Verstößen drohen Rausschmiss oder vorübergehende Kontosperren. Das NetzDG schreibt diese Maßnahmen aber nicht genau vor.

Die Netzbetreiber können selbst entscheiden, ob sie in Deutschland strafbare Inhalte nur für Nutzer mit deutscher IP-Adresse unsichtbar machen oder ganz vom Netz nehmen. Eine nur auf Deutschland bezogene Sperre lässt sich technisch leicht umgehen.

Bedroht das Gesetz die Meinungsfreiheit?

Das NetzDG zielt auf Hasskriminalität ab, also auf Äußerungen, die nicht vom Recht auf Meinungsfreiheit geschützt sind. Gewaltandrohungen gegen Gruppen oder Individuen zum Beispiel sind keine Meinungsäußerungen. Auch "Fake News" in Umlauf zu bringen oder zu verbreiten, die darauf abzielen, anderen Menschen zu schaden, kann eine Straftat sein.

So verteidigt auch Justizminister Heiko Maas seine Gesetzesinitiative: Aus gutem Grund setze das deutsche Grundgesetz in Artikel 5 Absatz 1 dem Recht auf Meinungsfreiheit klare Grenzen durch das Strafrecht. Es schütze die Bürger und die Meinungsvielfalt.

Kritiker stören sich aber vor allem daran, dass ein privates Unternehmen diese Gesetze durchsetzen soll. Die Plattformbetreiber könnten dabei übers Ziel hinausschießen, befürchten sie. Schließlich drohen den Konzernen saftige Strafen von bis zu 50 Millionen Euro, wenn ihr neues Meldesystem keine Wirkung gegen die Onlinehetze zeigt.

Dadurch bestehe die Gefahr, dass die Netzwerkbetreiber in einer Art "vorauseilendem Gehorsam" mehr Inhalte aussortieren, als gesetzlich vorgeschrieben wären. Sanktionen für sogenanntes "Overblocking" sind nicht vorgesehen.

Wie wirkt sich das Gesetz in der Praxis aus?

Für stichhaltige Aussagen ist es noch zu früh. In einem halben Jahr wissen wir vielleicht mehr: Denn Plattformen, die pro Jahr mehr als 100 Meldungen im Rahmen des NetzDG erhalten, müssen alle sechs Monate einen Rechenschaftsbericht veröffentlichen. Darin müssen sie erklären, was gegen rechtswidrige Inhalte unternommen wurde, also, in wie vielen Fällen tatsächlich eine Sperre veranlasst wurde und warum.

Für die Unternehmen bedeutet das NetzDG vor allem zusätzliche Kosten. Facebook hat seine Löschzentren in Berlin und Essen ausgebaut und beauftragte eine große Anwaltskanzlei mit den NetzDG-Angelegenheiten. Das weniger finanzstarke Twitter scheint hingegen überwiegend auf automatische Erkennung zu setzen.

Die Schwächen des Systems zeichnen sich schon zu Beginn ab: Mehrere satirische Beiträge fielen den NetzDG-Entscheidungen der Unternehmen zum Opfer. Der Account des Satiremagazins "Titanic" wurde von Twitter ganz gesperrt. Dahinter stecken vermutlich Personalmangel und Überforderung: Für das Abwägen von ironischen Zwischentönen oder Debattenkontext haben die Prüfer keine Zeit. Im Zweifel wird geblockt.

Bisher sieht es außerdem stark danach aus, dass die Anhänger verschiedener Lager die Bestimmungen missbrauchen, um der Gegenseite eins auszuwischen oder sich als "Zensur-Opfer" zu inszenieren.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Die Hoffnung ist, dass das NetzDG den öffentlichen Diskurs in den sozialen Medien befriedet und versachlicht. Eine klare Mehrheit der Deutschen (65,6%) befürwortet das Gesetz, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online.de ergab.

Für und Wider des Gesetzes werden dennoch weiter debattiert. So könnten die Betreibermechanismen tatsächlich dazu führen, dass absichtlich verletzende und problematische Beiträge erfolgreich von den großen Plattformen verdrängt werden.

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Fremdenhass, Antisemitismus und extreme Positionen verschwinden deshalb aber noch lange nicht. Rechte Gruppen formieren sich in nicht-öffentlichen Blogs, Chatgruppen und Foren neu. Das NetzDG bezieht sich nämlich nur auf kommerzielle Plattformen mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern. Nachrichtengruppen auf WhatsApp sind zum Beispiel davon ausgenommen.

Viele Beobachter glauben deshalb, das Problem der Hass-Postings im Netz sei gar nicht juristisch zu lösen. "Hassen ist nicht illegal", sagt etwa der Blogger Michael Seemann. Er vermutet: Die wenigsten unter dem NetzDG entfernten Aussagen erfüllen tatsächlich einen Straftatbestand. Entscheiden können das letztendlich nur die Gerichte.

Das sollte die Öffentlichkeit aber nicht davon abhalten, auch untereinander die Grenzen der Meinungsfreiheit zu ziehen. Man braucht kein Jura-Studium, um menschenverachtende Äußerungen zu verurteilen.

Initiativen wie #ichbinhier sind dabei ein Vorbild: Die Zivilgesellschaft bekämpft den Hass in den sozialen Netzwerken nicht durch Stummschalten, sondern durch Gegenrede. Onlinepublikationen kennen das aus ihren Kommentarspalten: Moderieren kann Wunder wirken und Debatten in sinnvolle Bahnen lenken. Das macht viel Arbeit – aber es lohnt sich.

Quellen und weiterführende Infos:

  • FAQ des Bundesamts für Justiz
  • Blogger Michael Seemann im Deutschlandfunk
  • Eigene Recherchen
  • Stellungnahme des Bitkom-Verbands
  • Bericht einer Ex-Mitarbeiterin des Facebook-Löschteams
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