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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Für die Quote Deshalb nennen Radiosender jetzt so oft ihren Namen
Spektakuläre Gewinnspiele, große Plakate, jede Menge Eigenwerbung - Radiosender machen so einiges, damit Hörer einschalten und dranbleiben. Denn mehr Hörer bedeuten auch mehr Geld durch Werbeeinnahmen. Aber wie wird die Quote beim Radio eigentlich ermittelt?
"Wir zahlen Ihre Rechnung!", "Erraten Sie das geheimnisvolle Geräusch!", "Mega-Hits wünschen und gewinnen!". Mit solchen oder ähnlichen Aktionen werben Radiosender auf Plakaten in ganz Deutschland. Wer das Radio einschaltet, wird ebenfalls alle paar Minuten darauf hingewiesen.
Diese Gewinnspiele sollen Aufmerksamkeit bringen, beeindrucken und Hörer binden. Wer genau hinschaut, merkt allerdings, dass alle Sender ihre großen, spektakulären Aktionen zur selben Zeit veranstalten und bewerben. Mitte Dezember haben sie diesmal damit begonnen, seit Mitte März ist Schluss. Das hat einen bestimmten Grund: die Quotenmessung.
Messung mit zehntausenden Telefoninterviews
Wer wann und wie lange welchen Radiosender hört, ermittelt seit 1972 die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse, kurz: Agma. In diesem Verein mit Sitz in Frankfurt am Main haben sich Radio- und Fernsehsender, Verlage und Werbeagenturen zusammengeschlossen. Seit 1999 läuft die Erhebung fürs Radio per Telefon.
Mit Hilfe von Umfrage-Instituten lässt die Agma rund 67.000 Telefoninterviews pro Jahr durchführen. Mitmachen darf, wer angerufen wird, mindestens 14 Jahre alt ist, in Deutschland wohnt und Deutsch spricht. Abgefragt wird zunächst die allgemeine Radionutzung. Danach werden die Sender genannt, die in der Region empfangen werden können – im Durchschnitt sind das mehr als 30 Namen. Wenn der Befragte einen Radiosender kennt, geht es mehr ins Detail: Wann wurde zuletzt gehört? Wie oft? Zu welcher Tageszeit?
An welchen Sender erinnern sich Hörer?
Das bedeutet: Die Radioquotenmessung hängt ab von der Erinnerungsfähigkeit der befragten Hörer. Sie müssen den Sendernamen kennen und möglichst auch noch den passenden Slogan nennen, also "Radio XY - Der beste Mix von heute" oder "Sender 3 – die meisten Superhits am Stück". Eine einzige Nennung bei einer repräsentativen Umfrage kann am Ende in der Auswertung für mehrere Tausend Hörer stehen. Je mehr gemessene Hörer, desto mehr Geld können Radiosender von ihren Werbekunden verlangen.
Die Radiosender setzen deshalb alles daran, dass möglichst viele Hörer immer wissen, welchen Sender sie eingeschaltet haben. Die häufigste Lösung ist: Der Stationsname und der passende Slogan werden im Programm so oft wie möglich genannt, gesungen und geflüstert – meistens unterlegt mit einer eingängigen Melodie. Rund um Nachrichten, Wetter- und Verkehrsservice kommen da leicht zehn und mehr Namensnennungen in wenigen Minuten zusammen.
Gewinnspiele und Plakate bringen Aufmerksamkeit
Die Radiosender wissen aber auch, dass es im Herbst und im Frühjahr ganz besonders drauf ankommt. Dann macht die die Agma die Telefoninterviews zur Quotenermittlung. Die erste sogenannte Befragungswelle für die Quoten 2018 war von Anfang September bis Mitte Dezember 2017. Die Ergebnisse gibt es am 28. März. Seit Mitte Dezember läuft die zweite Welle, sie dauert bis Ende März 2018. Die Ergebnisse werden mit der ersten Befragungswelle ergänzt und Mitte Juli veröffentlicht.
Aufmerksamkeit ist in dieser Zeit besonders wichtig, deshalb gibt es genau dann im Radio Autos, Reisen und Geld zu gewinnen, beworben auf unzähligen Plakaten an Straßenecken, Bahnhöfen und U-Bahn-Stationen. Die Gewinner werden meist um kurz nach 7 Uhr am Morgen bekannt gegeben, wenn besonders viele Menschen zuhören.
Radioquoten gibt's nur zwei Mal im Jahr
Diese Quotenmessung im Radio hat Nachteile: Sie ist kompliziert, teuer, dauert lange und ist nicht genau, weil sie auf der Erinnerung von Hörern basiert. Insbesondere bei kleinen Sendern kann es sein, dass wenige Nennungen mehr oder weniger ein immenses Quotenplus oder -minus bedeuten. Außerdem führt die Methode dazu, dass die Quoten im Radio nicht jeden Tag oder jeden Monat bekannt gegeben werden, sondern bisher zwei Mal im Jahr - im März und im Juli.
Trotzdem müssen sich Radiomacher und Werbekunden gleichermaßen auf die Zahlen verlassen. Sie geben die Werbepreise für mehrere Monate vor, entscheiden über Einnahmen, Ausgaben und damit letztlich auch über Arbeitsplätze beim Radio, vor allem bei kommerziellen Sendern.
Was sind die Alternativen?
Beim Fernsehen ist Quotenermittlung anders gelöst: Marktforscher haben in etwa 5.000 repräsentativ ausgewählten Haushalten kleine Set-Top-Boxen verteilt. Diese registrieren, welches Programm von wem wie lange eingeschaltet wird. Aus diesen Angaben werden die TV-Quoten ermittelt, die jeden Morgen für die Sendungen des vergangenen Tages herausgegeben werden.
Auch beim Radio gibt es andere Messmethoden: In den USA oder der Schweiz geschieht dies zum Beispiel über kleine Geräte, die ausgewählte Menschen am Gürtel oder als Armbanduhr bei sich tragen. Sie zeichnen regelmäßig die Umgebungsgeräusche auf und registrieren dadurch, welche Radiosender im Hintergrund laufen. Die so ermittelten Quoten sind schneller verfügbar. Nicht gemessen wird aber, ob jemand wirklich einen Sender gehört hat oder nur beim Einkaufen zufällig damit beschallt wurde. Außerdem fühlen sich manche Menschen nicht wohl, wenn ständig ihre Umgebungsgeräusche aufgezeichnet werden.
Antennen-Empfang und Web-Streams kommen zusammen
Auch die deutsche Messmethode wird immer wieder angepasst. Während lange Zeit für die Telefoninterviews nur Festnetzanschlüsse angerufen wurden, kamen in den vergangenen Jahren auch Handynummern dazu.
Neben dem klassischen Verbreitungsweg UKW wird inzwischen auch das Hören über DAB+ abgefragt. Web-Streams und Internet-Radios haben eine eigene Media-Analyse bekommen. Neu ist in diesem Jahr, dass beide Messungen zusammen ausgewiesen werden: terrestrisches Radio und Internet-Streams. Die klassische "Media Analyse Radio" geht auf in der "Media Analyse Audio".
Die nächsten Radioquoten veröffentlicht die Agma am 28. März. Eins steht aber jetzt schon fest: Die Radiosender verschicken danach Pressemitteilungen mit Überschriften wie "Marktführer", "Nummer Eins" oder "An der Spitze", bei weniger guten Zahlen heißt es dann zum Beispiel "weiterhin auf Erfolgskurs". Oder die Marketing-Profis suchen sich eine Hörergruppe oder eine Region heraus und verweisen dort auf steigende Zahlen. Denn bei den Quoten gilt dasselbe wie bei einem guten Radioprogramm: Hauptsache, es klingt gut.
- Eigene Recherchen
- Methodenbeschreibung bei der Agma
Übersicht Fernseh-Quotenmessung bei der AGF