Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Abgegriffene Browserdaten Das Vertrauen in das Internet ist erschüttert
Der Datenschutzskandal um die Browser-Erweiterung "Web of Trust" (WOT) weitet sich aus. Millionen Surfspuren sind einsehbar, darunter von Politikern. Zahlreiche Nutzer sind verunsichert – ist dem Internet noch zu trauen?
Der Norddeutsche Rundfunk legt bei seinen Enthüllungen rund um die durch WOT abgegriffenen Browserdaten nach: Am 3. November wurden in der ARD-Sendung Panorama zahlreiche Bundespolitiker mit ihren ausgespähten Browserdaten konfrontiert. Das Vertrauen in das Internet ist erschüttert. Dabei ist der Gratis-Dienst beliebt, weil er dem Netz lange Zeit das fehlende Vertrauen gab.
Gut von Böse trennen
Wer sich WOT im Browser seines Rechners oder Smartphones installiert, bekommt Informationen über die Vertrauenswürdigkeit angesurfter Internetseiten eingeblendet. Damit der Vertrauenscheck klappt, nimmt der Browser bei jedem Aufruf einer Webseite Kontakt mit der WOT-Datenbank auf – sonst kann er nicht die aktuelle Bewertung abrufen.
Viele Nutzer schätzen diese Hilfe, da es das Surfen im Web sicherer macht. Auch t-online.de hat Internetnutzern den kostenfreien Dienst empfohlen, um etwa leichter seriöse von unseriösen Angeboten trennen zu können.
Beim Datenhändler eingekauft
Bis hierhin erfüllt WOT seinen Zweck. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen des in Finnland ansässigen Anbieters machen keinen Hehl daraus, die gesammelten Daten an Dritte veräußern zu wollen – freilich anonymisiert und diskret.
Das NDR-Team zeigte anhand einer von einem Datenhändler überlassenen Musterpackung, wie leicht die sensiblen Informationen mitunter eben doch einzelnen Internetnutzern zuzuordnen sind. Mittlerweile äußerte sich das Unternehmen zu den Datenschutz-Vorwürfen und kündigte eine Untersuchung an. Auch die Mozilla-Stiftung hat reagiert und WOT kurzerhand aus der Add-on-Sammlung von Firefox entfernt.
Als Nummer im Netz unterwegs
Für ihre Recherche hatte das NDR-Team eigenen Angaben zufolge eine Internetseite angelegt, die man eindeutig im späteren Datensatz aus Adresslisten zuordnen konnte. Dabei fand man heraus, dass jedes Gerät, auf dem WOT installiert ist, eine Identifikationsnummer erhält. Alle besuchten Seiten, also Versandhändler, Online-Banking und Dienste wie Facebook oder Dropbox zum Teilen von Dateien, sind mit dieser Tracking-ID gekennzeichnet.
Wenn die anonyme Nummer wie im geschilderten Fall ein Gesicht bekommt – liegt das komplette Surfverhalten des Nutzers offen, das ist der eigentliche Skandal.
Durchleuchtet, analysiert und einsortiert
Was sich aus Einkäufen, Kontakten und Facebook-Likes berechnen lässt, hat 2014 eine Studie (PDF) im Auftrag der österreichischen Bundesarbeitskammer an den Tag gelegt. Die Verknüpfung und Analyse persönlicher Daten wie Weblinks erlaubt tiefe Einblicke in das Privatleben und Kaufverhalten von Einzelpersonen.
Grundlage für die kommerzielle digitale Überwachung im Alltag sind Tracker. Diese kleinen Programme durchleuchten das Surfverhalten des Nutzers, beispielsweise welchen Browser er nutzt, von welcher Webseite und mit welchen Suchbegriff er gerade auf die Seite gekommen ist. Im Idealfall dienen diese Informationen lediglich zur Analyse für statistische oder Werbezwecke.
Google und Facebook führend
Der Suchmaschinenbetreiber Google ist der mit Abstand größte Betreiber von Trackern. Dicht gefolgt von Facebook, wie Cliqz, Anbieter eines Browsers mit Tracking-Schutz, berichtet. Das in München ansässige Unternehmen Cliqz hat etwa 5 Millionen Webseiten untersucht. Auf 84 Prozent der getesteten Seiten war im Hintergrund mindestens ein Tracker aktiv. Knapp die Hälfte aller Seiten verwendeten jedoch nicht nur einen Tracker zur Analyse und einen für Werbung, sondern gleich zehn oder mehr.
Das Anhäufen, Verkaufen und Vernetzen von Tracking-Daten birgt Gefahren. Datenschützer warnen vor Such- und Preisdiskriminierung im Online-Handel, bei Versicherungen und der Vergabe von Privatkrediten. Aber auch Geheimdienste fremder oder befreundeter Nationen könnten so Informationen erhalten. Und Hacker könnten sich im Auftrag von Kriminellen oder ausländischer Regime Zugriff auf Tracking-Daten verschaffen. Es besteht also zumindest das Risiko von Datenlecks und der Ausspähung einzelner Personen.
Hinweis in eigener Sache
Wie auf vielen werbefinanzierten Webseiten sind auch auf t-online.de verschiedene Tracking-Dienste zu finden. Welche Daten wir und andere sammeln, zu welchem Zweck und wie Sie dem widersprechen können, haben wir auf der Seite ausführlich zusammengefasst.