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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nigeria-Connection So arbeiten die Online-Betrüger
Schicke uns jetzt Geld, und wir lassen dich später an unserem Millionenvermögen teilhaben: Seit Jahren wollen Betrüger aus Nigeria mit solchen falschen Versprechen per E-Mail ihren Opfern Geld aus der Tasche ziehen - und haben damit anhaltenden Erfolg. Wer glaubt, das könne ihm nicht passieren, sollte besonders auf der Hut bleiben. Die Online-Kriminellen haben ihre Taktiken längst weiter entwickelt – und setzen auf den "Google-Trick".
Es sind abenteuerliche Geschichten, die Internet-Nutzer aufgetischt bekommen: Afrikanische Prinzen, Präsidentensöhne im Exil oder lange verlorene Verwandte bitten in ausführlichen, meist wohl formulierten Geschichten um Hilfe. Nur etwas Geld bräuchten sie für Bestechungen und Gebühren, dann könnten sie ihr Millionenvermögen außer Landes schaffen. Zur Belohnung würde der großzügige Helfer aus dem Westen mit einem satten Anteil der geretteten Summe belohnt. Die List nennt sich Vorschussbetrug, ist in Deutschland strafbar und so alt, dass praktisch niemand mehr darauf hereinfallen sollte – Geld an Unbekannte in Afrika zu schicken müsste auch den Gierigsten zu heikel sein, so der erste Gedanke. Dabei ist die List mit den rührigen Stories und dem Versprechen auf schnellen Reichtum nach wie vor sehr erfolgreich.
Milliardenprofite mit uraltem Trick
Hinter diesen E-Mails steckt die nach dem Ursprungsland dieser Betrugsmasche benannte Nigeria-Connection. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein internationales Verbrechersyndikat, sondern ein Sammelsurium vieler Betrüger-Banden und Einzeltäter, die zumeist von afrikanischen Internet-Cafés und Internet-Anschlüssen in Hinterzimmern aus operieren. Das niederländische Institut Ultrascan hat Anfang 2010 eine Schätzung des Einkommens dieser Banden veröffentlicht: 6,7 Milliarden Euro sollen die Betrüger mit ihrer Masche erbeutet haben. Die Dunkelziffer dürfte jedoch viel höher liegen.
Doch warum sind die Betrüger nach wie vor erfolgreich? Und warum stammen so viele von Ihnen ausgerechnet aus Nigeria? Die Beantwortung der zweiten Frage fällt relativ leicht: Das afrikanische Land gehört zu den stabileren Staaten in Westafrika und verfügt über eine ausgezeichnete IT-Infrastruktur. Mit knapp 44 Millionen Internet-Nutzern und angesichts um sich greifender Armut bietet das Land zudem großes Rekrutierungspotential für die Betrügerbanden, die schnellen Reichtum versprechen. Einen Computer, einen Internetanschluss und etwas Zeit, mehr braucht es nicht, um einen 419-Scam aufzuziehen, wie die Betrügereien der Nigeria Connection auch heißen, benannt nach dem entsprechenden Paragraphen im nigerianischen Strafgesetzbuch. Außerdem müssen die Betrüger hartnäckig sein – und einfallsreich.
Auf Opferfang mit dem Google-Trick
Zwar kennen mittlerweile viele Menschen die alten Tricks der Scammer, Spamfilter sortieren ihre nach altem Muster geschriebenen Nachrichten sofort aus. Doch haben sich die Betrüger mittlerweile angepasst, neue Strategien entwickelt und sich neue Ziele gesucht. So gelangen die Lügengeschichten mittlerweile auch nach China, Südkorea, Vietnam oder Indien und finden immer mehr leichtgläubige Opfer. Gleichzeitig setzen die Scammer auf neue Tricks – wie den Google-Trick oder die falsche E-Mail-Fehlermeldung.
So versprechen die Betrüger zum Beispiel in einer immer noch kursierenden E-Mail einen Millionengewinn in einer angeblichen Google-Ausschreibung. Um ihre Nachrichten hingegen an modernen Spamfiltern vorbei zu schleusen, tarnen Sie die E-Mails als Fehlermeldungen, wie sie von E-Mail-Servern bei fehlgeschlagenen Sendeversuchen verschickt werden. Ein willkommener Nebeneffekt: Solche Nachrichten erregen auch beim Anwender vor dem Bildschirm mehr Aufmerksamkeit.
Vorgetäuschte Erbschaft lockt in die Falle
Gleichzeitig gibt es offenbar immer noch Menschen, die sich von den windigen Versprechen auf schnelles Geld blenden lassen. Allein die Fälle aus dem April 2011 lassen erahnen, wie gut das Geschäft der Betrügerbanden immer noch läuft. So sind Anfang April zwei Bürger aus Salzgitter einer Betrügergruppe auf den Leim gegangen, die sich auf Autogeschäfte im Internet spezialisiert hat, meldete die Salzgitter Zeitung. Ebenfalls erst kürzlich nahm die Polizei in Bremen einen 48-jährigen Nigerianer fest, der mindestens sieben Opfer mit angeblichen Erbschaften und Lotteriegewinnen um insgesamt 350.000 Euro erleichtert hat. Im Allgäu überwies eine 65-jährige Frau 1700 Euro nach Nigeria in dem Glauben, damit an einer Fonds-Auszahlung zu profitieren.
Besonders hart traf es 2009 eine Salzburgerin, die ihre gesamten Ersparnisse an Betrüger aus Afrika verlor. Die Unbekannten hatten ihr 40 Prozent von einer Erbschaft in Höhe von sechs Millionen US-Dollar versprochen, für die es keine Erbberechtigten gebe. Dafür müsste sie nur einige Gebühren vorstrecken, um alle Formalitäten abwickeln zu können – am Ende insgesamt 350.000 Euro. Um die Summe aufzubringen hatte die Salzburgerin eine Münzsammlung verkauft, Geld aus ihrem Unternehmen entnommen und sogar einen Bausparvertrag vorzeitig gekündigt.
Bürgermeister stolpert über Nigeria Connection
Noch spektakulärer war der Fall der Stadt Ennigerloh in Nordrhein-Westfalen. Die gewährte 2002 einem armen Rentner über drei Jahre hinweg rund 145.000 Euro als sozialhilferechtliches Darlehen, der Außenstände in Afrika eintreiben wollte. Der Rentner war jedoch Betrügern aus Nigeria auf den Leim gegangen – die hatten ihm im Namen der Bank of Nigeria 30 Millionen Dollar versprochen, wenn er ein Prozent der Summe als Sicherheit für die Transaktion hinterlegen würde. Am Ende war das Geld futsch und die Stadtverwaltung von Ennigerloh musste sich unangenehmen Fragen stellen. So hatte die deutsche Botschaft die Beamten der Stadt vor der Transaktion gewarnt, die Gelder waren über merkwürdige Umwege auf das Konto des Rentners gelangt. Den Bürgermeister kostete die Farce die Wiederwahl.
Hintermänner der Nigeria-Connection sind kaum zu fassen
Die Hintermänner solcher Taten zu fassen ist jedoch beinahe unmöglich. Im Fall der Geschäftsfrau aus Salzburg hatten sich die Täter das Geld auf verschiedene Konten rund um den Globus überweisen lassen - zur Unterstützung der eigenen Legende, nach der es das Opfer mit verschiedenen Anwaltskanzleien und Regierungsbehörden zu tun habe, aber auch zum Verwischen der eigenen Spuren. Internationalen Ermittlern wie die Beamten von Interpol ist es so fast unmöglich, die Täter aufzuspüren oder das Geld zurück zu holen. Von den Deck-Konten fließen die gezahlten Summen schnell weiter, bis sie irgendwo bar abgehoben werden und schließlich verschwinden.
Die nigerianischen Behörden versuchen immer wieder, die Banden zu zerschlagen. Auch auf internationalen Druck hin hat die Regierung des afrikanischen Staates eine eigene Spezialeinheit ins Leben gerufen, die ausschließlich Jagd auf 419-Scammer macht. Doch der Kampf lässt sich nicht gewinnen: Egal wie viele Betrüger ins Gefängnis wandern, es kommen immer neue Rekruten nach. So startete Nigeria Mitte 2009 die Operation "Eagle Claw", zu Deutsch "Adlerklaue". Dank einer Kombination aus klassischer Polizeiarbeit und technischer Überwachung bekannter Scammer-Stützpunkte konnten die Behörden damals Mitglieder von insgesamt 18 Betrugssyndikaten verhaften. Insgesamt 800 für die Betrugsmaschen verwendete Internet-Adressen wurden stillgelegt. Dem Gesamtvolumen der verschickten Betrugsmails konnte das jedoch nur kurz schaden. Der schnelle, einfache Betrug, dessen Opfer am anderen Ende der Welt in reichen Ländern sitzen, ist zu attraktiv für die ärmeren Mitglieder der nigerianischen Gesellschaft.
Gesunder Menschenverstand gegen blinde Gier
Schützen können sich die potentiellen Opfer deshalb auch weiterhin nur selbst. Gesunder Menschenverstand sollte die meisten Betrugsversuche vereiteln können. Google verschenkt nicht einfach Geld, afrikanische Prinzen verschieben ihr Millionenvermögen nicht mit Hilfe Wildfremder, und steinreiche, angebliche Verwandte vererben nicht plötzlich riesige Summen an weit entfernte Familienmitglieder. Wer nur kurz innehält, kann diese und alle anderen Tricks der Nigeria-Connection leicht durchschauen. Das wissen auch die Betrüger, nur sehr, sehr wenige mögliche Opfer beißen auch wirklich an. Diejenigen, die es aber tun, lassen sich bis auf den letzten Cent ausnehmen. Sie lassen sich auf einen Strudel aus Versprechungen, Geldüberweisungen und der verzweifelten Hoffnung ein, dass sich am Ende ihr aberwitziges Investment in die hanebüchene Geschichte doch noch auszahlen würde. Sie werden zu Opfern einer der erfolgreichsten Betrugsstrategien der Welt – zu Fall gebracht werden sie jedoch von ihrer eigenen, blinden Gier.