Jetzt ist "Rightsizing" angesagt Mit diesen Motoren werden wir bald fahren
Das Wiener Motorensymposium ist das jährliche Stelldichein der Motorenentwickler. Über 1000 Experten stellen hier ihre wichtigsten Ideen vor. Wir präsentieren Ihnen die Trends der kommenden Jahre - da kommt einiges auf uns zu.
Die strengen Gesetzgebungen in Europa, USA und Asien üben seit Jahren massiven Druck auf die Autohersteller aus. Während die Kunden weltweit immer größere, komfortablere und leistungsstärkere Fahrzeuge wollen und sich in Geländewagen und SUV verliebt haben, müssen die Verbräuche bis 2020 und insbesondere in den Jahren danach deutlich sinken, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.
Trend Nummer eins: Plug-in-Hybride
So schwer sich die Hybridmodelle mit ihrer Kombination aus Verbrennungsmotor und Elektromodul bisher auch getan haben, ihnen wird bei Fahrzeugen ab der Mittelklasse die Zukunft gehören. Hatten die japanischen Autoherstellern und hierbei insbesondere Toyota und Lexus sowie Honda die unangefochtene Innovationsführerschaft, so holt die Konkurrenz aus Deutschland, Korea und den USA nunmehr mächtig auf.
Fest steht, dass ohne Plug-in-Technik, die die Fahrzeuge zu Hause oder an einer Ladesäule aufladen lässt, nichts geht. Nur sie realisiert rein elektrisches Fahren über größere Distanzen. Die reinen Hybridfahrzeuge werden nach Ansicht der Experten in den nächsten Jahren genauso große Schwierigkeiten haben, wie die kleine Zahl der Diesel-Hybride, die - von Ausnahmen abgesehen - vom Markt verschwinden werden.
Trend Nummer zwei: Rightsizing
Das Motorensymposium zeigt, dass die Zeit des kompromisslosen Downsizing mit immer kleineren Triebwerken vorbei sein dürfte. "Rightsizing" heißt das neue Zauberwort, mit dem die Entwickler die Hubraumgröße perfekt auf das Fahrzeug anpassen können. Die Motoren mit drei, vier, sechs und acht Zylindern werden einfach oder doppelt aufgeladen, um die entsprechenden Leistungsausbeuten zu garantieren. Reine Saugmotoren wird es mittelfristig nur noch in besonders kostensensitiven Regionen und in kleinen Fahrzeugklassen geben.
Audi zeigt einen neuen Zweiliter-Vierzylinder, der noch in diesem Jahr im neuen A4 debütieren wird; dieser leistet 190 PS und stellt seine Drehmomentspitze von 320 Newtonmetern zwischen 1450 und 4400 Touren bereit. Weniger als fünf Liter Treibstoff sollen ihm für 100 Kilometer genügen. Für die Verbrauchssenkung adaptiert Audi den Miller-Zyklus, der auf einer stark verkürzten Ansaugzeit beruht.
Der deutlich erhöhte Ladedruck gleicht den Zeitmangel mehr als aus und führt zu optimaler Zylinderfüllung. Da die Einlassventile außerdem deutlich vor dem unteren Totpunkt und somit sehr früh schließen, sinkt der Mitteldruck im Zylinder, was einen besseren Wirkungsgrad durch ein hohes Verdichtungsverhältnis ermöglicht.
Bei den Turbomotoren wird der Einspritzdruck deutlich steigen, um das Gemisch aus Kraftstoff und Luft noch effizienter im Zylinder verbrennen zu können. Die Einspritzdrücke bei den Benzinern dürften bald auf bis zu 350 bar steigen; bei Commonrail-Diesel mit Leistungen von bis zu 300 PS sind bis zu 3000 bar im Gespräch.
Trend Nummer drei: Zylinderabschaltung / variabler Ventilhub
Das Thema Zylinderabschaltung ist alles andere als neu und seit Jahrzehnten immer wieder ein Thema auf dem Wiener Motorensymposium. Es geht darum, im Teillastbetrieb des Motors den Brennraum auf ein Minimum zu reduzieren. Das funktioniert mit der Zylinderabschaltung ebenso wie dem variablen Ventilhub, bei dem sich der Brennraum entsprechend den Lasterfordernissen anpasst.
Neu ist in diesem Zusammenhang das Thema variable Verdichtung, wodurch modernste Triebwerke in den kommenden Jahren ihre Verdichtung vollvariabel den Lasterfordernissen anpassen könnten. Ford stellt eine Zylinderabschaltung des innovativen Dreizylindertriebwerks vor. Bisher wurden nur bei geraden Zahlen wie vier, sechs oder acht Zylindern die Hälfte der Brennkammern bei langsamer Fahrt deaktiviert.
So soll auch das neue W12-Triebwerk aus dem Volkswagen-Konzern Kraftstoff sparen, das trotz einer Basisleistung von über 600 PS in zukünftigen Topmodellen von Audi, VW oder Bentley Verbräuche in der Zehn-Liter-Liga realisieren soll.
Trend Nummer vier: Automatisierte Getriebe
Die Zeiten der Handschaltung sind zumindest ab den mittleren Fahrzeugklassen langsam vorbei. Nach Ansicht der meisten Experten gehört zu einem modernen Turbomotor auch ein automatisiertes Getriebe, das perfekt auf das Triebwerk abgestimmt ist. Während Mercedes zum Beispiel auf seine eigens entwickelte Neungang-Automatik pocht, setzen Getriebezulieferer wie Aisin, ZF oder Borg Warner auf mindestens acht oder gar mehr Schaltstufen.
Nachdem Volkswagen bereits in der Vergangenheit in Wien ein zehnstufiges Doppelkupplungsgetriebe vorgestellt hat, muss damit nach Aussagen des Leiters Motorenentwicklung Friedrich Eichler längst nicht Schluss sein. Mit einem zusätzlichen kurzen Einstiegsgang für Geländewagen oder einem weiteren Autobahngang wäre das Dutzend an Schaltstufen voll.
Doch es geht auch in die andere Richtung. Sollten die Verbrennungsmotoren zunehmend von Elektroanrieben unterstützt werden, könnte die Anzahl der teuren Gänge in den Getrieben wieder sinken, da der boostende Elektromotor einen Teil der Schaltarbeit ersetzt. Mittelfristig sind sogar für Elektromotoren mehrstufige Getriebe im Gespräch.
Trend Nummer fünf: 48-Volt-Bordnetz
Nahezu alle Autohersteller und Zulieferer befassen sich seit Jahren mit dem Thema 48-Volt-Bordnetz. Da die Autos mittlerweile zu rollenden Hightech-Computern inklusiv Stopp-Start-Automatiken geworden sind, ist der Stromfluss entsprechend hoch. Die bekannten 12-Volt-Bordnetze kommen durch die zahlreichen Stellmotoren und die zunehmende Elektrifizierung an ihre Grenzen. Da würde ein 48-Volt-Bordnetz große Vorteile bringen; die Technik des Fahrzeugs jedoch deutlich verteuern.
Trend Nummer sechs: Reibungsarme Motoren
Ein Verbrennungsmotor ist an sich alles andere als effizient. Ein Drittel der ihm zugeführten Energie wird durch Abwärme verbrannt und rund ein Drittel verpufft durch Reibung, während nur ein Drittel in realen Vortrieb umgewandelt wird. Autohersteller und Zulieferer arbeiten daher Hand in Hand daran, die Motoren von morgen reibungsärmer zu machen. Hierbei geht es um Hightech-Lager, modernste Schmierstoffe und neueste Materialien, die vor Jahren allenfalls in der Raumfahrt zu finden waren.