Interview mit Auto-Experte Dudenhöffer Viele Diesel-Fahrer sollten über Verkauf nachdenken
Ferdinand Dudenhöffer von der
Dieselfahrer sind durch die Diskussion um Fahrverbote zunehmend verunsichert. Was raten Sie ihnen?
Das Risiko von zeitlich befristeten Durchfahrtsverboten ist hoch, das sollte man sich nicht schönreden. Natürlich schränkt so ein Verbot die Fahrer von Diesel-Pkw stark ein. Es kommt aber darauf an, wo man wohnt und für was man das Auto nutzt. Wenn jemand auf dem Land wohnt, ist es unerheblich – außer er fährt in Großstädte. Wenn man in einer Großstadt oder einem Ballungsgebiet wohnt und täglich sein Auto braucht, ist es ein deutliches Handikap. Dann sollte man sich Gedanken machen, sich von seinem Diesel zu trennen und etwa einen Benziner zu erwerben.
Es liegt aber auf der Hand, dass die Dieselfahrer viel Geld verlieren werden, wenn sie jetzt ihren Wagen verkaufen.
Wenn man das Auto früh verkauft, wird der Verlust im Fall eines Dieselfahrverbotes geringer ausfallen. Wer aber zu lange wartet, könnte mit einem schmerzhaften Preisverfall konfrontiert sein. Diesel-Besitzer sollten sich also genau überlegen, ob sie mit dem Auto weiter fahren wollen oder frühzeitig umsatteln.
Wagen Sie eine Prognose, wie sich die Politik im Hinblick auf Dieselfahrzeuge nach der Bundestagswahl entwickeln wird?
Ich gehe davon aus, dass nach der Bundestagswahl die Zeiten für Diesel-Fahrer schwerer werden. Die Kraftstoffsubventionen und andere Steuervorteile könnten gestrichen werden – und damit würde der Diesel zusätzlich unattraktiv werden. Damit würden die Restwerte in die Knie gehen.
Wird das nur alte Diesel-Fahrzeuge betreffen oder auch auf die modernen Euro-6-Diesel?
Es werden fast alle Dieselfahrzeuge betroffen sein, auch die Euro-6-Diesel. Die sind keine Ausnahmen, denn der Stickstoff-Oxid-Ausstoß im Fahrbetrieb überschreitet die Grenzwerte bis zu 16-fachen. Es gibt einige wenige, die im normalen Fahrbetrieb die Grenzwerte einhalten, die meisten tun es aber nicht. Ich gehe auch davon aus, dass einschlägige Umweltorganisationen bald auch gegen Euro-6-Diesel klagen werden.
Die Gebrauchtwagenpreise für Dieselfahrzeuge sind jedoch noch nicht gefallen, obwohl Sie davon ausgehen, dass es bald zu einem Preisverfall kommen wird.
Das ist richtig. Noch gibt es keinen Preisverfall. Wir erleben gerade die Ruhe vor dem Sturm. Aber wenn er kommt, dann kommt er heftig. Dass der Preisverfall der Dieselautos noch nicht eingetreten ist, hängt einerseits mit den Autobauern zusammen. Sie bringen jetzt mehr Benziner auf den Markt, um keine hohen Rabatte auf Dieselfahrzeuge geben zu müssen. Doch bereits jetzt sieht man, dass die Gebrauchtwagenkäufer mit dem Dieselkauf zögern. Trotzdem halten die Händler an ihren Preisen fest. Das wird sich aber relativ schnell ändern, wenn die ersten Fahrverbote in Kraft treten oder die Dieselsubventionen gestrichen werden.
In der Debatte wird über eine Umrüstung der Diesel-Fahrzeuge gesprochen. Könnte das die Lösung sein?
Das ist lediglich eine Hoffnung, von der man heute noch gar nichts weiß. Die Umweltminister haben nach ihrer Konferenz die Autobauer dazu aufgefordert, ihre alten Autos umzurüsten. Heute wissen wir nicht, wie genau das technisch gehen soll. Wir kennen die Kosten noch nicht, wir wissen nicht, wer es bezahlen würde. Ob die Autobauer es tatsächlich bezahlen werden, wie die Umweltminister das fordern, ist fraglich. Wir wissen eigentlich gar nichts – außer, dass die Politik jetzt Druck auf die Autobauer aufbaut, Umrüstungen durchzuführen. In der Regel sind Umrüstungen jedoch schlechtere Lösungen. Besser wäre es, wenn solche Vorrichtungen von Werk aus eingebaut würden. Nachrüstungen mit Dieselpartikelfiltern sind auch mit staatlichen Prämien nie großflächig umgesetzt worden. Umrüstungen bleiben daher immer eine halbe Lösung, selbst falls es technische Lösungen dafür geben sollte.
Könnten die deutschen Autobauer überhaupt eine flächendeckende Umrüstung finanziell stemmen?
Auch das ist fraglich. Denn das würde nicht nur Autos in Deutschland, sondern in ganz Europa betreffen. Das wäre eine große Belastung für die Unternehmen. Das wäre sicherlich gesetzlich zu regeln. Das dauert und ist nicht einfach. Vermutlich geht der „Schwarze Peter“ mal wieder an die Autofahrer. Die Politiker werden es aussitzen, mit Brüssel diskutieren und die Autobauer drücken bestimmt nicht aufs Tempo. Die Durchfahrtsverbote werden schneller da sein und die Besitzer von Diesel-Pkw sind die Pechvögel. Bei den Rußpartikeln und Umweltzonen war es ähnlich.
Wäre denn eine Gnadenfrist von fünf oder zehn Jahren für Dieselfahrer aus Ihrer Sicht nicht sozial gerechtfertigt, wenn wir davon ausgehen, dass Elektromobilität dann zunehmend zum Standard wird?
Jetzt zu sagen, dass wir noch fünf Jahre einfach die Augen zu machen und die Gesundheit von Menschen gefährden geht gar nicht. In Ballungszentren und Großstädten ist das Problem ernst. Seit sechs Jahren mahnt die EU-Kommission die Bundesregierung ab, und es passiert trotzdem nichts. Die Europäische Umweltagentur schätzt, dass in Deutschland jährlich bis zu 10.000 Menschen durch zu hohe Stickoxidbelastungen sterben. Das ist keine Spielerei, wir reden hier über Menschenleben. Wir können die unsauberen Dieselfahrzeuge nicht weitere fünf oder zehn Jahre fahren lassen.
Wie soll die Politik das einem Autofahrer vermitteln, der sich vor Kurzem im guten Glauben einen neuen Dieselwagen gekauft hat, womöglich auch auf Kredit? Jetzt hört er plötzlich, dass er bald zeitweise nicht mehr mit seinem Auto fahren darf.
Das Fatale ist, dass am Ende immer der Konsument für die Fehlentscheidungen der Politik zahlen muss. Vor der Wahl werden schöne Versprechen gemacht, die dann wieder vergessen werden. Es ist ungerecht. Die Politik hat Versprechungen gemacht, die sie jetzt nicht einhalten kann, weil Umweltorganisationen ihr Recht auf saubere Luft einklagen - meiner Meinung nach auch zu recht. Aber Dieselfahrer haben eine Stimme bei der Bundestagswahl.
Aber wie sollen Großstädte versorgt werden, man braucht dafür die Lkws und diese fahren meist mit Diesel, man wird doch nicht den ganzen Lieferverkehr auf die Schienen umstellen können.
Diesel-Fahrzeuge können in der Tat sehr sauber sein. Es gibt 40-Tonner, die sauberer sind als viele Kleinstwagen. Es liegt daran, dass die Politiker unterschiedliche Messlatten an Lkws und Pkws angesetzt haben. Bei den Lkws hat man gesagt, dass die Werte im realen Betrieb eingehalten werden müssen, bei den Pkws war es der Politik egal, obwohl sie wussten, welche Folgen das haben würde. Die Ursache für diesen Skandal ist in der Politik zu suchen, nicht bei den Autobauern oder den Käufern.
Und was werden Ihrer Meinung nach die Mittelständler oder Kleinbetriebe machen, deren Fahrzeugflotten vorwiegend aus Dieselfahrzeugen bestehen?
Diese Unternehmen werden wohl oder übel andere Autos kaufen müssen. Das ist traurig, aber das lässt sich nicht mehr ändern. Als humane Gesellschaft muss man zuerst auf die Gesundheit schauen und nicht, ob man ein paar Euro mehr auf dem Konto hat. Im Übrigen ist das die gleiche Debatte, wie wir sie hatten, als die CO2-Auflagen von der EU kamen. Da wurden die gleichen Argumente genannt: Deutschland wird arbeitslos, wir können keine Autos mehr verkaufen und so weiter. Dann hat sich Deutschland mit der EU auf 130 Gramm CO2-Austoß pro Kilometer geeinigt. Und am Ende erreichte man sogar 119 Gramm. Die deutsche Industrie profitierte hochgradig davon, weil Spritspar-Technik zum weltweiten Exportschlager wurde. Deutschland ist ein Land der Erfinder und wenn man sagt, das geht nicht, dann macht man sich den technischen Fortschritt kaputt.
Welche Handlungsempfehlungen haben Sie?
Die Politik sollte schnellstmöglich die Dieselsubventionen beenden. Es kann nicht sein, dass wir mit unseren Steuergeldern eine Technik finanzieren, die in den Großstädten unsere Gesundheit schädigt. Wenn die Autobauer umrüsten, kann man von den Fahrverboten absehen. Der Diesel-Pkw ist zum Auslaufmodell geworden. In USA ist er fast vom Markt verschwunden. Sogar Mercedes stellt jetzt seine Diesel-Pkw dort ein. Wir müssen zusehen, dass wir schnell auf Elektromobilität umsatteln.
Das Interview führte Michael Ginsburg.