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USA: Weist Donald Trump Parallelen zu Julius Cäsar auf?


Erschütterung der Welt
"Damit setzt Trump alles auf eine Karte"

InterviewVon Marc von Lüpke

Aktualisiert am 22.04.2025Lesedauer: 8 Min.
Donald Trump: Der US-Präsident weist Parallelen zu Julius Cäsar auf, sagt Markus Schauer.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Der US-Präsident weist Parallelen zu Julius Cäsar auf, sagt Markus Schauer. (Quelle: Evelyn Hockstein/reuters)
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Donald Trump und Elon Musk irritieren und schockieren. Bis in die Antike hinein wird nach Deutungen für ihr Handeln gesucht. Tatsächlich wird man bei Julius Cäsar fündig, sagt der Altphilologe Markus Schauer.

Ängstlich blickt die Welt mittlerweile auf die USA unter Donald Trump, nahezu täglich lösen Ankündigungen aus dem Weißen Haus Aufregung und Verunsicherung aus. Was ist Trump eigentlich? Und was will er mit Elon Musk zusammen erreichen? Bei der Beantwortung dieser Fragen wird oft der Vergleich mit legendären und berüchtigten römischen Herrschern wie Julius Cäsar gezogen.

Ist da womöglich etwas dran? Markus Schauer, Altphilologe und Autor des Buches "Triumvirat. Der Kampf um das Imperium Romanum" sieht durchaus Grund zur Beunruhigung.

t-online: Professor Schauer, Donald Trump erschüttert die USA und den Rest der Welt. Auch römische Herrschergestalten wie Cäsar, Caligula oder Nero werden herangezogen, um Trumps Handeln zu deuten. Was halten Sie davon?

Markus Schauer: Es gibt beunruhigende Parallelen zwischen der Krise der späten Römischen Republik und den Entwicklungen in unserer Gegenwart. Bereits mächtige Männer kämpfen um noch mehr Macht, die übrige Welt wird dabei in Mitleidenschaft gezogen. Die Welt droht gar eine andere zu werden. Das sollte uns bekannt vorkommen: In Rom waren damals Männer wie die Triumvirn Cäsar, Pompeius und Crassus am Werk, heute sind es Donald Trump, Elon Musk und andere.

Inwiefern kann sich Geschichte überhaupt wiederholen?

Mit dieser Frage hat sich bereits vor Jahrtausenden der griechische Geschichtsschreiber Thukydides auseinandergesetzt. Für Thukydides bleibt die menschliche Natur stets gleich, wir hätten es also auch in unserer modernen und globalisierten Welt erneut mit einem überwunden geglaubten Archaismus zu tun. Machthaber und Welterschütterer wird es immer geben, wenn wir Thukydides glauben. Denn sie sind in dieser Sichtweise eine anthropologische Konstante.

Zur Person

Markus Schauer, Jahrgang 1967, lehrt Klassische Philologie mit Schwerpunkt Latinistik an der Universität Bamberg. 2016 erschien Schauers Werk "Der Gallische Krieg: Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk", 2023 veröffentlichte der Philologe sein aktuelles Buch "Triumvirat. Der Kampf um das Imperium Romanum. Caesar, Crassus, Pompeius" (beide im Verlag C.H. Beck).

In Ihrem Buch "Triumvirat: Der Kampf um das Imperium Romanum" beschreiben Sie Cäsar, Pompeius und Crassus als Geschöpfe ihrer Zeit. Das dürfte auch für Trump und Musk gelten.

In der Tat. Gegenwärtig durchzieht eine tiefe Spaltung die Gesellschaft der Vereinigten Staaten, in der späten Römischen Republik war es nicht anders. Einerseits gab es innerhalb der Nobilität, der römischen Führungsschicht, die Optimaten, zu Deutsch "die Besten", die überaus konservativ waren und den Senat als das Zentrum der politischen Willensbildung ansahen. Auf der anderen Seite standen die Popularen, die "Volksfreundlichen", die die Volksversammlung als Instrument nutzten. Später ist der Konflikt völlig eskaliert und führte 49 vor Christus zum Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius. Crassus war vier Jahre zuvor im Krieg gegen die Parther gefallen.

Welche Parallelen sehen Sie zwischen Trump und Cäsar?

Da gibt es so einige. Gaius Julius Cäsar entstammte einer altehrwürdigen römischen Patrizierfamilie, die ihre Herkunft bis zur Göttin Aphrodite zurückführte. Trotzdem schloss sich Cäsar später den Popularen an. Warum? Er rechnete sich damit bessere Karrierechancen aus. Nehmen wir nun Donald Trump, einen schwerreichen Unternehmer, der aber vorgibt, die Sache der "einfachen" Amerikaner zu vertreten. Diese Verbindung zum "Volk" und dem, was dieses vorgeblich will, war für Cäsar wie für Trump ein zentrales Mittel von Legitimation und Macht.

Cäsar überschritt 49 vor Christus den Rubikon und eröffnete damit den Bürgerkrieg, weil ihm sonst durch die Optimaten im Senat Entehrung und Verbannung gedroht hätte. Heute fabuliert Donald Trump auch deswegen von einer verfassungswidrigen dritten Amtszeit, weil er das Gefängnis fürchtet.

Für einen römischen Politiker war der Verlust der "Dignitas", also von Würde und Ansehen, eine Katastrophe. Noch schlimmer wog die Verbannung, in die Cäsar ohne jeden Zweifel geschickt worden wäre, wenn er sich ohne den Schutz durch seine Legionen den Anordnungen des Senats gefügt hätte. Ein typischer Ort für ein solches Exil war Massilia, das heutige Marseille. Schlimmer noch, diese politische Strafe wäre nicht nur für Cäsar, sondern seine gesamte Familie eine Entehrung gewesen. Für ihn war das schlimmer als der Tod. Für Trump geht es ebenso um alles, denn wenn ihn kein Amt mehr schützt, könnte er zukünftig für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden.

Ein programmatisch konsistentes Programm weisen allerdings weder Cäsar noch Trump auf.

Auch in dieser Hinsicht ähneln sich Trump und Cäsar. Sie teilen das politische Leitmotiv, das sogenannte Establishment ablösen zu wollen, das sie als ihnen feindlich gesonnen empfinden. Cäsar und die Popularen wollten die konsequente Obstruktionspolitik des von Optimaten dominierten Senats brechen, Trump befindet sich hingegen auf einem "Rachefeldzug" gegen den regulären, etablierten Staats- und Verwaltungsapparat, den er als "Staat im Staate" denunziert.

Elon Musk schleift bislang in Trumps Auftrag die Regierungsbehörden der USA ohne viel Federlesen. Zuvor bezog sich Musk mehrfach auf den römischen Diktator Lucius Cornelius Sulla, der einst die Herrschaft des Senats durch Terror und Mord wiederherstellen wollte.

Da liegt Musk gewaltig daneben, wenn er sich ausgerechnet Sulla Vorbild nimmt. Sulla war ein Erzkonservativer, jemand, der die alte Republik mit allen – auch blutigen – Mitteln wieder restaurieren wollte. Musk hingegen ist ein Disruptor, jemand, der das Alte zerstören will, um etwas Neues aufzubauen. Das passt überhaupt nicht ins Bild.

Musk spielte auf seiner Plattform X auf die gefürchteten Proskriptionslisten an, mit denen Sulla seine Gegner für vogelfrei erklärt hatte.

Das ist eine unverhohlene Drohung, die wenig mit Humor zu tun hat. Die Menschen, die einst auf Sullas Proskriptionslisten erschienen, konnten straffrei von jedermann getötet werden. Schlimmer noch, die Mörder erhielten den Besitz der Opfer als Belohnung. 40 Senatoren, rund 1.600 Ritter und viele Tausende Menschen ohne Rang und Namen kostete die Verfolgung damals das Leben. Ein Profiteur der Säuberungen war übrigens Marcus Licinius Crassus, der damit den Grundstock für sein exorbitantes Vermögen legte.

Sulla legte dann aber 79 vor Christus die Diktatur nieder und zog sich ins Privatleben zurück.

Das hatte niemand erwartet, es war eine ziemliche Überraschung. Cäsar warf Sulla später auch vor, ein politischer Analphabet gewesen zu sein. Aber die Niederlegung der Diktatur mit ihrer gewaltigen Machtfülle ist der Beweis, dass es Sulla tatsächlich weniger um sich selbst, denn um die Wiederherstellung des Staats gegangen war, wie er ihn haben wollte. Dazu nahm er allerdings immenses Blutvergießen in Kauf. Sich auf Sulla zu beziehen ist daher ziemlich daneben von Musk. Sulla analysierte seinerzeit die Situation aber sehr richtig – und zwar, dass der Staat in zwei Lager gespalten war. Die physische Vernichtung der gegnerischen Seite sollte diese Spaltung überwinden. Das war grausam und führte nicht zum Ziel. Insofern irrt sich Musk gewaltig. Tatsächlich finden sich zudem mehr Parallelen zwischen Sulla und Trump.

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Inwiefern?

Trump will die Zeit zurückdrehen, genauso wie es Sulla versucht hat. Während Sulla die alte Republik restaurieren wollte, will Trump ein altes Amerika zurück: Seine Feindschaft gegen alles, was er als "woke" empfindet, sein als "America First" bezeichneter Nationalismus sprechen da eine deutliche Sprache. Allerdings könnte Trump desaströs scheitern, das erging Sulla auch nicht anders. Denn die Zeit lässt sich eben meist nicht zurückdrehen.

Wenn der Vergleich Musks mit Sulla hinkt, wer entspricht ihm mehr?

Tatsächlich kommen in Musk gleich alle drei Triumvirn in gewisser Weise zum Vorschein. Cäsar, Crassus und Pompeius wollten dorthin vorstoßen, wo gewissermaßen niemand zuvor gewesen war. Bei seinen Feldzügen erreichte Pompeius einst das Kaspische Meer, Cäsar setzte nach Britannien und Germanien über, während Crassus bei seinem unglückseligen Feldzug gegen die Parther davon träumte, bis nach Baktrien und Indien vorzudringen. Musk zieht es hingegen ins All, er will Menschen zum Mars bringen. Seine Unternehmen, wie Starlink und SpaceX, sind Vehikel dafür.

Lässt sich von einem gewissen Größenwahn bei Musk und Trump sprechen?

Sie haben sicher gewisse Allmachtsfantasien. Cäsar und Pompeius waren zu ihrer Zeit durchaus nicht abgeneigt, die ganze Welt beherrschen zu wollen. Dabei eiferten sie einem weltbekannten Vorbild nach.

Alexander dem Großen, der einst das riesige Persische Reich bezwungen und erobert hatte?

Ja. An Alexander wollte sich jeder messen. Allerdings gehen Trump und Musk anders vor. Musk beeinflusst mit seiner Plattform X erheblich die Öffentlichkeit, mit seinem Satellitennetzwerk ist er als Unternehmer in der Lage, sogar den Verlauf eines Krieges mitzubestimmen. Denken wir an die Ukraine, für die Starlink sehr wichtig ist. Trump demonstriert nun seine Macht in Form der Zollpolitik. Ob er damit Erfolg oder Misserfolg haben wird, ist noch ungewiss.

Auf Grönland übt Trump massiven Druck aus, er will die größte Insel der Welt den USA einverleiben.

Trump will die Welt neu aufteilen, das ist historisch nicht neu. Auch die Triumvirn schanzten sich Provinzen und Regionen zu: Cäsar bekam etwa die beiden Gallien plus Illyricum. Pompeius erhielt Nordafrika, Crassus wiederum Syrien. Heute hat Trump Ambitionen auf Grönland, wohl auch auf den Panamakanal und Gaza. Zudem ist er auf einen Deal mit Wladimir Putin bezüglich der Ukraine aus. In der Römischen Republik waren es die drei Triumvirn Cäsar, Pompeius und Crassus, die den Staat ins Wanken gebracht haben. In der internationalen Politik haben wir es heute mit Wladimir Putin, Xi Jinping und Donald Trump zu tun: Sie erschüttern die Weltordnung.

Mit seiner Zollpolitik bringt Trump mittlerweile die Welthandelsordnung ins Wanken, auch zum Frust von Elon Musk.

Nun greift Trump zum Mittel der Strafzölle – und setzt damit alles auf eine Karte. Ein ähnliches Verhalten zeigte Cäsar. Tatsächlich ähnelt Trump in seiner zweiten Amtszeit Cäsar weit mehr. Es gibt die Rede von der "Celeritas Caesaris", der Schnelligkeit Cäsars. Damit sind Entscheidungsfreudigkeit, schnelle Umsetzung sowie die Effektivität der angeordneten Maßnahmen gemeint. Bei Letzterem lässt sich teils durchaus berechtigter Zweifel äußern, aber die Geschwindigkeit, mit der Trump und sein Team die US-Demokratie auf die Probe stellen, ist schon ziemlich atemberaubend und furchteinflößend. Trump – und Musk mit ihm – agiert skrupellos, wie weit er aber gehen wird, können wir nicht ahnen.

Cäsar schonte seine Gegner im Bürgerkrieg, die "Clementia Caesaris" wurde nahezu sprichwörtlich. Was bezweckte Cäsar damit?

Cäsar wollte kein Sulla sein, der seine Gegner physisch eliminierte. Stattdessen verzieh er jedem, der an seine "Milde" appellierte. Wer allerdings die Römer – und insbesondere die Nobilität – kennt, weiß, wie dramatisch ein solcher persönlicher Gnadenakt war. Denn es hatte die Merkmale einer Unterwerfung.

Cäsars konsequenter Gegner Marcus Porcius Cato der Jüngere beging 46 vor Christus lieber Suizid, als sich zu beugen.

Richtig. Auch die späteren Cäsarmörder Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus hatten zuvor von Cäsars Milde profitiert. Tatsächlich hatten sich viele der Überläufer eine irgendwie geartete Rückkehr zu den alten Verhältnissen erhofft. Mit der Alleinherrschaft Cäsars wollten sie sich schließlich nicht abfinden.

Cäsar war zwar Sieger im Bürgerkrieg, aber eine wirkliche Idee, was er mit der absoluten Macht anfangen sollte, hatte er nicht. Oder?

Ich fürchte nicht. Das Bild Cäsars ist heutzutage in Öffentlichkeit und Forschung recht positiv, ich glaube aber, er war ein gescheiterter Mann. Ja, Cäsar sorgte für manche Reformen, wie der des nach ihm benannten Kalenders. Aber eine Idee, eine Vision, wie der Staat nach den Schrecken des Bürgerkriegs beschaffen sein sollte? Fehlanzeige. Erst Cäsars Adoptivsohn Octavian, besser bekannt als Augustus, fand eine Lösung: Er allein hatte die Macht, erzeugte aber zugleich die Illusion, dass er lediglich ein "Primus inter Pares" wäre. Dieses Modell erwies sich als tragfähig, zumindest für eine gewisse Zeit.

Kennzeichen der Krise der späten Römischen Republik sind mächtige Männer, die sich den etablierten Regeln nicht mehr beugen und sie überschreiten. Sind wir erneut in einer Phase angelangt, in der Macht die entscheidende Währung ist?

Das ist zu befürchten. Aber die Zukunft ist offen. Wenn wir allerdings an die Demütigung Wolodymyr Selenskyjs im Oval Office durch Trump und JD Vance denken, dann sollten wir auf der Hut sein. Ähnliches und Schlimmeres war in der Antike nicht ungewöhnlich.

Gibt es ein gemeinsames Ziel, das Cäsar, Trump und Musk eint?

Trump will in die Geschichte eingehen, für Musk dürfte Ähnliches gelten. "Geschichte ist ein Besitz für immer", hat Thukydides einst geschrieben. Ohne nun in die Tiefen der Geschichtstheorie abzuschweifen: Wir haben es damals wie heute mit Angehörigen der Oberschicht zu tun, die sich zusammentun, ihren exorbitanten Reichtum, ihren Einfluss durch Medien und ihre gesamte Macht konzentrieren, um das System, das sie hervorgebracht hat, sprengen zu können. Das sollte uns eine Warnung sein.

Professor Schauer, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Markus Schauer via Videokonferenz
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