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ARD und ZDF: Rundfunkgebühren für Morde im Minutentakt – zu viele Krimis


Tagesanbruch
Morde im Minutentakt

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 02.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Leichenwagen nach einem Mord: Szene aus einem "Tatort"-Krimi.Vergrößern des Bildes
Leichenwagen nach einem Mord: Szene aus einem "Tatort"-Krimi. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

springen wir gleich mal zum schönsten Moment des Tages: Am Ende der Arbeitswoche werden heute Abend Millionen Menschen aufs Sofa sinken. Endlich Feierabend, Füße hoch, ein Gläschen Fröhlichmacher, aaah! Flimmerkiste an, was wird denn so geboten in Live-TV und Mediatheken?

Das wird geboten: Tote in der ARD. Leichen im ZDF. Noch mehr Leichen in den dritten Programmen. Ob "Wien-Krimi", "Dänemark-Krimi" oder "Lissabon-Krimi": In der ARD wechseln die Schauplätze, aber überall wird massenhaft gestorben; und da haben der "Tatort" und der "Polizeiruf 110" noch nicht einmal begonnen. Im ZDF geht es nicht friedlicher zu: "Mord im Mittsommer", "Death in Paradise" oder "Tödliche Idylle" heißen hier die Thriller, und in jeder mittelgroßen Stadt ermittelt eine Sonderkommission. Von der "Soko Wismar" über die "Soko Potsdam" bis zur "Soko Stuttgart". Fehlt nur noch die "Soko Castrop-Rauxel".

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Mehr als acht Milliarden Euro an Rundfunkgebühren kassieren die öffentlich-rechtlichen Medien pro Jahr. Einen erklecklichen Teil davon investieren die Sender, um dem deutschen Fernsehpublikum allabendlich Mord, Totschlag und andere Gräueltaten vorzusetzen. 1,7 Millionen Euro kostet eine durchschnittliche "Tatort"-Folge, schreiben meine Kollegen Steven Sowa und Heike Aßmann, die sich die Finanzpläne von ARD und ZDF nach der letzten Veröffentlichung genauer angesehen haben.

Mit ihrer verbrecherischen Dauerberieselung vermitteln die Öffentlichen ein absurdes Bild des Landes: In ARD und ZDF wird in einem Ausmaß gestorben, dass man denken könnte, Deutschland sei ein "failed state" wie Haiti oder Somalia. Hinter jeder Ecke ein Meuchel-, Axt-, Messer- oder sonstiger Mörder. Die Chefs der Sender – all die Intendanten, Programmdirektoren, Chefredakteure und Produktionsleiter – rechtfertigen das Mordsprogramm gewöhnlich mit einem Totschlagargument: Das Publikum will's halt so! Wo Leichen liegen und die Spannung bei der Täterjagd steigt, schalten viele ein. Und Quote schlägt alles.

Damit machen sie es sich ziemlich einfach. Zu einfach. Natürlich gäbe es auch viele andere Themen, die sich ebenso spannend wie unterhaltsam erzählen ließen. Wann kommt zum Beispiel das Drama über den Abgasskandal bei VW, Mercedes und BMW? Ach so, lief bei Netflix. Wer verfilmt mal das zynische Milchgeschäft – von der Regenwaldabholzung für den Sojaanbau in Brasilien über die brutalen Mastbetriebe in Deutschland und Holland bis zur Milchpulverzockerei in China? Ach ja, darum kümmerte sich "Arte". Wer dreht mal einen realistischen Film über die Abhörsysteme, mit denen die Amis auch die Bundesbürger ausspionieren? Ja, ja, dazu gab's in irgendeiner Mediathek mal eine Doku. Lange her. Auch die vielen schönen Seiten Deutschlands ließen sich öfter in Spielfilmen zeigen, ohne dass es gleich in Arztserienkitsch ausarten muss.

Gegen die Krimi-Dichte in den Programmen von ARD und ZDF regt sich zunehmende Kritik. "In Deutschland geschehen pro Jahr im Schnitt 250 Morde. Die Öffentlich-Rechtlichen bringen es auf deutlich über 1.000", stellt Sachsen-Anhalts CDU-Regierungschef Reiner Haseloff fest. "Wenn man sich das vor Augen führt, fragt man sich schnell: Muss das so sein? Den Alltag in der Bundesrepublik spiegelt das nicht wider", kritisiert er im Gespräch mit den Kollegen der "Zeit". In der "übergroßen Zahl an Krimis" sieht er eine symptomatische Fehlentwicklung: "Für die Unterhaltung wird viel mehr Geld ausgegeben als für die Information. Dort liegen finanzielle Spielräume." Das ist noch freundlich formuliert.

Die Öffentlich-Rechtlichen machen an vielen Stellen ein hervorragendes Programm. Der "Deutschlandfunk" zählt zu den besten Info-Radiosendern der Welt, Talkshows wie "Maischberger" und "Markus Lanz" transportieren politische Debatten in Millionen Wohnzimmer und leisten so einen Beitrag zu einer gut informierten Bürgergesellschaft. Wie wertvoll das ist, erkennt, wer mal einen Abend lang ins amerikanische oder italienische TV-Programm zappt, wo sich viele Infosendungen in gegenseitigem Anschreien oder der Zurschaustellung leicht bekleideter Damen erschöpfen.

Dennoch täte es ARD und ZDF gut, ihre Programmgestaltung grundlegend zu überdenken. Nach dem Aufruhr um den RBB und dem folgenden Vertrauensverlust vieler Zuschauer überboten sich ARD-Granden wie Tom Buhrow mit Reformvorschlägen. Seitdem hört man nicht mehr viel. Aussitzen ist aber keine Option. Sagen wir es so: Vier Milliarden Euro würden doch locker genügen, um ein informatives und unterhaltsames Programm zu machen. Wenn dafür sieben von zehn Krimis wegfielen, wäre das sicher nicht der Todesstoß für die Sender.


Was steht an?

Heute gastiert die Geopolitik im beschaulichen Wismar: Im Ostseerat beraten die Außenminister der Anrainerstaaten darüber, wie sich der Binnenmeerraum sicherer und ökonomisch effektiver gestalten lässt. Nur Kriegstreiber Russland sitzt nicht mit am Tisch. Die sicherheitspolitischen Probleme des Kremls haben erheblich zugenommen, schreibt mein Kollege Patrick Diekmann.

Vor der Küste Jemens droht ein Öltanker auseinanderzubrechen. Es wäre eine der bisher größten Umweltkatastrophen. Nun haben die Vereinten Nationen eine Bergungsmission gestartet.

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Zum Schluss

Höchste Zeit für Lauterbachs Krankenhausreform!

Ich wünsche Ihnen einen gesunden Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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