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China-Spion bei Maximilian Krah (AfD) schrieb an Verfassungsschutz


Kurz vor t-online-Enthüllung über Krah
"Viele Grüße, Jian G.": Spion schrieb an Verfassungsschutz


27.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Maximilian Krah mit dem Spionageverdächtigen G.: Sie arbeiteten eng im Europaparlament zusammen.Vergrößern des Bildes
Maximilian Krah mit dem Spionageverdächtigen G.: Sie arbeiteten eng im Europaparlament zusammen. (Quelle: Facebook/t-online)

Der mutmaßliche China-Spion im Büro des AfD-Spitzenkandidaten soll jahrelang Doppelagent gewesen sein. Kurz bevor t-online erstmals über ihn berichtete, wandte er sich an einen deutschen Nachrichtendienst.

Es ist ein fast unglaublicher Vorgang: Der spionageverdächtige Jian G. soll laut Generalbundesanwalt als Assistent des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah geheime Informationen aus dem EU-Parlament an chinesische Geheimdienste weitergegeben und Dissidenten ausgespäht haben. Offenbar aber wurde der gebürtige Chinese zuvor laut neuen Medienberichten jahrelang vom Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen als Quelle abgeschöpft – um mehr über die mutmaßlichen Aktivitäten chinesischer Geheimdienste im Umfeld der Exil-Opposition zu erfahren.

Über die entsprechenden Geheimdienstakten berichtete zuerst die "Bild", später die ARD unter Berufung auf Sicherheitskreise. Bereits 2007 hatte sich G. demnach dem Bundesnachrichtendienst angeboten, der kein Interesse hatte. Die anschließende Zusammenarbeit mit dem sächsischen Landesamt wurde 2018 wohl erst auf Drängen des Bundesamts für Verfassungsschutz beendet.

Im selben Jahr organisierte G. eine Reise für seinen Anwalt Krah nach China, wenige Monate bevor der AfD-Politiker ins Europaparlament einzog und ihn als Assistenten einstellte. Damals soll die Verdachtslage für die deutschen Behörden erdrückend geworden sein, er arbeite gleichzeitig für China – auch relevante Informationen habe er nicht mehr geliefert. Die Schilderung der Ereignisse endet mit einer Observation im Jahr 2020, als G. bereits seit einem Jahr im Europaparlament für Krah arbeitete.

Laut Informationen von t-online fand sein letzter förmlicher Kontakt zum Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen jedoch nicht 2018 statt.

E-Mail kurz vor dem "China-Gate"

Anfang Oktober 2023 veröffentlichte t-online das Ergebnis mehrmonatiger Recherchen zu Jian G. und seinem Arbeitgeber Maximilian Krah: Der Bericht "Das China-Gate des AfD-Spitzenkandidaten" legte eine jahrelange chinesische Einflusskampagne nahe. Im Detail schilderte er Kontakte von G. und Krah zum chinesischen Geheimdienst IDCPC, Lobbyaktivitäten, Interessenkonflikte sowie Geldzahlungen aus China in G.'s enges privates Umfeld. Und legte dar, dass das nicht zu seinen ebenfalls belegten Aktivitäten in der Exil-Opposition zu passen schien. Zahlreiche internationale Medien griffen den Bericht auf.

t-online hielt jedoch eine Information zurück, um mutmaßlich wieder laufende Observationen deutscher Behörden nicht zu gefährden: Kurz vor Veröffentlichung wandte sich G. schriftlich an das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen.

t-online hatte Krah und seinen Assistenten G. journalistischen Standards entsprechend den Hintergrund der Recherche schriftlich geschildert und eine mehrtägige Frist zur Beantwortung umfangreicher Fragenkataloge eingeräumt. Diese enthielten Details der gemeinsamen Geheimdienstkontakte und Lobbyaktivitäten sowie Klar- und Firmennamen der politischen, geschäftlichen und persönlichen Kontakte. Außerdem den Ablauf der Reisen nach China.

Wortlaut der E-Mail: "Zu Ihrer Info"

Während Krah die Fragen beantwortete, blieb G. zunächst kurz angebunden:

"Ich bin ausschließlich deutscher Staatsbürger, meine unternehmerische Tätigkeit habe ich mit Arbeitsantritt bei Herrn Dr. Krah beendet. Als gebürtiger Chinese liegt mir viel an der deutsch-chinesischen Freundschaft."

Als t-online ihn allerdings wenige Tage später mit Fotos konfrontierte, die ihn mit Exil-Oppositionellen und sogar dem Dalai Lama zeigten, geschah etwas Bemerkenswertes. Er beantwortete auch weiterhin keine einzige Frage. Stattdessen sendete er die gesamte E-Mail nach gut einer Stunde an das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz – und eine Kopie an die Redaktion. Er schrieb dazu im Wortlaut an das Landesamt:

"Sehr geehrte Damen und Herren, anbei leite ich Ihnen eine Mail von der Presse weiter. Eine erste Mail von dieser Woche werde ich Ihnen zu Ihrer Info auch gleich weiterleiten. Viele Grüße, Jian G."

Etwa 15 Minuten später folgte wie angekündigt der erste an ihn adressierte Fragenkatalog. Laut Informationen von t-online wurde die Fachabteilung des Landesamts darüber informiert. Was G. mit dem Schritt bezweckte, war damals und ist heute unklar. Knapp 48 Stunden später erschien der Bericht. Und Krah kommentierte die Veröffentlichung Mitte Oktober in einer Video-Kolumne:

"Es ist Zeit für ein Geständnis: Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der in China Geschäfte gemacht hat. Diese Aussage war t-online einen ellenlangen Artikel wert. (...) Fertig ist die Schmutzkampagne. Nichts daran ist dran.”

Kaum drei Monate später aber, im Januar 2024, soll G. wiederholt Informationen aus dem EU-Parlament an seine mutmaßlichen Auftraggeber in den chinesischen Diensten weitergegeben haben. Der Generalbundesanwalt wirft ihm deswegen Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall vor, wie er am Dienstag nach der Festnahme mitteilte. Auch die exil-chinesische Opposition habe G. ausgespäht. Das Verfahren gehe auf Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz zurück.

Durchsucht wurden G.'s Wohnungen an zwei Anschriften, an denen auch seine ehemaligen Unternehmen saßen. Ihre Namen hatte er mit dem Fragenkatalog an das Landesamt weitergeleitet. Mittlerweile sitzt er in Untersuchungshaft. Krah hat das Anstellungsverhältnis laut eigener Aussage mittlerweile beendet.

Zwar konzentrieren sich die Ermittler derzeit darauf, die aktuellen Tatvorwürfe von Januar aufzuklären. Der Generalbundesanwalt schließt aber nicht aus, dass auch frühere Aktivitäten und Kontakte Gegenstand der Ermittlungen werden könnten. Nach Informationen von t-online wurden bei der Razzia zahlreiche Datenträger beschlagnahmt, unter anderem mehrere Handys. Möglicherweise wird ihre Auswertung in den kommenden Wochen neue Erkenntnisse liefern.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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