Schwere Verluste in London Deutlicher Rückschlag für Johnsons konservative Partei
Es sieht nicht gut aus für Boris Johnson. Bei den Kommunal- und Bezirkswahlen zeichnet sich für die Partei des Premierministers eine herbe Niederlage ab. Ist Johnson zunehmend eine Belastung für sie?
Die Konservative Partei von Premierminister Boris Johnson hat bei den Kommunal- und Bezirkswahlen in Großbritannien schwere Verluste erlitten. Von hoher Symbolkraft waren vor allem die Niederlagen in den Londoner Bezirken Westminster, wo sich die Regierungsgebäude befinden, und Wandsworth, die seit Jahrzehnten von den Tories regiert worden waren. Dort setzte sich jeweils die größte Oppositionspartei Labour durch.
Zwar waren Verluste der Tories erwartet worden. Dennoch dürften die deutlichen Ergebnisse den Druck auf Johnson noch erhöhen, der wegen der "Partygate"-Affäre bereits parteiintern in der Kritik steht. Der Tory-Abgeordnete Tobias Ellwood forderte Johnson zum Rücktritt auf. Das Vertrauen des britischen Volkes sei zerstört. Doch auch die Opposition hat nicht nur Grund zum Jubeln.
Johnson spricht über "wichtigste Botschaft der Wähler"
"Wir haben eine harte Nacht hinter uns in einigen Teilen des Landes, aber andererseits haben wir auch Zugewinne gemacht an Orten, die lange nicht, wenn überhaupt schon einmal, konservativ gewählt haben", sagte Premierminister Boris Johnson am Freitag beim Besuch einer Schule in London. Er versicherte, die Verantwortung für die Ergebnisse zu übernehmen.
Der Premier gilt zunehmend als Belastung für seine Partei. Im Wahlkampf hatten sich konservative Kandidaten vielerorts von ihm distanziert und teilweise auf Wahlzetteln darum gefleht, sie nicht für Fehler der Regierung verantwortlich zu machen.
Die Abstimmung am Donnerstag galt als erstes Stimmungsbild seit der Affäre um illegale Lockdown-Partys im Londoner Regierungssitz Downing Street und weitere Skandale der Konservativen Partei. Den Tories wird zudem vorgeworfen, die grassierende Lebenskostenkrise nicht in den Griff zu bekommen. "Die wichtigste Botschaft der Wähler ist, dass wir uns um die Dinge kümmern sollen, die ihnen am wichtigsten sind", sagte der Regierungschef am Freitag.
"Wir haben Labour verändert"
Eine Schätzung der BBC, die am Freitagnachmittag die bereits ausgewerteten Ergebnisse auf das ganze Land hochrechnete, kam zu dem Schluss, dass Labour mit 35 Prozent – fünf Prozentpunkte vor den Tories – als Wahlsiegerin hervorgegangen wäre, hätte am Donnerstag das ganze Königreich gewählt. Insgesamt wurde über Tausende Sitze in Gemeinde- und Bezirksräten in weiten Teilen Englands sowie in Wales und Schottland abgestimmt. Johnson selbst stand nicht zur Wahl. Die nächste Parlamentswahl ist für 2024 vorgesehen.
Labour-Chef Keir Starmer sprach von einem "gewaltigen Wendepunkt". Seine Partei, die bei der Parlamentswahl 2019 eine heftige Niederlage erlitten hatte, gewann unter anderem auch in der südenglischen Hafenstadt Southampton und dem neu geschaffenen nordwestenglischen Bezirk Cumberland. "Wir haben Labour verändert", sagte Starmer und sprach von einer "Botschaft" an Johnson.
Allerdings erhielt der Oppositionschef ausgerechnet am Tag nach der Wahl auch einen herben Dämpfer: Die Polizei teilte überraschend mit, wegen neuer "bedeutsamer Informationen" eine Zusammenkunft in einem Labour-Büro im nordenglischen Durham im vergangenen Jahr nun doch noch genauer zu prüfen. Dabei geht es ebenfalls um den möglichen Bruch von Corona-Regeln. Starmer selbst, der wegen der "Partygate"-Affäre Johnsons Rücktritt fordert, hatte stets betont, damals keine Regeln gebrochen, sondern lediglich bei der Arbeit für sein Team Essen bestellt und ein Bier getrunken zu haben.
Generalsekretär: Labour kann Regierung nicht stellen
Der bisherige Vorsitzende des Stadtrats im nordwestenglischen Carlisle machte Johnson für die Niederlage der Torys verantwortlich. "Probleme wie "Partygate" haben es zunehmend schwierig gemacht, sich auf örtliche Fragen zu konzentrieren", sagte Tory-Mitglied John Mallinson der BBC. Der konservative Parlamentsabgeordnete David Simmonds aus London sagte, Johnson habe "schwierige Fragen zu beantworten". Auch in Schottland steuerten die Tories auf eine herbe Schlappe zu.
Tory-Generalsekretär Oliver Dowden spielte die Verluste herunter. "Natürlich hatten wir einige schwierige Resultate, das kann man in London sehen", sagte Dowden der BBC. Aber in anderen Gemeinden hätten die Tories zugelegt. "Wenn man sich das ganze Bild anschaut, zeigt das wahrlich nicht, dass Labour ein Momentum hätte, um die nächste Regierung zu stellen", sagte Dowden.
Als Sieger der Wahl galten vor allem die Liberaldemokraten. Sie gewannen landesweit Dutzende Sitze hinzu und wurden etwa in der nordostenglischen Stadt Hull, aber auch in der südwestenglischen Grafschaft Somerset stärkste Kraft. Parteichef Ed Davey kündigte an, die Tories künftig noch stärker unter Druck zu setzen.
- Nachrichtenagentur dpa