Lehrer zum Verbot in Bayern "Bin kein Anhänger des Blödsinns"
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Politiker streiten über das Gendern an Schulen. Doch wie sprechen die, die es im Berufsalltag betrifft? Vier Lehrer verraten ihre Meinungen zu sensibler Sprache.
In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist das Gendern an Schulen bereits verboten. Die Thüringer CDU wollte das Gleiche erreichen, doch ihr Gesetzentwurf scheiterte im Landtag im Februar knapp. Markus Söders Traum von genderzeichenfreien Schulen in Bayern wird nach einem Beschluss seines Kabinetts vom Dienstag hingegen wahr. In Hessen könnte ebenfalls bald eine solche Entscheidung fallen.
Während Politiker hitzig über gendersensible Sprache an Schulen streiten, fehlt in der öffentlichen Diskussion oft die Perspektive derjenigen, die tagtäglich Schüler unterrichten und dabei entscheiden müssen, welche Kommunikationsform sie wählen: nämlich Lehrer. Bei t-online kommen vier von ihnen mit ihren sehr unterschiedlichen Meinungen zu Wort.
Jürgen Steinke: Verbot des Genderns kann ich mir nicht vorstellen
"Da ich im Bildungsland NRW ('Hier wachsen Talente.') unterrichte, liegt mir die gendersensible Bildung am Herzen. Darüber hinaus ist die gendersensible Bildung in allen Lehrplänen in NRW vorgeschrieben. Die Verwendung der geschlechtergerechten Sprache ist nur ein Teilbereich. An unserer Schule, einem Berufskolleg, gendern nach meiner Kenntnis alle Kolleginnen und Kollegen. Auch im Schriftverkehr der Schule, im Schulprogramm und im Alltag ist das Gendern verankert.
Zur Person
Jürgen Steinke ist seit 2002 angestellter Lehrer in Nordrhein-Westfalen. Er unterrichtete an einer Hauptschule, einer Gesamtschule und einem Gymnasium. Seit August 2023 ist er Rentner, arbeitet aber als Lehrer am Berufskolleg weiter.
An einem Berufskolleg sind die klassische Berufsschule und diverse Vollzeitschulformen zusammengefasst. Die Abschlüsse reichen vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur.
In all meinen Tätigkeitsbereichen habe ich mich mit Engagement für die geschlechtersensible Bildung eingesetzt und sie auch als Vorbild umgesetzt. Die durchweg positiven Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Schulleitungen haben mich darin bestärkt. Da ich auch in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aktiv bin, werden wir weiter für die Umsetzung einer geschlechtersensiblen Bildung kämpfen. Ein Verbot des Genderns in NRW kann ich mir nicht vorstellen."
Karl Robert Theis: Gendern zu untersagen unterstütze ich
"Die neue hessische Landesregierung hat einen sehr deutlichen CDU-Standpunkt zu Genderdeutsch im Unterricht und wird das laut Koalitionsvertrag auch endlich in die Form einer verbindlichen Vorschrift gießen, die das Gendern an Schulen untersagen wird – was ich ausdrücklich unterstütze. Unsere Schulleitung verwendet seit vielen Jahren die Doppelnennung (z. B. Schülerinnen und Schüler), ich selbst das generische Maskulinum (z. B. Schüler) – wenn nötig mit '(m/w/d)'.
Meine Schüler verwenden in meinem Unterricht in Sprache und Schrift zu 100 Prozent das generische Maskulinum, auch die Frauen. Auf dem Schulhof hört man ebenso nur das generische Maskulinum. Unter den Kollegen gibt es einige wenige, die Arbeitsmaterialien mit Stern und Doppelpunkt ausgeben, sie kennen aber auch die spöttischen Bezeichnungen dieser orthografisch falschen Schreibweise als 'Depp-innen-Doppelpunkt' und 'Idiot-innen-Stern' durch einige Schüler.
Zur Person
Karl Robert Theis ist CDU-Mitglied und Lehrer an einer hessischen Berufsschule. Er unterrichtet Deutsch, Politikwissenschaft und Religion. Weil der t-online-Leser anonym bleiben möchte, haben wir seinen Namen geändert. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.
Ansonsten spielt die politisch einseitig als Gender-'sensibel' bezeichnete Sondersprache an unserer Schule keine Rolle. Sie wird mehrheitlich auch nicht als gendersensibel empfunden, sondern als politisch einseitig. Ich verteile in jedem Schuljahr die Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung als Klarstellung für meinen Unterricht. Ich würde es auch in Klassenarbeiten als Fehler anstreichen, aber das musste ich noch nie, da ich noch nie eine Arbeit in Genderdeutsch statt Normdeutsch bekommen habe."
Susanne Thome: Hat Deutschland keine anderen Probleme?
"Im Unterricht bemühe ich mich, Jungs, Mädchen und alles zwischendrin gleichermaßen anzusprechen. Warum denn auch nicht? Mir macht es nur wenig Mühe und meine Leutchen sind alle gleichermaßen angesprochen – hoffentlich. Sollte das nicht der Fall sein, so liegt es wohl eher nicht am Gendern oder Nicht-Gendern. Hat Deutschland keine anderen Probleme als Binnen-I oder * oder eben deren Vermeidung? Tut es so weh, so zu sprechen, dass sich alle mitgemeint fühlen?
Zur Person
Susanne Thome ist Lehrerin an einer Realschule Plus. Eine Realschule plus ist eine Zusammenführung von Haupt- und Realschule.
Auf der anderen Seite ändern wir doch unsere immer noch sehr patriarchale Gesellschaft nicht im Kampf um das Gendern oder Nicht-Gendern. Wir sollten das Gendern freistellen und ansonsten die Wurzeln des Übels bekämpfen: die noch immer in vielen Hirnen präsente Frauenverachtung."
Werner Wenzel: Ich bin kein Anhänger des Blödsinns
"Gendern ist in NRW ein großes Thema. Lehrkräfte – früher hieß es Lehrer, danach Lehrerinnen und Lehrer, dann Lehrer*innen – sind angehalten, in sämtlichen Klassen zu gendern. Wir werden ermutigt, Fortbildungen zum Thema 'gendergerechte Sprache' zu besuchen. Des Weiteren stellen uns die Bezirksregierungen Übersetzungshilfen zur Verfügung.
Zur Person
Werner Wenzel, Jahrgang 1964, ist seit mehr als 25 Jahren an einem nordrhein-westfälischen Berufskolleg als Lehrer tätig. Er unterrichtet Betriebs- und Volkswirtschaftslehre sowie Recht für Fachabiturienten.
Kolleginnen und Kollegen geht es ähnlich wie mir: Wir bemühen uns um eine gendergerechte Sprache. Unseren Klassen ist dies in der Regel völlig egal. Unsere Schülerinnen und Schüler haben andere Sorgen, als auf eine gendergerechte Sprache zu achten, sie einzufordern oder sie gar anzuwenden.
Ich bin kein Anhänger des Genderblödsinns. Wie mir geht es vielen Kolleginnen und Kollegen. Ich bin der Meinung, dass Geschlechtergerechtigkeit vor allem durch Taten zu erreichen ist und nicht durch Sprachkonstruktionen, die an unseren Schülerinnen und Schülern vorbeigeht."
- Zuschriften von t-online-Lesern, die als Lehrer tätig sind