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Sudan-Konflikt: Die weltweit größte Flüchtlingskrise


Millionen fliehen vor Konflikt
"Die Menschen dort haben alles verloren"

Von dpa
14.04.2024Lesedauer: 4 Min.
imago images 0442217256Vergrößern des BildesMenschen helfen, Kinder auf einem Lastwagen davon zu bringen (Archivbild): Millionen Menschen flüchten aus dem Sudan. (Quelle: IMAGO/Sally Hayden / SOPA Images/imago)

Seit einem Jahr tobt im Sudan ein erbitterter Konflikt. Mehrere Millionen Menschen sind bislang geflüchtet. Und vor allem eine Bevölkerungsgruppe steht im Fokus des Terrors.

Es sind über Tausend Menschen, manchmal auch mehrere Tausend, die täglich zu Fuß oder mit Eselskarren die staubige Landstraße entlangziehen. Am Grenzposten Joda an der Grenze zwischen dem Sudan und dem Südsudan können sie wieder durchatmen – zum ersten Mal seit Wochen oder Monaten. Sie wollen nach Renk im Südsudan. Die kleine Stadt ist seit Beginn des Konflikts im Nachbarland erstes Ziel der Flüchtlinge aus dem Sudan.

Der Machtkampf zwischen dem sudanesischen De-facto-Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und seinem ehemaligen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo hat in den vergangenen zwölf Monaten die mittlerweile größte Flüchtlingskrise weltweit ausgelöst. Nach jüngsten Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks sind 8,6 Millionen Menschen innerhalb des Sudans und in den Nachbarländern auf der Flucht vor den Kämpfen zwischen der Regierungsarmee SAF und Daglos Miliz RSF. Andere Schätzungen gehen sogar von mehr als neun Millionen Menschen aus. Doch selbst konservativ geschätzt stammt jeder achte Flüchtling weltweit aus dem Sudan.

Am 15. April 2023 fielen die ersten Schüsse

Als am 15. April 2023 in der sudanesischen Hauptstadt Khartum die ersten Schüsse fielen, dachten viele noch, es werde in ein paar Tagen vorbei sein, als sie mit dem Nötigsten flohen. Zehntausende saßen wegen der Kämpfe und Luftangriffe in ihren Wohnungen fest und konnten sich nicht außerhalb Khartums in Sicherheit bringen. Gut eine Woche nach dem Beginn der Kämpfe fingen mehrere Staaten an, ihre Bürger und andere Ausländer zu evakuieren. Auch die Bundeswehr flog während einer Feuerpause Hunderte Menschen aus dem Sudan aus.

Inzwischen liegt Khartum nach Berichten von Augenzeugen in weiten Teilen in Trümmern. Die Kämpfe zwischen SAF und RSF haben sich in den vergangenen zwölf Monaten auf weite Teile des Landes erstreckt und in den vergangenen Wochen noch einmal deutlich intensiviert.

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Massaker und niedergebrannte Dörfer in Darfur

Christos Christou, der Internationale Direktor von Ärzte ohne Grenzen, war vor wenigen Wochen in der westlichen Region Darfur. "Ganze Dörfer sind völlig niedergebrannt worden", sagt er. "Die Menschen dort haben alles verloren, und sie erhalten keinerlei Hilfe." El Geneina in West Darfur sei nach zwei Massakern arabischer Milizen an der zur Volksgruppe der Massalit gehörenden Bevölkerung eine Geisterstadt. Flüchtlingslager seien überfüllt und auch die sogenannten Host Communities, Städte und Dörfer, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen, in großer Not.

"Die Bedingungen in Darfur sind ähnlich schlimm wie vor 20 Jahren während des Völkermords. Aber im Gegensatz zu damals bekommt Darfur kaum Aufmerksamkeit", sagt Dominic MacSorley von der Hilfsorganisation Concern. "Die Krise hat noch nicht ihren Höhepunkt erreicht, aber schon jetzt sterben Kinder."

Drohende Hungerkatastrophe

Denn im Sudan droht nach Angaben von UN-Experten eine Hungerkatastrophe – umso mehr, seit die RSF im vergangenen Dezember in den Bundesstaat Jezira vorrückte, der wegen seines Getreideanbaus als Brotkorb des Sudans gilt.

"Viele Menschen haben nur noch eine Mahlzeit am Tag, wenn überhaupt", so MacSorley. "Und die Frauen essen als letzte und am wenigsten." Mindestens vier Millionen Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. Nach Angaben des Welternährungsprogramms WFP gelten 18 von 49 Millionen Menschen im Sudan als von akutem Hunger bedroht. Der weltgrößten Flüchtlingskrise könnte die größte Hungerkrise der Welt folgen, warnt das WFP.

Kaum Zugang zu Notleidenden

Auf der internationalen Geberkonferenz, die am Montag in Paris beginnt, wird es um Hilfsmaßnahmen und dringend benötigte Gelder gehen. Doch neben der Finanzierung der Hilfe, so ist von Helfern im Sudan immer wieder zu hören, ist das große Problem der Zugang zu Menschen, die Lebensmittel oder Medikamente brauchen. Die Regierungsbehörden verweigern seit Monaten Genehmigungen für Transporte in Gebiete, die unter der Kontrolle der RSF stehen. RSF-Kämpfer haben wiederholt Lebensmittellager und Krankenhäuser geplündert. Teilweise ist es für die Helfer zu gefährlich, in Kampfgebieten zu arbeiten.

In dieser Situation kommt gerade den zahlreichen lokalen Initiativen enorme Bedeutung zu, die sich vor Ort gegründet haben, um etwa Suppenküchen zu organisieren, sagt Marius Schneider, Sudan-Projektleiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Video | Dutzende Babys sterben in Kinderheim
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Quelle: t-online

Krieg gegen Frauen und Mädchen

"Das ist vor allem ein Krieg gegen Frauen und Mädchen", sagt Sofia Sprechmann Sineiro von der Hilfsorganisation Care angesichts der geschlechtsspezifischen und sexuellen Gewalt, die den Kämpfern beider Seiten, vor allem aber der RSF und den mit ihr verbündeten Milizen vorgeworfen wird. So ist in einem Bericht von Experten an den UN-Menschenrechtsrat von Sklavenmärkten die Rede, auf denen unter anderem in Nord Darfur Frauen und Mädchen als Sexsklavinnen verkauft werden.

In den Flüchtlingslagern im Südsudan oder im Tschad, in die Hunderttausende aus dem Sudan geflohen sind, berichten Betroffene von Vergewaltigungen in ihren Häusern, an Checkpoints, während der Flucht. So etwa die junge Frau, die noch zur Schule ging und mit ihren jüngeren Geschwistern zu Beginn der Kämpfe alleine zu Hause war, als dort zehn Kämpfer eindrangen und sie vergewaltigten. Doch viele Überlebende sexueller Gewalt berichten nur andeutungsweise, was ihnen zugestoßen ist oder schweigen aus Scham – zu groß ist das kulturelle Stigma, zu groß die Angst, als "unrein" von der Familie verstoßen zu werden.

Flucht über die Grenze

Erster Zufluchtsort für diejenigen, die es in den Südsudan geschafft haben, ist meist das Transitzentrum von Renk. Ursprünglich für 3.000 Menschen errichtet, die dort zwei Wochen verbringen sollten, leben dort mittlerweile 15.000 Menschen unter zunehmend prekären Verhältnissen.

Die 29 Jahre alte Katmallah Mahdi und ihre vier Freundinnen haben sich zu einer ebenso verzweifelten wie entschlossenen Schicksalsgemeinschaft zusammengeschlossen. "Wir haben seit Monaten nichts von unseren Männern gehört", sagt Katmallah, die Wortführerin der jungen Frauen, die sich mit ihren Kindern eine zeltartige Unterkunft teilen. "Das Internet funktioniert nicht mehr im Sudan, das Mobilnetz auch nicht. Wir wissen nicht, wer lebt und wer getötet wurde."

"Wir unterstützen uns gegenseitig", sagt die junge Frau. Man biete Trost und Zuspruch sowie Hilfe bei der Betreuung der Kinder oder wenn sich eine erschöpft oder traurig fühle. "Unsere Freundschaft gibt uns die Kraft, die wir brauchen, um das alles durchzustehen." Was die Zukunft bringt und wann der Konflikt in ihrer Heimat endet, das können sich die fünf Frauen derzeit kaum vorstellen. "Es ist schwer, zu hoffen. Wir können nur beten, dass es besser wird."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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