AfD verklagt den Verfassungsschutz Das Urteil ist gefallen
Die AfD ist gegen den Bundesverfassungsschutz vor Gericht gezogen. In dem Prozess hat sie alle Register gezogen – allerdings erfolglos.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) darf die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) im nordrhein-westfälischen Münster wies am Montag die Klage dagegen zurück. Damit bestätigte es ein vorangegangenes Urteil des Verwaltungsgerichts Köln von 2022.
Die AfD hat gegen eine Entscheidung des BfV geklagt. Es ging um die Frage, ob der Verfassungsschutz die Partei sowie deren Jugendorganisation Junge Alternative (JA) zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Bereits in der Vorinstanz hatten die Richter am Verwaltungsgericht Köln die Bewertung 2022 so bestätigt.
Dagegen hatte die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla Berufung eingelegt. Das OVG in Münster wies diese nun aber zurück. t-online gibt einen Überblick.
Wer klagte gegen wen und warum?
Die AfD klagte gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Es hatte die AfD sowie die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) im Jahr 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Diese Einstufung erlaubt die nachrichtendienstliche Überwachung der Partei und ihrer Jugendorganisation. Die AfD klagte 2022 gegen die Einstufung, verlor aber vor dem Verwaltungsgericht Köln.
Gegen dieses Urteil legte die Partei Berufung ein. Die nächsthöhere Instanz, das OVG in Münster, diskutierte also erneut, ob das BfV die AfD als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus behandeln darf. Das unabhängige Gericht prüfte, wie sehr sich die Partei gegen die Grundpfeiler der Demokratie wendet.
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Zum Hintergrund: Das Gericht in Köln hatte die Einschätzung des Verfassungsschutzes von 2021 unter Verweis auf Gutachten und Materialsammlungen der Behörde bestätigt und bezog sich dabei vor allem auf einen inhaltlichen Punkt. Sowohl der formal inzwischen aufgelöste Flügel des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke als auch die JA setzen sich demnach für einen ethnisch verstandenen Volksbegriff ein.
Das deutsche Volk müsse aus Sicht der Partei in seinem ethnischen Bestand erhalten, "Fremde" müssten möglichst ausgeschlossen werden. Das stehe im Widerspruch zum Volksbegriff des Grundgesetzes, so das Gericht. Die Partei und die JA dürfen daher seit 2021 mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Beweise dafür brachte der Verfassungsschutz anhand von 275 Aktenordnern von Ermittlern sowie 15.000 Seiten Gerichtsakten vor.
Wie argumentierte die AfD?
Die AfD stellte in dem Prozess infrage, ob das Bundesamt für die Beurteilung der Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall eine gesetzliche Grundlage hat. Entscheidend sei allein das Grundgesetz, das den Parteien eine besondere Rolle in der Demokratie zuspricht, argumentierte sie.
Wie begründet das Gericht sein Urteil?
Laut dem Oberverwaltungsgericht stellen die Regelungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes eine "ausreichende rechtliche Grundlage für die Bobachtung als Verdachtsfall" dar. Das gelte auch für politische Parteien, die unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen, teilt das OVG in einer Pressemitteilung mit. Die Befugnis zur nachrichtendienstlichen Beobachtung bestehe, wenn "ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betroffene Vereinigung Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind."
Im Fall der AfD liegen nach Überzeugung des urteilenden fünften Senats "hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die AfD Bestrebungen verfolgt, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind". Es bestehe der "begründete Verdacht", dass maßgebliche Teile der Partei sich politisch zum Ziel gesetzt haben, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen, so das OVG. Das stelle eine unzulässige Diskriminierung dar, die mit der Garantie der Menschenwürde nicht vereinbar ist.
Auch auf den "ethnisch-kulturellen Volksbegriff" geht das Gericht ein. Die Verwendung alleine sei nicht verfassungswidrig und mit der Menschenwürde unvereinbar, die Verknüpfung des Begriffs mit einer politischen Zielsetzung, "mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehöriger infrage gestellt wird", ist es aber schon. Für solche diskriminierenden Zielsetzungen gibt es laut OVG "hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte".
Vorwürfe, dass das BfV bei der Einstufung und der Beobachtung der AfD als Verdachtsfall aus parteipolitischen Motiven gehandelt hat oder noch handelt, wies das Gericht zurück. Anhaltspunkte dafür gebe es nicht.
Wie reagiert die AfD auf das Urteil?
Roman Reusch, Mitglied des AfD-Bundesvorstands, erklärte kurz nach dem Urteil, dass die AfD in die nächste Instanz gehen wolle – also das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Anwälte der AfD hatten dies bereits im Verlauf des Verfahrens angekündigt.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird dann in einer Revision die Entscheidung des OVG auf Rechtsfehler prüfen. Da das Gericht in Münster die letzte Tatsacheninstanz ist, kann die AfD vor dem Bundesverwaltungsgericht nun allerdings keine neuen Beweisanträge mehr vortragen.
Welche Bedeutung hat der Prozess für die AfD?
Der Prozess hat für die AfD eine große Bedeutung, denn die Partei hat in Umfragen zuletzt an Zustimmung verloren. Erstmals seit vergangenem Sommer rutschte sie wieder unter die 20-Prozent-Marke. Dennoch dürfte das Urteil für die aktuelle Wählerschaft und Ausrichtung der AfD nur eine geringe Rolle spielen, vermutet Rechtsextremismus-Experte Hajo Funke. Ein guter Teil der AfD-Wähler sei inzwischen "rechtsextrem überzeugt", sagt Funke t-online. "Die schreckt der Verfassungsschutz nicht ab." Mehr dazu lesen Sie hier.
Zudem könnte es bald einen weiteren Prozess geben, denn in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stuft der Verfassungsschutz den jeweiligen Landesverband als gesichert rechtsextrem ein. Auch dagegen will die AfD juristisch vorgehen.
Darüber hinaus wird seit einigen Wochen intensiv über ein mögliches Parteiverbot oder eine Beschränkung der finanziellen Mittel der AfD diskutiert. Diese Debatte ist jedoch nicht Teil der derzeitigen juristischen Auseinandersetzung. Denn über ein solches Verbot könnte nur das Bundesverfassungsgericht auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung entscheiden. Derzeit liegt ein solcher Antrag nicht vor.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa und Reuters
- Reporterin im OVG Münster
- Pressemitteilung OVG Münster