Zweifel an Wackelkandidaten Das falsche Spiel mit dem "Vielleicht" im Dschungel
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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" lebt wie kaum eine andere TV-Show von seinen Zuschauervotings. Doch geht dabei alles mit rechten Dingen zu?
Ab der zweiten Woche verändert sich die Dynamik im Dschungelcamp. Ab dann dreht sich alles nur noch um die Frage: Welcher Star fliegt als Nächstes aus der Show? Genau das sorgt in diesem Jahr wieder für Diskussionen. Zuschauer zweifeln an den Votings und vor allem an den von RTL mit dem "Du bist es vielleicht"-Satz inszenierten Wackelkandidaten.
Doch der Reihe nach: Während einer Ausstrahlung bekommen die Promis in der Sendung die Gelegenheit, für sich zu werben – inklusive der Nennung ihrer Endziffer. So können die Zuschauer entscheiden, welche Nummer sie wählen, um ihrem persönlichen Favoriten den Weg ins Finale zu ebnen.
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Im Dschungelcamp nimmt die Geschichte von Kim und Mike viel Raum ein, auch Leyla spielt eine Rolle in diesem Liebesdreieck. Sind Sie Team Kim oder Team Leyla? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie den Betreff "Dschungelcamp" und begründen Sie.
So weit, so simpel. Kommen wir zu den etwas kniffligeren Details. Manchmal entscheidet RTL, keinen der Kandidaten herausfliegen zu lassen. Zum Beispiel, weil es zuvor aus medizinischen Gründen wie bei Heinz Hoenig zu Abschieden kam oder freiwillige Abgänge wie der von Cora Schumacher den Handlungsspielraum für die Redaktion des Dschungelcamps erweitern. Dann bekundet der Sender, alle Anrufe zu sammeln und mit denen in der nächsten Folge zu summieren.
RTL macht aus dem "Vielleicht" ein großes Geheimnis
In allen anderen Fällen folgt die Show einem ritualisierten Ablauf. Sonja Zietlow und Jan Köppen gehen zum Lagerfeuer im Camp, dort haben sich alle Stars versammelt. Dann werden Schritt für Schritt die Namen der Promis vorgelesen, zu Beginn in aller Regel mit dem Zusatz "Du bist es nicht". Das große Aufatmen bei den einen sorgt für das große Zittern bei den anderen, denn irgendwann sagt einer der Dschungelcamp-Moderatoren den Satz "Du bist es heute vielleicht" – nur um dann am Ende ein Kopf-an-Kopf-Rennen in Szene zu setzen.
Anschließend verlässt ein Star die Show und der andere denkt, er hat schlechte Karten, denn das "Vielleicht" wirkt wie ein Hinweis auf das Voting-Ergebnis. Der geschasste Kandidat, so die Annahme, hat die wenigsten Anrufer und der andere entsprechend die zweitwenigsten. Doch um dieses "Vielleicht"-Rätsel macht RTL traditionell ein riesiges Geheimnis. Nicht nur die Stars im Camp, auch die Zuschauer vor den Fernsehern grübeln Jahr für Jahr, was es damit auf sich hat.
Auch in diesem Jahr ist das so. Seit Tag 13 wird das Dilemma diskutiert. In der Hauptrolle dabei: Fabio Knez. "Fabio, du bist es dieses Mal auch vielleicht", sprach Sonja Zietlow am Mittwoch die gefürchteten Worte. Doch statt des Zuschauerlieblings war es dann Felix von Jacheroff, der gehen musste – und auch an Tag 14 war es nicht Fabio, der herausflog, sondern Kim Virginia. Nicht mal mehr ein "Vielleicht" gab es für den 1,90 Meter Hünen, stattdessen musste Tim um seine Teilnahme bangen. An Tag 15 verließ erneut kein Star das Camp. RTL gab nur bekannt, dass Leyla die wenigsten Anrufe erhalten hatte.
Was die Frage aufwirft: Haben sich die Abstimmungsergebnisse wirklich so sehr verändert – oder macht RTL aus der "Vielleicht"-Verkündung eine Mogelpackung und legt extra eine falsche Fährte?
Im Jahr 2023 hat RTL einmal gemogelt, im Jahr 2022 zweimal
Auf Anfrage von t-online will RTL zu dem Thema nichts sagen: "Wir bitten um Verständnis, dass es dafür von uns keinen Kommentar gibt." Doch ein Blick zurück in die Dschungelcamp-Ausgaben der letzten beiden Jahre lüftet das Geheimnis. Denn nach dem Ende der Show gibt RTL die Abstimmungsergebnisse aller Folgen bekannt, sodass transparent zu sehen ist, welcher Star wann auf welchem Platz lag. Vergleicht man diese Platzierungen mit den "Vielleicht"-Äußerungen, fällt auf: Im Jahr 2023 hat RTL einmal gemogelt, im Jahr 2022 zweimal.
So war es vergangenes Jahr am zweiten Tag der Votings Claudia Effenberg, die von den Moderatoren als Wackelkandidatin benannt wurde, obwohl eigentlich Cecilia Asoro weniger Anrufer hatte. Asoro flog drei Tage später aus dem Camp, Effenberg einen Tag darauf. Im Jahr 2022 wurde es ganz wild: Da gab RTL an Tag zwei Manuel Flickinger ein "Vielleicht", obwohl er die drittmeisten Stimmen hatte und sich damit insgesamt sechs Mitstreiter hinter ihm einreihten, inklusive Jasmin Herren auf dem letzten Platz, die an diesem Tag gehen musste. Am Ende schaffte es Flickinger sogar ins Halbfinale der Show.
Und noch an einem anderen Tag verfälschte RTL das Voting nach außen hin mit einer nicht stimmigen "Vielleicht"-Zuordnung. Am vierten Tag, an dem die Zuschauer einen Star herauswerfen durften, wurde Anouschka Renzi als zweitschlechteste ausgegeben, dabei waren Peter Althof und Linda Nobat hinter ihr platziert. Als Renzi dann zwei Tage später auf dem letzten Platz landete und eigentlich hätte fliegen müssen, setzte RTL eine Runde aus – doch das half ihr nur einen Tag, vier Folgen vor dem Finale musste die Krawallschachtel gehen.
Womit feststeht: Das "Vielleicht" ist keine Dschungelgesetzmäßigkeit, es ist eher eine Finte, mit der RTL die Zuschauer an der Nase herumführen kann. Da das Publikum davon ausgeht, dass der entsprechend angezählte Star zu wenige Stimmen hat, wird der Eindruck erweckt, hier bräuchte jemand dringend Hilfe – also mehr Votes. Vor allem für die jeweiligen Fangruppierungen wohl Ansporn, beim nächsten Mal mehr anzurufen. Zumal der "Vielleicht"-Promi in den meisten Fällen tatsächlich die zweitwenigsten Stimmen hat.
Und für RTL? Womöglich hält sich der Sender so die ein oder andere Story offen und möchte vermeintliche Publikumslieblinge oder Quoten-Zugpferde länger in der Show halten. Dafür spricht zum Beispiel das Aussetzen am Freitag, denn so kann RTL weiter auf eine Leyla-Mike-Liaison hoffen. Oder die Dschungelcamp-Macher wollen in erster Linie keinen Einfluss auf die Zuschauer nehmen, sondern die Stars innerhalb des Camps anstacheln. Was auch immer dahintersteckt: Das "Vielleicht" ist vielleicht doch gar nicht so fatal, wie viele immer dachten.
- Eigene Recherchen
- Anfrage an RTL