Terrorangriff bei Moskau Verdächtige erscheinen mit Folterspuren vor Gericht
Es soll elf mutmaßliche Akteure des blutigen Terroranschlags in der russischen Hauptstadt gegeben haben. Nun wurden die ersten Verdächtigen einem Richter vorgeführt.
Gezeichnet von üblen Gesichtsverletzungen sind die vier mutmaßlichen Attentäter des jüngsten Terroranschlags nahe Moskau dem Haftrichter vorgeführt worden. Die Angeklagten wurden am Sonntag von vermummten Sicherheitskräften ins Basmanny-Gericht in der russischen Hauptstadt gebracht und mit deutlich sichtbaren Blutergüssen, Schwellungen, Schürf- und Platzwunden in Glaskäfige platziert.
Einer von ihnen war offensichtlich nicht mehr in der Lage zu laufen und lag mit geschlossenen Augen festgeschnallt in einem Krankenstuhl. Ein anderer trug einen wenig fachmännisch wirkenden Verband am rechten Ohr.
Vor dem Gerichtstermin waren Videoaufnahmen im Netz verbreitet worden, die zeigen sollen, dass die festgenommenen Männer gefoltert wurden und einem von ihnen gar ein Ohr abgeschnitten wurde. Ob die Aufnahmen authentisch sind, ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Die eigentliche Anhörung fand hinter geschlossenen Türen statt, wie die russische Staatsagentur Tass berichtete. Der Terrorverdächtige auf dem Krankenstuhl, der den Anschlag gefilmt haben soll, hatte demnach "Schwierigkeiten zu sprechen". Das Ermittlungskomitee wirft ihm und seinen drei mutmaßlichen Komplizen einen gemeinschaftlich verübten tödlichen Terroranschlag vor.
Haftbefehle gegen mutmaßliche Terroristen erlassen
Nach der Tat in einem Veranstaltungszentrum nahe Moskau, bei der am Freitag 137 Menschen getötet und nach neuen Angaben der Gesundheitsbehörden 182 weitere verletzt wurden, gab es insgesamt elf Festnahmen. Vier der Verdächtigen gelten als die Todesschützen – sie sind diejenigen, die nun dem Haftrichter vorgeführt wurden. Die Haftbefehle wurden laut Tass am Sonntagabend erlassen. Die vier Männer waren am Wochenende im russischen Grenzgebiet Brjansk festgenommen und nach Moskau gebracht worden.
Menschenrechtler berichten immer wieder von Demütigungen, Misshandlungen und brutalen Foltermethoden im russischen Strafvollzug. Öffentlich inszenierte Schauprozesse dienen demnach der staatlichen Machtdemonstration und Abschreckung.
Zu dem Anschlag hat sich die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) öffentlich bekannt. Verantwortlich soll der Ableger ISPK sein, der auch schon in Deutschland Anschläge geplant hat (mehr dazu lesen Sie hier). Terrorismusexperten stuften das Schreiben als glaubwürdig ein.
Dennoch behauptet der Kreml, die Ukraine sei in den Anschlag verwickelt. Gegen das Land führt Russland seit mehr als zwei Jahren einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Nach Angaben des russischen Präsidenten Wladimir Putin wollten die Täter in die Ukraine flüchten. Beweise dafür legte er aber nicht vor. Kiew weist jede Beteiligung an der Tat zurück. Mehr dazu lesen Sie hier.
Russische Rockband Piknik gedenkt der Opfer des Terroranschlags
Unterdessen beging Russland am Sonntag einen nationalen Trauertag. Die Mitglieder der Rockband Piknik, die am Freitag in der Crocus City Hall hätte auftreten sollen, legten am Abend vor der Konzerthalle Blumen für die Opfer nieder. Nach einer Gedenkminute sprachen sie den Hinterbliebenen ihr Mitgefühl aus. "Diese Gräueltat ist eine sinnlose, unvorstellbare Grausamkeit", wurde Bandleader Edmund Schkljarski von der Tass zitiert. Unter den Todesopfern ist laut der Band auch eine ihrer Assistentinnen.
Sichtlich erschütterte Bewohner der Hauptstadtregion strömten auch am Sonntag in dichten Scharen zur Crocus City Hall. Am Zaun vor dem zerstörten Gebäude legten sie Blumen und Spielsachen zum Gedenken an die Opfer nieder – die Gegend glich einem Blumenmeer. Auf Leuchttafeln in der russischen Hauptstadt flackerte anstelle von Werbung die Aufnahme einer Kerze und darunter die Aufschrift: "Wir trauern. 22.03.2024." Über dem Kreml wehte die Fahne auf halbmast.
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Putin spricht von Spur in die Ukraine
Präsident Putin sprach in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede am Samstagnachmittag von einer angeblichen Spur in die Ukraine. Mit Blick auf die festgenommenen Verdächtigen sagte er: "Sie haben versucht, sich zu verstecken, und haben sich in Richtung Ukraine bewegt, wo für sie ein Fenster für einen Grenzübertritt vorbereitet worden war." Der ukrainische Militärgeheimdienst konterte dies mit dem Hinweis, dass die Grenze seit Langem vermint sei. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies jede Verwicklung seines Landes in den Anschlag zurück.
Angesichts der Anschuldigungen aus Moskau nannte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba den Kremlchef am Sonntag einen "pathologischen Lügner". Putin versuche verzweifelt, die Ukraine mit dem Anschlag in Verbindung zu bringen, auch wenn es keine Beweise gebe, schrieb Kuleba am Sonntag auf der Plattform X. "Lasst euch nicht von Putin und seinen Handlangern in die Irre führen", appellierte er. Ihr einziges Ziel sei, weitere Russen zu motivieren, um in dem sinnlosen und kriminellen Krieg gegen die Ukraine zu sterben. Zudem solle dadurch weiterer Hass gegen andere Länder, vor allem den gesamten Westen, geschürt werden.
- Nachrichtenagenturen Reuters, dpa und afp