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JU-Chef Winkel vor CDU-Parteitag: "Das wäre genau das falsche Signal"


Junge-Union-Chef Johannes Winkel
"Das hätten wir klarstellen müssen"

InterviewVon Sara Sievert

04.05.2024Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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CDU-Politiker Johannes Winkel: "Jeder soll seine Meinung sagen, keine angezogenen Handbremsen." (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)

Ab Sonntag trifft sich die CDU für vier Tage zum Parteitag in Berlin. Neben der Wiederwahl des Vorsitzenden steht auch das neue Grundsatzprogramm auf der Agenda. JU-Chef Johannes Winkel hofft auf einen Kurswechsel und übt Kritik an einem Ministerpräsidenten.

Freitagmittag vor dem CDU-Parteitag, ein Telefonat mit dem Vorsitzenden der Jungen Union, Johannes Winkel. Seine Erwartungen an die bevorstehenden Tage? Definitiv hoch. Gerade ist Winkel noch in Nordrhein-Westfalen. Trotzdem dreht sich der Großteil seiner Gespräche schon jetzt um den Parteitag in Berlin. "Die Leute sollen wieder wissen, wofür wir stehen", sagt Winkel. Dafür müsse die CDU wichtige Kurskorrekturen vornehmen.

Dass manch einer vorhersagt, es werde ruhig, harmonisch, gar langweilig, kann der JU-Chef nicht nachvollziehen. "Ich wünsche mir eine leidenschaftliche Debatte", sagt er. Das mache eine demokratische Partei aus.

t-online: Herr Winkel, Montag beginnt der CDU-Parteitag, was erwarten Sie von den drei Tagen?

Johannes Winkel: Ich erwarte einen Aufbruch der CDU. Denn die fehlende inhaltliche Klarheit war einer der wesentlichen Gründe, warum die letzte Bundestagswahl schiefgegangen ist. Die Leute sollen wieder wissen, wofür wir stehen. Dafür müssen wir wichtige Kurskorrekturen vornehmen.

Welche Kurskorrekturen meinen Sie?

Vor allem das Thema Migration. Wir diskutieren seit neun Jahren ohne ein einziges Ergebnis, dafür mit umso mehr moralischer Aufladung. Auch in der CDU haben wir lange gestritten. Jetzt sind wir in der Frage klar und geschlossen: Migration in den Arbeitsmarkt befürworten wir. Die irreguläre Migration in die Sozialsysteme werden wir beenden.


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Jetzt zu sagen, wir wollen den Parteitag narkotisieren, das wäre genau das falsche Signal.


Johannes Winkel


Dabei ist sich die Partei längst nicht überall einig. Etwa beim Thema Schuldenbremse. Glauben Sie, das kommt auf dem Parteitag noch einmal auf?

Ich hoffe nicht nur auf eine Debatte zur Schuldenbremse, sondern fordere dazu auf! Die Junge Union hat hier eine klare Haltung. Deshalb haben wir auch einen ganzen Absatz dazu in die Präambel des Grundsatzprogramms gestellt. Der ein oder andere hat sich dazu kritisch geäußert, ich denke konkret an die Beiträge von Kai Wegner. Ich kann deshalb nur jeden dazu ermutigen, diese Position dann auch auf dem Bundesparteitag zu vertreten.

Glauben Sie, dass es da zum Streit auf offener Bühne kommt? Viele erwarten das Gegenteil.

Ich wünsche mir eine leidenschaftliche Debatte um politische Themen. Streit in den großen Debatten muss sein, das macht doch gerade eine demokratische Partei aus! Jetzt zu sagen, wir wollen den Parteitag narkotisieren, das wäre genau das falsche Signal. Nehmen wir das Thema Schuldenbremse: Jeder soll seine Meinung sagen, keine angezogenen Handbremsen. Am Ende wird abgestimmt. Danach muss natürlich klar sein, dass wir diese Positionen geschlossen vertreten. Es bringt schließlich nichts, wenn wir etwas beschließen und am Ende doch jeder macht, was er will. Dann kann man sich Parteitage auch sparen.

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Nochmal zur Schuldenbremse, heißt, sie hielten auch eine Reform für falsch?

Niemand, der Politik pragmatisch statt ideologisch macht, kann für alle Ewigkeiten eine Reform ausschließen. Aber aktuell müssen wir doch zwei Dinge sehen: Erstens haben wir Rekordsteuereinnahmen. Aber viel wichtiger ist zweitens: Fast alle Probleme unseres Landes sind struktureller Natur und selbstgemacht. Bürokratie und Berichtspflichten, fehlende Anreize in der Arbeitsmarktpolitik oder eine aberwitzige Energiepolitik. Wir müssen also dringend über eine Reform unseres Staates sprechen. Die CDU braucht den Mut der Agenda 2010 – mindestens!

Eine Aufgabe der Schuldenbremse wäre gleichzeitig die Aufgabe aller notwendiger Reformen. Bestehende Probleme mit Geld zuzuschütten, ist nicht nur denkfaul, sondern vor allem nutzlos, weil man damit nicht an die Ursache geht. Die Schuldenbremse zwingt die Politik, diese Strukturprobleme anzugehen. Für diese Strukturreformen wünsche ich mir mehr Mut, auch von dem ein oder anderen in der CDU.

Ist es die Aufgabe des Vorsitzenden das Thema bis zur Bundestagswahl abzuräumen?

Wir müssen bei dem Thema sowohl im Bund als auch in den Ländern geschlossen sein.

Es gibt noch ein zweites Thema, von dem erwartet wird, dass es auf dem Parteitag eine größere Rolle spielen könnte: Leitkultur. Halten Sie den Begriff für veraltet?

Über den Begriff an sich kann man streiten. Am Ende des Tages ist die Botschaft aber als eine Begriffsanalyse. Diese Botschaft ist glasklar. Wir haben ein großes Problem mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das sehen ja auch die anderen Parteien. Aber wir sind die einzigen, die sich trauen, eine Antwort darauf zu geben und die heißt bei der CDU eben "Leitkultur". Also unsere Vorstellung für ein gemeinsames Wertefundament.

Und was bedeutet das konkret?

Es gibt auf der einen Seite das Grundgesetz. Das ist wichtig, aber es reicht nicht. Denn zu einem gemeinsamen deutschen Wertefundament gehört beispielsweise auch das Bekenntnis zum jüdischen Leben und zu Israel. Leider müssen wir uns darüber im Klaren werden, dass es hier mittlerweile keinen Konsens in Deutschland mehr gibt. Diesen müssen wir aber allen abverlangen. Hier will ich ausdrücklich nicht nur Muslime ansprechen, sondern auch z.B. die politisch linke und rechte Szene. Insofern ist die "Leitkultur" jedenfalls für mich nicht nur an Menschen gerichtet, die zu uns kommen.

Ist der Satz "Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland." im Grundsatzprogramm richtig?

Ja. Das hätten wir politisch schon viel länger klarstellen müssen. Und wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass diese Debatte richtig ist, dann haben wir ihn am vergangenen Wochenende in Hamburg gesehen. Wenn hoch aggressive Männer durch die Straßen ziehen und "Kalifat" brüllen oder eine Islamistin, die auch noch Rundfunkrätin ist, die Scharia verharmlost, ist die Grenze schon lange überschritten. Die Botschaft muss deshalb klar sein: Wir haben die politische Kraft, um dem Islamismus den Kampf anzusagen!

Ist Islam und Islamismus denn dasselbe?

Natürlich nicht. Islamismus verstehe ich als eine radikale Auslegung des Islam, die andere Religionen, aber vor allem die Demokratie an sich ablehnt. Natürlich können theoretisch auch andere Religionen nicht zu unseren Werten passen. Im Alten Testament stehen auch Passagen, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass eine Bedrohung für unsere Demokratie heute ganz konkret von Islamisten ausgeht.

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Nochmal zurück zur CDU, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, hat nun kurz vor dem Parteitag gesagt, man dürfe die Linke nicht mit der AfD vergleichen. Hat er Recht?

Die Linke ist nicht mit der AfD gleichzusetzen, das stimmt. Trotzdem habe ich die Stoßrichtung dieses Beitrags offen gestanden nicht verstanden.

Inwiefern?

In dieser Zeit sollten sich alle Landesverbände der CDU darauf konzentrieren, die drei ostdeutschen Landesverbände so gut es geht zu unterstützen. In Thüringen liegt der Fokus also auf Mario Voigt, der gegen Björn Höcke bereits ein überragendes Duell abgeliefert hat. Er kämpft aber natürlich auch gegen Bodo Ramelow. Insofern habe ich mich über das Lob Daniel Günthers für Bodo Ramelow geärgert. Auch inhaltlich halte ich solche Aussagen für unpassend.


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Habe mich über das Lob Daniel Günthers für Bodo Ramelow geärgert. Auch inhaltlich halte ich solche Aussagen für unpassend.


Johannes winkel


Könnte daraus nochmal die Debatte entstehen, dass man für eine Koalition mit den Linken offen sein sollte?

Wir sollten jetzt erstmal alle Konzentration darauf verwenden, auf Landes- wie auf Bundesebene, für unsere Inhalte zu werben. Jede Koalitionsdebatte ist nicht nur schädlich, sondern in gewisser Weise auch überheblich, weil man erst mal abwarten muss, wie die Wahl überhaupt ausgeht.

Es ist noch nicht lange her, da hat Friedrich Merz eine seiner Merzmails genau dem Thema, also möglichen Koalitionspartnern, gewidmet.

Wie gesagt, wir sollten uns voll darauf konzentrieren, bis zur Wahl geschlossen für unsere Inhalte zu werben.

Ist nach einem guten Ergebnis für Friedrich Merz am Montag klar, dass er Kanzlerkandidat der Union wird?

Friedrich Merz hat ein sehr gutes Ergebnis verdient. Wer Kanzlerkandidat wird, entscheiden wir nach den Landtagswahlen.

Letzte Frage, was hat Friedrich Merz, was Hendrik Wüst nicht hat?

Enkelkinder.

Herr Winkel, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview
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