Söders Manipulation mit Bildern Der unverfrorene Markus S.
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Markus Söder ist gewieft, vor allem, wenn es um die Inszenierung seiner selbst geht. Jüngstes Beispiel: seine Instagram-Postings nach der Ministerpräsidentenkonferenz.
Viel und mit apokalyptischen Zukunftsszenarios versehen diskutiert die Welt seit einigen Monaten über Künstliche Intelligenz (KI). Mithilfe von KI lässt sich die Realität dermaßen manipulieren, heißt es mit sorgenvoll gerunzelter Stirn, dass die Menschheit ungebremst in ein Zeitalter der Manipulation, der breit gestreuten und nicht mehr identifizierbaren Lüge – kurz: ins absolute Chaos zu rutschen droht.
Das alles kann passieren, steuert die Politik nicht allmählich mal dagegen. Und damit ist leider nicht zu rechnen.
Denn erstens hat sich die Politik in der jüngeren Zeit nicht gerade mit Digitalkompetenz-Ruhm bekleckert. Zweitens ist Manipulation ohnehin schon seit sehr langer Zeit möglich. Und drittens profitieren nicht zuletzt einzelne Politiker genau davon.
Nah an den Leuten, weit weg von den Journalisten
Ganz weit vorne in dieser Disziplin ist Markus Söder. Söder hat schon früh erkannt, welche Chancen Facebook, Twitter (das hieß damals noch so) und Instagram bieten: Man ist nah dran an den Leuten, auch an den jungen. Und man ist weit weg von nervigen Journalisten, die natürlich auch wissen, wie das läuft: Bilder so zu schießen oder zuschneiden zu lassen, dass sie ihrem Urheber schmeicheln.
Söder weiß das, und zwar sehr genau. Er ist als ausgebildeter Journalist vom Fach. Dieses fundierte Wissen Söders, kombiniert mit seiner stark ausgeprägten Schlitzohr-Tendenz, lässt Fotos entstehen wie das, das Bayerns Ministerpräsident am Morgen nach der Ministerpräsidentenkonferenz auf Instagram postete:
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Es zeigt den 1,94-Meter-Hünen Söder – natürlich – im Bildmittelpunkt. Und im Kanzleramt. Wo man sich bis tief in die Nacht teilweise sehr scharf um die Finanzierung der Asyl- und Migrationskosten stritt. Sehr knapp zusammengefasst: Die Länder wollten mehr Geld vom traditionell sparsamen Bund.
Söder, der Welterklärer
Leute, die sich heute Morgen ausschließlich über Söders Account über dieses Treffen informiert haben, müssen beim Anblick dieses Fotos gedacht haben: "Na, hallo, da hat es der Söder den anderen gestern aber mal so richtig gezeigt!"
Doch dem ist nicht so. Am Ende stand ein Kompromiss, geeinigt haben sich die Länderchefs mit Kanzler Olaf Scholz auf genannte Prüfaufträge. Und vorab gab es viel Streit. So viel Streit, dass Söder auch unter seinem Instagram-Foto einräumen muss, dass ihm die Ergebnisse nicht reichen.
Es allen zeigen, sieht anders aus. So wie zum Beispiel auf diesem Foto:
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Hier dominiert Söder die Szene nicht nur optisch durch seine Platzierung in der Mitte. Sondern auch dadurch, dass er auf diesem Schnappschuss (der natürlich keiner ist) ein paar Dinge zu erklären scheint. Die Hände vor seinen Körper gestreckt, den entschlossenen und konzentrierten Blick auf die rechte Seite seines Publikums gerichtet, scheint Söder eine gebannte Runde um sich geschart zu haben.
Seht her, von mir könnt ihr noch etwas lernen
Da steht der Meister, suggeriert dieser Insta-Post, und lässt andere von seinem Erfahrungsschatz und seiner brillanten Analysefähigkeit profitieren. Zu den dankbaren Lehrlingen gehören keine Geringeren als die beiden CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther (l.) aus Schleswig-Holstein und Hendrik Wüst (r.) aus Nordrhein-Westfalen.
Damit schlägt Söder, der Hund, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Er wirkt wie der große Spezialexperte, von dem alle noch etwas lernen können. Und vor allem: wollen. Und er stellt die beiden in den Schatten, denen seit einiger Zeit Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt werden.
Die ist erstens zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU noch nicht ausgemacht. Söder wäre nicht Söder, würde er nicht doch noch drauf hoffen, sich gegen CDU-Chef Friedrich Merz durchsetzen zu können – oder ihn zumindest bei dieser Gelegenheit zu erniedrigen.
Auch König Charles III. muss herhalten
Was er zweitens mit diesem Foto zumindest in einem gewissen Rahmen versucht, denn sowohl Wüst als auch (mit Abzügen) Günther werden ebenfalls Ambitionen in der K-Frage nachgesagt. Nun ist es aber ja so: Wir wissen überhaupt nicht, was Söder da gerade wirklich erzählt. Vielleicht erklärt er, wie er es immer schafft, diese schlecht sitzenden Hosen zu kaufen. Oder er schildert, wie er seiner Frau erklärt hat, wo sie sich hinstellen soll, damit sie auf einem Foto nicht zu sehen ist.
Denn Söders Chuzpe macht selbst vor der eigenen Familie nicht halt. So postete er auf seinem Twitter-Account vergangenes Jahr ein Bild, das ihn und den damaligen britischen Kronprinzen Charles zeigte. Nicht aber Camilla und Karin Baumiller-Söder.
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First things first, wie der Brite sagt und der bayerische MP dann auch konsequent umsetzt: Was und wer wichtig ist, gehört aufs Bild – und alles andere wird halt rausgeschnitten. Die beiden Damen standen auf dem Originalfoto nämlich neben den beiden Herren.
Mit seinem Tweet gratulierte Söder Charles zur Krönung zum König. Ob er bei einem nichtigeren Anlass auch rausgeschnitten worden wäre, weiß nur Markus Söder – der König der rücksichtslosen Inszenierung.
Die Macht der Bilder
Armin Laschet hatte derweil nicht so viel Glück: Zwar hatte er Söder in einer für die bürgerlichen Unionsparteien beispiellosen Schlammschlacht in der K-Frage besiegt – unterlag dann aber im Fotobearbeitungs-Chuzpe-Duell: Der arg gekränkte Digitalstratege Söder kanalisierte seine Schmach, indem er Laschet aus einem Bild einfach komplett rausschnitt, das die beiden beim gemeinsamen Bratwurstessen zeigte.
War was? Politisch-historisch ist der Vergleich zugegebenermaßen schwierig, aber auf einer Chuzpe-Skala von eins bis Stalin erreicht Söder spielend das höchste Level: Der russische Diktator ließ seinen Mitstreiter Trotzki kurzerhand aus einem Bild retuschieren, als der in Ungnade gefallen war.
Heute, gut hundert Jahre später, kostet das weniger Zeit und Geld – von dem Söder einiges in seine Social Media-Aktivitäten und das dazugehörende Team investiert. Unverändert geblieben aber ist eines: Die Macht ist mit den Kaltschnäuzigen. Zumindest die Macht der Bilder.