Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Desaster oder Hoffnung Der Euro als Indikator für Scholz und Habeck
Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU war 2023 das Sorgenkind. Wird ausgerechnet der Euro zum Hoffnungsschimmer für die desaströse Ampel?
Manchmal gibt es zwischen Fußball und Politik kuriose Parallelen. Als Deutschland 1990 Fußballweltmeister wurde, war es wirtschaftlich und politisch auf dem Höhepunkt. Die Wiedervereinigung stand kurz bevor. 2014 erzielte Mario Götze das Siegtor gegen Argentinien, und Deutschland brummte als Lokomotive in Europa. Die desaströsen Fußballturniere der letzten Jahre werden dagegen vom wirtschaftlichen Abschwung Deutschlands flankiert.
2024 steht nun die Heim-EM an, und zugleich könnten sich – wenn es nach dem aktuellen Willen der Mehrheit der Bevölkerung geht – Neuwahlen ankündigen. "Sowohl vor der Europameisterschaft als auch vor der ökonomischen Lage kann man mit Blick auf 2024 Respekt haben", findet Jürgen Molnar, selbst ehemaliger Fußballprofi und heute Kapitalmarktexperte beim Devisenbroker RoboMarkets. Doch gerade aus dem Währungsaspekt schöpft so mancher Antizykliker derzeit Hoffnung.
Zur Person
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen ihn auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.
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Hoffnungsschimmer beim Geschäftsklimaindex
Dass Deutschland im Jahr 2023 wirtschaftlich schlecht dasteht, zeigt sich schon daran, dass es als einziges der G40-Länder in der Rezession stecken bleibt. Natürlich könnte man es sich leicht machen und auf die Schwäche seiner exportstarken Industrie verweisen, die unter der Konjunkturabkühlung in China leidet. Viel stärker wird die heimische Wirtschaft aber von den hohen Energiekosten ausgebremst, die einen klaren Wettbewerbsnachteil für den Standort Deutschland darstellen.
Mehr als 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland gehören zum Mittelstand, dem viel zitierten Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Kein Wunder, dass die Wachstumsprognosen zuletzt reihenweise nach unten korrigiert wurden. Zumindest für Deutschland scheint eine anhaltende Rezession ausgemacht zu sein. Erst in dieser Woche hat die EU-Kommission ihre Konjunkturprognosen für das laufende Jahr und das Jahr 2024 nach unten korrigiert. Die Stimmung könnte kaum schlechter sein.
"Oder anders formuliert: Das Überraschungspotenzial liegt jetzt eindeutig auf der Oberseite", findet Stefan Riße von der Fondsgesellschaft Acatis. Und tatsächlich zeigen sich erste Silberstreifen am Horizont. "Nach fünf Rückgängen in Folge zeigte der ifo-Geschäftsklimaindex seit Oktober wieder aufwärts. Der Anstieg ist vor allem auf die erneut verbesserten Erwartungen für die kommenden sechs Monate zurückzuführen. Auch die Zahl der Erwerbstätigen ist im dritten Quartal stärker gestiegen als erwartet", zieht Salah Eddine-Bouhmidi vom Broker IG positive Argumente heran.
Euro auffällig stark
Auch auf dem meist gut informierten Devisenmarkt spielt sich seit einigen Wochen Interessantes ab. Seit Jahresbeginn hat der Euro gegenüber dem Dollar mehrfach die Marke von 1,05 US-Dollar bestätigt. Doch statt der mehrfach ausgerufenen Parität wehrt sich die Gemeinschaftswährung und zeigte zuletzt Stärke.
Man darf nicht vergessen: "Mit einem täglichen Handelsvolumen von über sechs Billionen Dollar ist der Devisenmarkt der mit Abstand liquideste Handelsplatz der Welt", rechnet RoboMarkets-Experte Molnar vor und zeigt zugleich, auf welch großem Marktplatz sich die Kunden täglich tummeln. Zum Vergleich: An den globalen Aktienmärkten werden täglich rund 700 Milliarden Dollar umgesetzt. Ein Grund mehr, auf Signale zu achten.
Ein Land wie eine Aktie
Betrachtet man die Konjunktur eines Landes wie ein Unternehmen und damit eine Aktie, so setzen erste Akteure mit Weitsicht auf Europa und ziehen sich aus den USA zurück. Der Dollar gilt als sicherer Hafen und ist gerade in stürmischen Phasen gefragt. Sollte sich die Wirtschaft jedoch besser entwickeln als erwartet, dann wird der Euro mit Sicherheit noch einige Überraschungen bereithalten.
Selbst in einem negativen Szenario, in dem es zu einer starken Abkühlung kommt, hat der Euro gegenüber dem Dollar durchaus gute Chancen. So sind die Wetten auf eine Zinswende bereits im Frühjahr nächsten Jahres zuletzt kräftig gestiegen, nachdem die Inflationsdaten positiv überrascht hatten.
Sollten sich die Anzeichen einer konjunkturellen Abkühlung verdichten, wäre das Umfeld für einen neuen Zinssenkungszyklus bereitet. Zwar dürfte dann auch die EZB nachziehen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch, dass die Fed den Leitzins stets kräftiger nach oben und unten geschraubt hat als ihre Kollegen in Frankfurt.
Jüngstes Beispiel sind die im Vergleich zur EZB deutlich strafferen Zinserhöhungen seit 2021 auf 5,25 bis 5,5 Prozent, während der Schlüsselzins in Europa bei 4,5 Prozent liegt. Vieles spricht also dafür, dass die Fed auch auf dem Weg nach unten aggressiver und schneller vorgehen dürfte als die Europäer.
Blick Richtung 2024
Sollten die Frühindikatoren in Deutschland den richtigen Weg weisen, könnte die heimische Wirtschaft durchaus positiv überraschen und damit den Euro weiter beflügeln. Am Aktienmarkt ist Erwartungsmanagement das A und O.
Auch in der Politik können sich Stimmungen schnell drehen. Für die bundesdeutsche Ampel ist es ein Lauf gegen die Zeit, denn spätestens 2025 stehen die nächsten Bundestagswahlen an. Womöglich läutet die Nationalmannschaft im Sommer 2024 bessere Zeiten ein. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
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