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Reichsbürger Prinz Heinrich XIII. Reuß: Prozessbeginn in Frankfurt


Reichsbürger-Prozess gegen Prinz Reuß
"Er fragt sich, wo er da nur hineingeraten ist"


Aktualisiert am 21.05.2024Lesedauer: 5 Min.
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Zum Prozessauftakt gegen die mutmaßliche "Reichsbürger" -Gruppe steht der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß (Mitte) zwischen seinen Verteidigern in der Außenstelle Sossenheim vom Oberlandesgericht Frankfurt.Vergrößern des Bildes
Zum Prozessauftakt gegen die mutmaßliche "Reichsbürger"-Gruppe steht der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß (Mitte) zwischen seinen Verteidigern. (Quelle: Boris Roessler/dpa)

Im Prozess gegen die Reichsbürger-Gruppe um Prinz Reuß ist die Anklage mit den Details der Vorwürfe jetzt vorgetragen. Vorher ging es um Details beim Essbesteck.

Erst ging es darum, ob es ein Prozess von herausragender historischer Bedeutung ist, dann darum, ob es durch einen fehlenden Löffel in Gefahr ist. Es war in Frankfurt zum Prozessauftakt um die mutmaßlichen Putsch-Plänen der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß noch nichts passiert, da gab es schon Mittagspause – und ein Problem: Die frühere AfD-Bundestagabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann hatte aus der JVA zwar einen Joghurt mitbekommen, aber keinen Löffel. Wenn seine Mandantin sich nicht stärken könne, müsse der Prozesstag früher beendet werden, sagte ihr Anwalt Jochen Lober.

Der Prozess gegen neun Angeklagte hatte am Dienstag mit großem Medienaufgebot und einem vollen Zuschauersaal begonnen. Das OLG hat eigens in Leichtbauweise ein Gebäude mit großem Sitzungssaal bauen lassen, in das die Angeklagten und ihre bis zu vier Verteidiger in drei Sitzreihen Platz haben.

Die Angeklagten verhalten sich ruhig am ersten Prozesstag

Die schillerndste Figur, Heinrich XIII. Prinz Reuß, sitzt inmitten der anderen, zweite Reihe, Mitte, vor ihr die frühere Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann, in Reuß Reihe noch die früheren Soldaten Maximilian Eder und Peter Wörner, zwei Männer, die schon 2021 vom Umsturz gesprochen oder das KSK zum Aufräumen nach Berlin schicken wollten.

Sie sind alle sehr ruhig an diesem ersten Prozesstag. Kurze Antworten, in denen Sie die Angaben zu Alter, Familienstand und letztem Wohnort bestätigen. Letzter Wohnort vor der Verhaftung – alle sind aus Justizvollzugsanstalten gebracht worden. Manche von ihnen wollen sich später zur Sache einlassen, sagen ihre Verteidiger.

Das Wort hat die Bundesanwaltschaft. 65 Seiten Anklageschrift darüber, wie die Gruppe sich fand, es am 29. Juli 2021 zur Gründung der Gruppe kam, die nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft gewaltsam einen Umsturz herbeiführen wollte. Tobias Engelstetter wird schon in den ersten Minuten unterbrochen. Jochen Lober, der Anwalt von Birgit Malsack-Winkemann, hat etwas zu sagen.

Er äußert jetzt keine Bedenken gegen die Fortsetzung. Der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk hatte offenbar mit seinem Optimismus Recht behalten und in der Mittagspause hat sich ein Löffel finden lassen. Lober bemängelt aber, dass der Vertreter der Bundesanwaltschaft "Winkelmann" sage, Malsack-Winkemann habe Anspruch auf die korrekte Aussprache ihres Namens. Engelstetter macht weiter und betont jetzt „Winkee-Mann“bewusst.

Er liest Details vor von Rückschlägen bei den Anfragen an Generäle, von denen die Verschwörer glaubten, sie seien eigentlich "White Hats", nicht Teil der teuflischen Elite, sondern insgeheim Teil einer Allianz, die international aufräumt. Die Offiziere gaben Anfragen nur an den Militärischen Abschirmdienst weiter.

Der Anklagevertreter trägt vor, dass dann statt der militärischen Führung der "Weiße Adel" als Lösung erschien: Prinz Reuß, schon lange tief in der Reichsbürgerszene unterwegs und bereit, mit anderen "die ihm verhasste staatliche Ordnung zu überwinden", wie der Vertreter der Bundesanwaltschaft vorträgt. Reuß' Anwalt Roman von Alvensleben sagt in der Mittagspause allen Journalisten, die es hören wollen, sein Mandant sei noch nie gewalttätig gewesen. "Er fragt sich, wo er da nur hineingeraten ist."

In eine Gruppe, die sich von zwei Schweizern um einen sechsstelligen Betrag betrügen ließ. Die Brüder hatten sich für Märchen gut bezahlen lassen, dass sie in der Schweiz auf Eingänge zu möglichen Eingängen unterirdischer Gefängnisse mit Kindern suchen und Fortschritte machen. Eder glaubte ihnen den Blödsinn und trieb Geld auf, andere nicht mehr, liest der Vertreter der Bundesanwaltschaft vor.

Angeklagte waren sich sicher, dass Umsturz begrüßt wird

Teile der Angeklagten waren sich sicher, dass ein Umsturz völlig selbstverständlich vom Volk hingenommen und begrüßt wird, wenn erst einmal rauskommt, dass die politischen Eliten beteiligt sind an satanischen Riten und verstörendem Missbrauch unter der Erde. Es sind absurde Details, die zeigen, wie Reichsbürger-Narrative bei der Gruppe verwoben waren mit QAnon-Erzählungen und eine gefährliche Mischung ergaben. Engelstätter verliest, dass in der Gruppe Listen erstellt worden seien von Personen, die nach dem Tag X hingerichtet oder zumindest vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollten. Er berichtet vom Aufbau von Heimatschutzkompanien, die "Aufräumen" und "Säubern" sollten, von erfolgreichen Rekrutierungen, davon, wie die Gruppe wuchs und wuchs.

Es wird dennoch nicht als Dokument der Zeitgeschichte als Tonaufnahme in Archiven landen. Reuß‘ Anwalt Roman von Alvensleben hatte die Aufzeichnung gefordert, Malsack-Winkemanns Verteidigerin Kerstin Ruebe-Unkelbach ebenso. Solche Aufnahmen sind künftig geplant, ein Gesetz ist geschrieben, Justizminister Marco Buschmann hat es begrüßt. Mitschnitte wären für die Anwälte hochwillkommen, um Wortlaut von Aussagen nachvollziehen zu können. Zudem könnten sie nachhören, was in den Prozessen in Stuttgart und München gesagt wird, wenn dort bei den Prozessen gegen andere Mitglieder der Gruppe auch aufgezeichnet würde.

Aber es gibt für die Aufzeichnung und die Weitergabe an die Verfahrensbeteiligten noch keine Grundlage. Ausnahmen zur Aufnahme können lediglich gemacht werden, wenn das Verfahren von herausragender historischer Bedeutung ist. Mit 400.000 Seiten Akten, der hohen Zahl Angeklagter und der Schwere der Vorwürfe ist es das, fanden die Anwälte. Es sei für künftige Generationen von ganz besonderer Bedeutung, fand der Martin Schwab, Jura-Professor aus Bielefeld, zeitweilig engagiert bei der Partei "dieBasis" wie seine Mandantin Johanna Findeisen-Juskowiak und Aktivist in der Coronazeit. "Der Verfahrensverkauf wird ergeben, dass wir es mit dem größten Missbrauch der deutschen Rechtspflege zu tun haben." Seine Mandantin nickt.

Befangenheitsanträge gegen das Gericht

Die Bundesanwaltschaft regiert nicht. Aber sie spricht sich gegen Aufzeichnung aus. Es könne ausgeschlossen werden, dass der Prozess für künftige Generationen herausragende historische Bedeutung habe, sagt Anklagevertreterin Christina Maslow. "Weil die Umsturzpläne gerade nicht umgesetzt werden konnten".

Der Vorsitzende Richter Bonk zumindest entschied gegen die Aufzeichnung. Tondokumente dürften dann ohnehin nicht an die Anwälte weitergegeben werden. Nicht mal stenografische Protokolle wird es geben – jeder der Angeklagten habe ja mindestens zwei Anwälte.

Die Verteidiger haben aber ein noch drängenderes Anliegen: Ein Großteil von ihnen will, dass gar nicht an drei Standorten verhandelt wird und rügten deshalb die örtliche Zuständigkeit und stellten Befangenheitsanträge gegen das Gericht, weil es die Anklage zugelassen hatte. Martin Schwab begründete seine Kritik vor allem damit, dass die Regelung, die Angeklagten auf Prozesse in Frankfurt, Stuttgart und München zu verteilen, für sie kein schnelles und faires Verfahren bedeute.

Für die Verteidiger sei es nicht möglich, sich verlässlich zu informieren über das, was in den Verhandlungen in den anderen Prozessen gesagt werde. Die Bundesanwaltschaft mit ihrer Beteiligung an allen Prozessen habe so einen systematischen Informationsvorsprung. "Das Gebot des fairen Verfahrens lässt sich auf diese Weise nicht gewährleisten." Zeugen müssten zudem wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit ohnehin in allen Standorten gehört werden, also dreimal aussagen, eine Beschleunigung bedeute das also nicht.

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Reuß-Anwalt von Alvensleben sagte, schon dem Namen nach gehe es in dem "Reuß-Verfahren" an drei Standorten um seinen Mandanten, ohne dass er eine Kenntnis- und Äußerungsmöglichkeit bei den anderen Verhandlungen habe, Grundrechte seines Mandanten seien verletzt und dem Gericht müsse das bewusst gewesen sein - Grund seines Ablehnungsantrags. Co-Verteidiger Hans-Otto Sieg wurde noch deutlicher in seiner Kritik an der Aufspaltung. "Die Richter lassen sich von Bundesanwaltschaft widerstandslos regelrecht missbrauchen."

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

Verwendete Quellen
  • Teilnahme am Prozess
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