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Deutschlands Israel-Politik: Schwätzen statt machen


Deutsche Reaktion auf Irans Angriff
Weltmeister der Worte

  • Daniel Mützel
MeinungVon Daniel Mützel

16.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Kanzler Scholz reist nach Ostafrika, Außenministerin Baerbock war kürzlich dort.Vergrößern des Bildes
Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock: Was sind die Solidaritätsbekundungen aus Deutschland wert? (Quelle: Michele Tantussi/REUTERS)

Israels Sicherheit ist angeblich deutsche Staatsräson, doch echte Unterstützung im Kriegsfall erhält der jüdische Staat von anderen. Die Bundesregierung sollte ihren Worten endlich Taten folgen lassen.

Seit dem Angriff des Iran auf Israel am Wochenende wird in Deutschland einer beliebten und traditionsreichen Disziplin nachgegangen, dem rhetorischen Vierkampf: Man verurteilt den Angriff, drückt Solidarität aus, appelliert an alle Beteiligten, rät zur Deeskalation.

Es ist wie so oft, wenn der israelische Staat von seinen zahlreichen Feinden in der Region attackiert wird: Die Bundesregierung sendet Gratisbotschaften nach Tel Aviv. Zwar steht außer Frage, dass Solidaritätsbekundungen notwendig und wichtig bleiben, doch sind sie zugleich die billigste politische Ressource, die eine Regierung mobilisieren kann. Und etwas hilflos klingen sie obendrein.

In ritualisierter Weise wird betont, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson sei. Wäre es nicht an der Zeit, statt solidarischer Grüße aus Deutschland den Worten endlich Taten folgen zu lassen?

Denn dieser Angriff war anders: Es ist die erste direkte Attacke des iranischen Regimes auf das israelische Staatsgebiet. Auch wenn 99 Prozent der über 300 Flugkörper von der israelischen Luftverteidigung vom Himmel geholt wurden und Iran offenbar bewusst auf den Einsatz seines tödlichsten Arsenals verzichtete – die Mullahs haben mit diesem Angriff eine rote Linie überschritten.

Zugleich haben sie demonstriert, dass die Abschreckung Israels und ihrer Verbündeten zumindest teilweise gescheitert ist. Sonst hätte der Angriff gar nicht stattgefunden.

Verurteilen, beschwichtigen, Ratschläge erteilen

Die israelische Regierung wird sich nun genau überlegen, wie sie ihre Abschreckungsfähigkeit glaubhaft wiederherstellt. Zu hoffen ist, dass sie bei einem möglichen Gegenschlag auf klandestine Methoden zurückgreift. Der Schattenkrieg, den sich Israel und Iran seit Jahren liefern, ist zwar gefährlich, hat aber geringere Eskalationsrisiken als offene Aktionen. Ob Israels Premier Netanjahu die Warnung der USA, nicht weiter zu eskalieren, ernst nimmt, muss sich zeigen. In jedem Fall ist die Gefahr eines großen Nahost-Krieges seit dem Wochenende noch mal gestiegen.

Daher ist es einerseits richtig, wenn die Bundesregierung, wie sie sagt, jetzt alles daran setzt, einen heißen Krieg zwischen Israel und Iran zu verhindern.

Andererseits ist es damit nicht getan.

Deutschland hat sich viel zu lange in der Rolle bequem gemacht, Israel bei einem Angriff mit solidarischen Grüßen und bedrückten Gesichtern abzuspeisen, während andere Länder echte Hilfe leisten. Man kann lange über die deutsche Geschichte und die daraus erwachsene Verantwortung Deutschlands für Israels Sicherheit sinnieren, am Ende hängt die Existenz des jüdischen Staates aber eben doch von ganz handfesten Dingen wie Kampfjets, Flugabwehrbatterien und Raketen ab.

"Beeindruckt" von den Leistungen anderer

Wie die deutsche Verantwortungsabgabe funktioniert, ließ sich auch jetzt wieder beobachten. Kanzler Olaf Scholz (SPD), der gerade im Flieger nach China saß, als er davon erfuhr, nannte die iranische Aktion eine "schlimme Eskalation der Lage", doch sei es den israelischen Luftverteidigungskräften "glücklicherweise" gelungen, den Angriff weitgehend abzuwehren.

Nur hatte Glück damit recht wenig zu tun. Wie Scholz im nächsten Satz "beeindruckt" feststellte, lag es vielmehr an der ausgefeilten israelischen Flugabwehr, die von zahlreichen Verbündeten unterstützt wurde. Neben den USA, Großbritannien, Saudi-Arabien und Jordanien waren auch französische Rafaele-Kampfjets daran beteiligt, iranische Drohnen zu neutralisieren.

Womöglich sollte die Bundesregierung weniger beeindruckt davon sein, was andere tun, sondern selbst aktiv werden. In welcher Form das stattfinden kann, müsste politisch diskutiert und genau abgewogen werden. So forderte etwa der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), bei t-online, Deutschland könnte sich "mit entsprechenden Kräften wie zum Beispiel dem Eurofighter" am Schutz Israels beteiligen.

Wir tun ja schon viel!

Ein solcher riskanter Einsatz darf nicht leichtfertig beschlossen werden und bedürfte ohnehin eines Mandats des Deutschen Bundestags. Aber es ist immerhin ein Vorstoß, der die zahllosen Solidaritätsbekundungen aus Deutschland mit Leben füllt.

Aber auch andere Maßnahmen sind denkbar. Wenn Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nun die Ausweitung der Iran-Sanktionen ins Spiel bringt, ist das richtig, aber zugleich halbherzig. Denn im selben Atemzug verweist Baerbock auf die bereits existierenden EU-Sanktionen gegen das Mullah-Regime, was übersetzt heißt: Wir tun ja schon viel! Allzu viel darf man also in der Hinsicht nicht erwarten.

Erstaunliche Milde gegenüber den Mullahs

Man wird das Gefühl nicht los, dass die Bundesregierung bei den Mullahs eine erstaunliche Milde walten lässt. Dabei gebe es noch deutlich mehr, was Deutschland tun könnte, um dem iranischen Regime zu signalisieren, dass jede weitere Eskalation einen Preis hat: So wäre es längst an der Zeit, die wichtigste Machtsäule der Mullahs, die iranischen Revolutionsgarden, auf die EU-Terrorliste zu setzen. Ein Schritt, den das Europaparlament mit überwältigender Mehrheit schon im Januar 2023 gefordert hat.

Auch Einreisesperren gegen Handlanger des Regimes, das Einfrieren von Konten oder Ausfuhrverbote für bestimmte Waren, die den militärisch-industriellen Komplex des Iran betreffen, sind vorstellbar.

Bislang konnten die Mullahs darauf vertrauen, dass sich die Deutschen in Zurückhaltung übten, militärisch kein Risiko eingingen, mit guten Ratschlägen daherkamen und auf die Wiederaufnahme der gescheiterten Atomverhandlungen hofften.

Scholz hat in China den Satz gesagt: "Wir können nur alle warnen, insbesondere den Iran, so weiterzumachen." Und wenn der Iran trotzdem weitermacht? Eine Warnung, die nicht mit Ressourcen, strategischen Entscheidungen oder glaubhaftem Handeln unterlegt ist, ist heiße Luft. Die deutsche Staatsräson, zu der die israelische Sicherheit angeblich gehört, darf nicht mehr nur mit Worten verteidigt werden. Die deutsche Gratishaltung muss nach diesem historischen Angriff ein Ende haben.

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