Schwermetall im Meeresboden Forscher warnen vor Gift-Risiko in der Ostsee
Trotz gut gemeinter Bemühungen könnten Umweltmaßnahmen der Ostsee schaden. Forschende entdecken neue Risiken durch giftiges Schwermetall im Meeresboden.
Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Maßnahmen zur Wiederbelebung der Ostsee den gegenteiligen Effekt haben und das gesamte Meer vergiften könnten. US-Forscher der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) warnen davor, dass eine Erhöhung des Sauerstoffgehalts in der Ostsee dazu führen könnte, dass Thallium – das für Säugetiere giftigste Metall – aus dem Sediment freigesetzt wird.
Thallium ist ein giftiges Überbleibsel aus 80 Jahren Schwerindustrie in den Anrainerstaaten, das über die Flüsse in die Ostsee gelangt ist. Seitdem ist es in den Sedimenten eingeschlossen und wurde bis vor Kurzem weitgehend ignoriert. Der WHOI-Geologe Sune Nielsen warnt nun aber: "Große Teile der Ostsee – wenn nicht sogar der größte Teil – sind mit Thallium kontaminiert" und fügt hinzu, dass es sich um das größte jemals dokumentierte Thallium-verseuchte Gebiet handele.
Die gute Nachricht: Das Thallium liegt in der Ostsee als Sulfid vor, also als ein unlösliches Salz am Boden des Meeres. Allerdings haben die Forscher auch eine schlechte Nachricht – und sie hängt ausgerechnet mit den Bemühungen zusammen, die Ostsee zu revitalisieren.
Sauerstoffanreicherung könnte Thallium freisetzen
Die Umweltschutzkommission HELCOM der Ostsee-Anrainerstaaten hat Pläne entwickelt, um den Sauerstoffgehalt der Ostsee durch Renaturierung und weniger Verschmutzung wieder auf ein natürliches Niveau zu bringen. Damit soll der Ausbreitung von sauerstoffarmen Zonen im Meer (sogenannten Todeszonen) entgegengewirkt werden.
WHOI-Meereschemikerin Colleen Hansel warnt jedoch vor der Umsetzung dieser Pläne: "Die Sauerstoffanreicherung der Ostsee wird wahrscheinlich dazu führen, dass Thallium und andere Metallsulfide ins Meerwasser gelangen." Gefahr droht, weil sie sich in der Nahrungskette, also auch in Speisefischen, anreichern: "In toxischen Konzentrationen", sagt Hansel.
Die Forscher warnen auch davor, dass Bauarbeiten wie das Setzen von Windrad- oder Brückenpfeilern das im Sediment gebundene Thallium freisetzen könnten.
"Da die Zementproduktion weltweit weiter zunimmt, sollten die Hersteller unsere Studie lesen und die Auswirkungen auf die umliegenden Wasser- und Meeresökosysteme minimieren", rät Colleen Hansel.
- welt.de: "Das schlummernde Gift in der Ostsee" (Bezahl-Inhalt)