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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Israelisch-arabischer Pakt Revolutionärer Gaza-Plan? Hinter den Kulissen wird verhandelt
Die Kämpfe in Gaza reißen nicht ab: Im Hintergrund wird wohl dennoch über ein Nachkriegsszenario verhandelt. Israel könnte mit arabischen Staaten gemeinsame Sache machen.
Seit mehr als sechs Monaten herrscht im Gazastreifen Krieg zwischen Israel und der terroristischen Hamas. Inzwischen sollen mehr als 30.000 Menschen gestorben sein. Seit dem Massaker vom 7. Oktober sind noch immer zahlreiche israelische Geiseln in den Fängen der Hamas. Und doch werden offenbar hinter den Kulissen Pläne für die Zeit nach dem Krieg geschmiedet.
Wie die US-amerikanische Zeitung "New York Times" berichtet, sollen israelische Offizielle einen Plan für Gaza erarbeitet haben. Demzufolge könnte Israel den Gazastreifen zusammen mit einer Koalition arabischer Staaten – darunter Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten – verwalten. Auch die USA sollen wohl als Vermittler einbezogen werden.
Normalisierte Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien
Die weitreichende Einbindung der arabischen Länder in die Verwaltung des Gazastreifens würde laut dem Bericht jedoch nur im Gegenzug zu normalisierten Beziehungen zu Israel erfolgen. Laut dem Plan würde die israelisch-arabische Koalition eine gemeinsame Führung in Gaza installieren, welche das Gebiet wiederaufbauen würde.
Auch würde diese de facto Regierung ein neues Bildungssystem im Gazastreifen etablieren und die öffentliche Ordnung gewährleisten. Nach sieben bis zehn Jahren sollte die Bevölkerung Gazas dann über die eigene Zukunft abzustimmen und gegebenenfalls von der palästinensischen Autonomiebehörde regiert werden. Für die Zeit bis zur Abstimmung würde das israelische Militär weiterhin in Gaza operieren dürfen.
Es ist jedoch fraglich, ob sich ein solcher Plan jemals umgesetzt werden kann. Sowohl rechtspopulistische Mitglieder in Netanjahu Regierung als auch die genannten arabischen Länder würden einem solchen Szenario voraussichtlich nicht zustimmen.
Gegenteilige Perspektiven, gemeinsame Probleme
Wie die "New York Times" berichtet, würden arabische Offizielle den Plan als nicht realisierbar erachten, da er kein explizites Szenario für einen souveränen palästinensischen Start vorsehe. Dies sei jedoch eine fundamentale Voraussetzung für eine arabische Beteiligung an Nachkriegsplänen für Gaza. Auch die Möglichkeit für weitere militärische Operationen im Gazastreifen durch die israelische Armee sei für die arabischen Staaten inakzeptabel.
Auch für Netanjahu sei ein solcher Plan eine Gratwanderung – aufgrund gegensätzlicher Gesichtspunkte. Nämlich schließe der Plan palästinensische Souveränität nicht explizit aus; besonders für rechtspopulistische Mitglieder seines Kabinetts sei die Vorstellung von palästinensischer Souveränität eine Zumutung.
Netanjahu könnte versuchen sein politisches Vermächtnis zu retten
Bislang hat Netanjahu – zumindest offiziell – jegliche Form von palästinensischer Souveränität oder Staatlichkeit ausgeschlossen. Laut der "New York Times" könnte Netanjahus Regierung zerbrechen, wenn er die Pläne offiziell anerkennen würde. Auch der Großteil der israelischen Bevölkerung sei gegen einen palästinensischen Staat, da die Gräueltaten der Hamas so belohnt werden würden.
Jedoch könne sich Netanjahu diese Option offen halten, um die strategischen Beziehungen Israels zu arabischen Ländern zu festigen. Gleichzeitig könnte Netanjahu sein politisches Vermächtnis wiederherstellen, nachdem es durch das Massaker der Hamas in Mitleidenschaft gezogen wurde.
- nytimes.com: "Israeli Officials Weigh Sharing Power With Arab States in Postwar Gaza" (englisch, kostenpflichtig)