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Boris Johnson tritt zurück | Reaktionen: "Niemand weint ihm eine Träne nach"


Pressestimmen zu Johnsons Rücktritt
"Die Ersten fragen sich vielleicht bereits: Was haben wir getan?"

Von dpa, t-online, ne

Aktualisiert am 08.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Boris Johnson: Der britische Premierminister hat seinen Rücktritt als Vorsitzender der Konservativen Partei erklärt.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson: Der britische Premierminister hat seinen Rücktritt als Vorsitzender der Konservativen Partei erklärt. (Quelle: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa)

Die einen vergleichen ihn mit Donald Trump, die anderen blicken nervös in die Zukunft: So reagiert die Presse auf den angekündigten Rückzug des britischen Premiers.

Am Ende wurde der Druck zu groß für Boris Johnson. Der konservative Politiker hat am Donnerstag seinen Rückzug als Parteichef angekündigt. Doch er macht klar, dass er nicht freiwillig geht. Und als Premierminister verabschiedet er sich auch noch nicht aus der Downing Street. So beurteilt die Presse im In- und Ausland Johnsons Entscheidung:

"The Telegraph" (Großbritannien): "Was auch immer die Partei als nächstes tun will, sie muss es schnell tun. Das Land wird einen langwierigen Führungsstreit inmitten einer Wirtschaftskrise und angesichts der Gefahr eines größeren Krieges in Europa weder verstehen noch verzeihen. Johnson sagte, dies seien die Gründe, warum er zögerte, zurückzutreten, und er halte es für 'exzentrisch', dass er von Abgeordneten, die ihm ihre Sitze verdankten, dazu gezwungen werde. Er hat Recht, wenn er sagt, dass es dringende Probleme gibt, die die Regierung angehen muss. Deshalb muss sein Nachfolger innerhalb von Tagen, nicht Wochen – und schon gar nicht Monaten – feststehen."

"The Guardian" (Großbritannien): "Er ist auch heute noch Premierminister. Es ist außergewöhnlich, dass er am Donnerstagmorgen sein Kabinett umgebildet hat, genau zu dem Zeitpunkt, als er endlich seinen eigenen Rücktritt vorbereitete. Er beabsichtigt, noch einige Wochen zu bleiben – möglicherweise bis zum Tory-Parteitag im Oktober. Unter früheren Premierministern waren solche Übergänge relativ unumstritten. Das ist bei Johnson nicht der Fall, und zwar aus einem einfachen Grund. Den anderen konnte man trauen, ihm nicht. Zu Recht droht die Labour-Partei mit einer Vertrauensabstimmung im Unterhaus, sollte er versuchen, im Amt zu bleiben. Die konservative Partei muss schnell und schonungslos handeln, um Johnson endgültig hinauszuwerfen."

"Daily Mail" (Großbritannien): "In der Amtszeit von Boris Johnson geht die Sonne endlich unter. Immer ein politischer Außenseiter, erlag er schließlich seinen Feinden in der Westminster-Maschinerie. Und wie sie krähten. Der Raum war voll von hämischen Nichtskönnern, die Herrn Johnson anprangerten und ihre eigene makellose Tugendhaftigkeit betonten. Doch nachdem sie gestern seine Abschiedsrede vor der Downing Street gesehen haben, fragen sich die Tory-Abgeordneten, die sich schändlicherweise verschworen haben, den charismatischsten und wählbarsten konservativen Regierungschef seit Margaret Thatcher zu stürzen, vielleicht bereits: Was haben wir getan?"

BBC (Großbritannien): "Ein hochrangiger Vertreter der EU fasste die Mischung aus Faszination und Schadenfreude über Boris Johnsons Niedergang sowie die Angst vor dem, was als Nächstes kommen könnte, mit einem Augenzwinkern zusammen: 'Ich halte eine Hand in meiner Popcorntüte und die andere auf meinem nervösen Herzen.'"

"Die Zeit" (Deutschland): "Für einen Augenblick sah es so aus, als würde Boris Johnson sich doch noch in eine Kopie von Donald Trump verwandeln. Das war gestern, als seine Minister nicht nur reihenweise zurücktraten, sondern ihren Chef auch in direkten Gesprächen zu überzeugen versuchten, dass seine Sache verloren sei und er gehen müsse. Der britische Premier sperrte sich (…). Abgekoppelt von der Wirklichkeit, nur am eigenen politischen Überleben interessiert, bedenkenlos im Umgang mit der Verfassung – das rief in der Tat Erinnerungen an den früheren US-amerikanischen Präsidenten in seiner randalierenden Spätphase herauf. Doch die trumpistische Eskalation hat dann doch nicht stattgefunden."

"Frankfurter Rundschau" (Deutschland): "Der überfällige Rücktritt des britischen Premierministers ist weder für Boris Johnson noch für die Tories ein Befreiungsschlag. Bojo zeigt sich trotz seiner zahlreichen Verfehlungen bis zuletzt uneinsichtig und gibt mit dem Hinweis auf einen Herdentrieb lieber anderen die Schuld für seine ausweglose Lage. Die Konservativen erlaubten dem Rechtspopulisten Johnson viel zu lange, zu tricksen und zu lügen. (....) Sie stellten sich erst gegen ihn, nachdem Britinnen und Briten sich von dem einstigen Heilsbringer abwandten und er keine Wahlen mehr gewinnen konnte. Nun setzen die Tories das unwürdige Drama mit einem Machtkampf um Johnsons Nachfolge fort."

"El Mundo" (Spanien): "Da er überhaupt keine moralische Autorität mehr besitzt und seine Popularität auf einem historischen Tiefstand ist, wäre ein sofortiger Rücktritt von Johnson sowohl für seine Partei, die sich quasi neu erfinden muss, als auch für die notwendige Stabilität des Vereinigten Königreichs das Wünschenswerteste. Neben der institutionellen Krise steht Großbritannien derzeit auch vor einer besorgniserregenden wirtschaftlichen Situation, die dringende Maßnahmen erfordern wird. (...) Niemand weint dem in Ungnade gefallenen Premierminister eine Träne nach. Nicht im Vereinigten Königreich, das sich so sehr von einer Führungspersönlichkeit befreien will, die das Land wie kaum eine andere Person zuvor beschämt hat. Und auch nicht in der Europäischen Union, die nun hofft, dass Johnsons Nachfolger die Verhandlungen an den vielen noch offenen Fronten im Zusammenhang mit dem Brexit erleichtern wird."

"Le Figaro" (Frankreich): "Allein, von seinen Ministern und seiner Partei im Stich gelassen, zahlt der konservative Anführer (Boris Johnson) für die reihenweisen Krisen und Skandale, die die Aufmerksamkeit von seinen ersten Erfolgen ablenkten (...). Zwei Drittel der Briten werfen (ihrem Premierminister) 'BoJo' vor, dass es ihm an Integrität, Kompetenz und Seriosität mangelt. Das liegt daran, dass man sich im Vereinigten Königreich dummerweise an einen Grundsatz hält: Gesetzgeber müssen sich an die Gesetze halten, die von ihnen kommen. (...) Die Durchtriebenheit wurde zur Farce, die Briten sind des Schauspiels überdrüssig und Johnson verspricht zu gehen. Aber er geht nicht – nicht bevor er bis zum Herbst dem Kampf um seine Nachfolge beigewohnt hat. Setzt er auf einen Bürgerkrieg in seiner Partei, die ihn als einzigen Ausweg dastehen lässt? Das wäre der größte Zaubertrick von Taschenspieler 'BoJo'."

Verwendete Quellen
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