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Zum journalistischen Leitbild von t-online.So funktioniert ein Hirnschrittmacher Wann die tiefe Hirnstimulation helfen kann
Die tiefe Hirnstimulation kommt vor allem bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson zum Einsatz. Ein Hirnschrittmacher sendet dabei elektrische Impulse in bestimmte Hirnregionen. Erfahren Sie, wann der Eingriff infrage kommt und welche Nebenwirkungen auftreten können.
Inhaltsverzeichnis
Die tiefe Hirnstimulation (kurz THS) ist ein neurochirurgisches Behandlungsverfahren, das umgangssprachlich auch als Hirnschrittmacher bezeichnet wird. Ziel der THS ist, bestimmte Beschwerden zu lindern – insbesondere Bewegungsstörungen, wie sie zum Beispiel bei Morbus Parkinson auftreten. Heilen lässt sich die zugrunde liegende Erkrankung dadurch jedoch nicht.
Wie funktioniert ein Hirnschrittmacher?
Bei einer tiefen Hirnstimulation werden in regelmäßigen Abständen schwache Stromstöße an bestimmte Hirnbereiche gesendet. Dafür werden der Patientin oder dem Patienten eine oder zwei Elektroden ins Gehirn eingesetzt. Welche Hirnbereiche aktiviert werden sollen, richtet sich vor allem nach dem Krankheitsbild beziehungsweise den Beschwerden.
Die Elektroden sind über Kabel mit einem Impulsgeber – dem eigentlichen Hirnschrittmacher – verbunden. Dabei handelt es sich um ein kleines Gerät, das unter der Haut implantiert ist. Es wiegt etwa 50 bis 60 Gramm. Mithilfe des Hirnschrittmachers lässt sich regeln, wann und wie die Elektroden Impulse ins Hirn abgeben.
Vermutlich trägt die tiefe Hirnstimulation dazu bei, dass verschiedene Hirnregionen besser miteinander interagieren können. Auf diese Weise wirkt sie sich auf die Aktivität der Muskeln aus, die von den entsprechenden Hirnbereichen gesteuert werden. Wie genau die tiefe Hirnstimulation wirkt, ist jedoch nach wie vor unklar.
Wogegen hilft ein Hirnschrittmacher?
Die regelmäßigen Impulse, die der Hirnschrittmacher aussendet, können bei verschiedenen neurologischen und psychiatrischen Beschwerden helfen. Zum Einsatz kommt die tiefe Hirnstimulation vor allem in bestimmten Fällen von Morbus Parkinson. In Deutschland erhalten pro Jahr mehrere hundert Menschen mit Parkinson einen Hirnschrittmacher.
- Bislang unheilbar: Parkinson entwickelt sich schleichend
Darüber ist die THS zugelassen zur Behandlung von
- Dystonie, einer lang anhaltenden, nicht kontrollierbaren Muskelanspannung
- essenziellem Tremor, einem starkem Zittern ohne erkennbare Ursache
- schwerer Epilepsie
- Zwangserkrankungen
Eine tiefe Hirnstimulation könnte auch bei schweren Depressionen hilfreich sein, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen – ebenso wie bei Alzheimer. Bislang hat sich der Einsatz der Hirnstimulation bei diesen Erkrankungen jedoch noch nicht etabliert.
Voraussetzungen für eine tiefe Hirnstimulation
Die tiefe Hirnstimulation macht einen operativen Eingriff nötig. Sie ist mit verschiedenen Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Daher wird sie in der Regel nur dann eingesetzt, wenn andere Behandlungen nicht ausreichend gewirkt haben. Zudem müssen die Patientinnen und Patienten bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
Bei Morbus Parkinson kommt die THS zum Beispiel nur infrage, wenn Medikamente nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben und die Erkrankung mit starken Symptomen wie Zittern, Bewegungsstörungen oder Muskelsteife verbunden ist. Bei anderen Parkinsonbeschwerden wie zum Beispiel Gedächtnisstörungen hilft ein Hirnschrittmacher dagegen kaum.
Eine grundsätzliche Altersgrenze gibt es für die THS nicht. Jedoch ist eine gute körperliche Verfassung wichtig. Die Patientin oder der Patient darf keine schweren Vorerkrankungen haben, etwa eine Herzerkrankung. Bevor eine tiefe Hirnstimulation durchgeführt wird, sind daher gründliche körperliche Untersuchungen nötig.
Tiefe Hirnstimulation: Was passiert bei der OP?
Um die tiefe Hirnstimulation durchführen zu können, ist eine Operation in einer Klinik nötig. Die OP dauert zwischen sechs und acht Stunden. Die Patientin oder der Patient muss nach dem Eingriff mehrere Tage im Krankenhaus bleiben. Meist schließt sich dann eine Reha an. Damit die Wunde gut verheilt, ist es wichtig, für mehrere Wochen auf stärkere körperliche Aktivität zu verzichten.
Damit die tiefe Hirnstimulation optimal wirken kann, müssen die Elektroden im Hirn millimetergenau platziert sein. Nur dann werden die gewünschten Hirnbereiche erreicht. Daher wird die exakte Positionierung vorab mithilfe einer Magnetresonanztomographie (MRT) und einer speziellen Software bestimmt.
Während der Operation sollte der Kopf der Patientin oder des Patienten möglichst nicht bewegt werden. Meist wird der Kopf daher in einer speziellen Halterung fixiert. Um die Elektroden ins Hirn einbringen zu können, bohrt die Chirurgin oder der Chirurg ein oder zwei Löcher in die Schädeldecke. Anschließend werden die Elektroden an der gewünschten Stelle im Hirn platziert. Die Enden der Elektroden befestigt die Ärztin oder der Arzt unter der Kopfhaut.
Um zu prüfen, ob sich die Elektroden an der richtigen Position befinden und richtig wirken, sollte die Patientin oder der Patient während der OP möglichst für einige Zeit bei Bewusstsein sein. Bessern sich die Beschwerden durch die Elektroden, liegen sie an der richtigen Position. Verschlechtern sich die Beschwerden oder treten Nebenwirkungen wie zum Beispiel Krämpfe oder Sprechstörungen auf, müssen die Elektroden neu platziert werden.
Wenn die Elektroden richtig sitzen, werden sie mit dem Hirnschrittmacher verbunden. Der Hirnschrittmacher wird unter Vollnarkose unter die Haut implantiert – häufig in der Nähe des Schlüsselbeins. Vom Schrittmacher gehen feine Verbindungskabel ab, die mit den Elektroden verbunden werden müssen. Dafür werden sie unter der Haut an der Seite des Halses bis zu der Stelle vorgeschoben, an der die Enden der Elektroden an der Kopfhaut befestigt sind.
Bedienung des Hirnschrittmachers
In der Regel ist nach der OP noch eine "Feinjustierung" nötig: Die Stärke der elektrischen Impulse muss so eingestellt sein, dass die Beschwerden so gut wie möglich gelindert werden und keine starken Nebenwirkungen auftreten.
Die Einstellungen lassen sich von außen mithilfe eines Geräts verändern. Nach der OP wird die Ärztin oder der Arzt in Abständen prüfen, wie gut der Hirnschrittmacher wirkt. Bei Bedarf wird sie oder er Änderungen vornehmen.
Auch die Patientin oder der Patient kann den Hirnschrittmacher mit einem speziellen Gerät in gewissen Grenzen bedienen. Zum Beispiel ist es möglich, den Schrittmacher damit ein- oder auszuschalten.
Ist der Hirnschrittmacher erst einmal richtig eingestellt, können die meisten Patientinnen und Patienten damit gut leben. Wichtig ist, starke Erschütterungen des Kopfes möglichst zu vermeiden, damit die Elektroden an Ort und Stelle bleiben.
Hirnschrittmacher: Regelmäßige Nachsorge nötig
Patientinnen und Patientin mit Hirnschrittmacher müssen in regelmäßigen Abständen zur Nachsorge. Zum einen prüft die Ärztin oder der Arzt, ob das Gerät noch intakt ist. Zum anderen passt sie oder er gegebenenfalls die Stärke der elektrischen Impulse an.
Es gibt batteriebetriebene und wiederaufladbare Hirnschrittmacher. Letztere müssen in Abständen mithilfe eines Ladegeräts aufgeladen werden. Bei einem batteriebetriebenen Hirnschrittmacher muss die Batterie im Abstand von einigen Jahren gewechselt werden. Es handelt sich um einen relativ kleinen Eingriff, bei dem eine örtliche Betäubung ausreicht.
Tiefe Hirnstimulation: Risiken und Nebenwirkungen
Eine tiefe Hirnstimulation kann verschiedene Nebenwirkungen hervorrufen. Zum einen können bestimmte körperliche Symptome auftreten. Zum anderen kann sich die THS auf die Stimmung und das Verhalten auswirken. Nicht bei jeder Person treten solche Nebenwirkungen auf. Auch kann die Intensität der Beschwerden unterschiedlich stark oder schwach ausgeprägt sein.
Zu möglichen Nebenwirkungen der tiefen Hirnstimulation zählen
- Stimmungsschwankungen, Depressionen
- gesteigerter Antrieb
- Gleichgewichtsprobleme
- Bewegungsstörungen
- verwaschene Sprache
- vorübergehende Verwirrtheit
Die Nebenwirkungen lassen sich unter Umständen lindern oder beseitigen, indem die Taktung oder die Stärke der elektrischen Impulse angepasst wird. Bei anhaltenden, starken Nebenwirkungen kann der Hirnschrittmacher samt Elektroden wieder entfernt werden.
Welche Komplikationen sind möglich?
Das Einsetzen der Elektroden ist – wie jeder operative Eingriff – mit verschiedenen Risiken verbunden.
Eine mögliche Komplikation ist eine Hirnblutung, die in etwa 2 von 100 Fällen auftritt. Auch kann sich die Haut im operierten Bereich entzünden. Darüber hinaus ist es möglich, dass die implantierten Elektroden verrutschen, sodass sie nicht mehr die gewünschte Wirkung erzielen.
Schätzungen zufolge kommt es nach 1 von 100 Operationen zu Folgeschäden, die sich nicht mehr zurückbilden. Dazu zählen zum Beispiel Lähmungen oder Sprachstörungen. Bevor eine tiefe Hirnstimulation durchgeführt wird, müssen Ärztinnen und Ärzte sorgsam abwägen, ob das Operationsrisiko im Vergleich zu den erwartenden Verbesserungen vertretbar ist.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Dystonien AWMF-Leitlinien-Register-Nr. 030/039 (Stand: 1. Februar 2021)
- Klebe, S., Coenen, V.: Tiefe Hirnstimulation bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Der Nervenarzt, Jg. 92, Heft 10, S. 1042-1051 (2021)
- Tiefe Hirnstimulation. Online-Informationen der Deutschen Hirnstiftung: https://hirnstiftung.org/ (Stand: 29.9.2021)
- Parkinson. Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: www.gesundheitsinformation.de (Stand: 19.6.2019)
- Tiefenhirnstimulation. Online-Informationen des Pschyrembel: www.pschyrembel.de (Stand: Juni 2016)
- Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Idiopathisches Parkinson-Syndrom. AWMF-Leitlinien-Register-Nr. 030/010 (Stand: 1. Januar 2016)
- Coenen, V., et al.: Tiefe Hirnstimulation bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Deutsches Ärzteblatt, J. 112, Heft 31-32, S. 519-526 (3. August 2015)